Robert Stadler aus Athen

Das Großfeuer auf Rhodos wütet weiter. Auch am Dienstag werde die Brandgefahr extrem hoch sein, teilte der Zivilschutz mit. 70.000 Touristinnen und Touristen haben die Insel bereits verlassen. Die Wirtschaftszeitung Naftemporiki vermutet, dass sich diese Anzahl in den kommenden Stunden wohl verdoppeln wird. Auf dem griechischen Touristenparadies ging in den letzten Stunden die größte Evakuierungsoperation in der jüngeren Geschichte des Landes über die Bühne. An die 20.000 Menschen wurden mithilfe staatlicher Einrichtungen sowie der tatkräftigen Unterstützung von privaten Helferinnen und Helfern aus den Brandgebieten im Südosten der Insel evakuiert.

Zu den Leidtragenden gehörten auch etwa 60 offiziell gemeldete urlaubende Familien aus Österreich, wie Österreichs Honorarkonsulin Maria Firoglani-Moschi auf der Insel zum STANDARD sagt: "Die Menschen von Rhodos haben die Brandopfer in ihre Arme geschlossen und geholfen, wo es nur ging", betont sie. Als Beispiel nennt sie eine dreiköpfige verängstigte Familie, die von einem Strand im Süden aus telefonisch um Hilfe ersucht habe. Man habe sie schließlich ausfindig machen und sicher nach Rhodos-Stadt bringen können. "Uns rufen natürlich ständig Leute an und fragen, ob sie kommen können oder nicht", ergänzt Firoglani-Moschi. "Wir sagen ihnen dann, dass in der Stadt alles seinen Gang geht." Tatsächlich würden viele kommen wollen.

Video: Der Kampf gegen die Flammen auf Rhodos geht weiter
DER STANDARD

Die Honorarkonsulin hatte am Montagvormittag für Stunden auf dem Internationalen Flughafen Diagoras zu tun, um notleidenden Menschen unter die Arme zu greifen. Dort herrsche natürlich ein veritables Gedränge, erzählt sie, doch die Menschen seien "sehr gefasst". Firoglani-Moschi kann natürlich nicht wissen, ob die ausländischen Gäste, die vor den Feuerfronten flüchteten und das abrupte Ende ihrer Ferien miterleben mussten, Rhodos für immer den Rücken kehren. Sicher sei aber: "Alle haben sie die griechische Gastfreundschaft mit nach Hause genommen."

Reisen bis Mittwoch ausgesetzt

Die meisten Reiseveranstalter haben bis einschließlich Mittwoch Reisen in den Süden von Rhodos ausgesetzt, sagte eine Verkehrsbüro-Sprecherin der APA. "Alle sind in Sicherheit, es wurde niemand verletzt", betonte sie. Pauschalurlauber werden nun wie ursprünglich geplant zurück nach Österreich gebracht. 322 Österreicherinnen und Österreicher, die über Ruefa bei verschiedenen Veranstaltern gebucht haben, befinden sich derzeit auf Rhodos, viele davon im Norden. "Wir haben die allermeisten schon erreicht, alle sind wohlauf", sagte die Sprecherin.

Waldbrand auf Rhodos
Die Feuerwehrleute kämpfen teils vergeblich gegen die Feuerwand an.
IMAGO/Aristidis Vafeiadakis

Auch Tui Österreich reagierte: "Alle Buchungen von Tui-Reisen nach Rhodos werden bis einschließlich Freitag, 28. Juli 2023, storniert. Es werden keine Gäste bis einschließlich Freitag auf die Insel gebracht. Alle geplanten Flüge nach Rhodos finden ohne Urlaubspassagiere statt, um Gäste wieder in ihre Heimatländer zurückzubringen. Gäste mit Buchungen, deren Urlaub in den kommenden Tagen bis einschließlich Sonntag, 30. Juli 2023, beginnt, können kostenlos auf andere Destinationen umbuchen oder ihre Reise stornieren. Die Tui empfiehlt allen Reisenden nach Rhodos mit einem geplanten Urlaubsstart in den kommenden Tagen, auf andere Destinationen auszuweichen. Alle Buchungen von Tui-Reisen in den südöstlichen Teil der Insel werden darüber hinaus bis einschließlich Sonntag, 30. Juli 2023, storniert."

Brände auch auf Euböa und Korfu

Bisher vernichtete das Feuer Wald- und Buschland, Tiere, Häuser, Hotels, Strandbars, Geschäfte, Autos und Kirchen. Auch erfahrene Feuerwehrleute reagieren angesichts der Brandwalze nur mit einem ratlosen Schulterzucken. "Die Feuerfront ist riesig", sagte einer von ihnen im Privat-TV. Er habe "so etwas noch nie gesehen".

Etwa zehn Prozent der Hotels der Insel sind nach Angaben des griechischen Regierungschefs Kyriakos Mitsotakis am Wochenende beschädigt worden. Die meisten beschädigten touristischen Anlagen befinden sich südlich der Region von Lindos.

Auf Rhodos versuchten Löschflugzeuge und Hubschrauber die Brände im Südosten der Insel einzudämmen. Löschflugzeuge aus der Türkei und Hubschrauber aus Ägypten waren dort zur Verstärkung der Griechen im Einsatz. Immer wieder fachten starke Winde die Flammen an, wie ein Sprecher der Feuerwehr mitteilte. Touristen seien jedoch nicht in Gefahr, weil sie bereits am Samstag im Norden der Insel in Sicherheit gebracht worden waren.

Auch die Insel Euböa wird von Bränden heimgesucht. Betroffen ist vor allem die Region der kleinen Hafenstadt Karystos. Der Feuerwehr ist es am Montag gelungen, einen Brand auf der Ferieninsel Korfu einzudämmen. Rund 1.000 Touristen, die in Sicherheit gebracht worden waren, kehrten nach und nach in ihre Hotels zurück, wie der örtliche staatliche Regionalsender ERA-Korfu am Montagabend berichtete.

In 64 Regionen Griechenlands, auch in Korfu im Nordwesten, und in der Türkei tobten am Montag Brände.
In 64 Regionen Griechenlands, auch in Korfu im Nordwesten, und in der Türkei tobten am Montag Brände.
Graphik: Standard

100 Österreicherinnen und Österreicher evakuiert

Der griechische Regierungschef hat sich am Montag bei allen Menschen bedankt, die bei den Löscharbeiten in den vergangenen Tagen in Griechenland mitgeholfen haben. Es habe keine Opfer gegeben, und dies sei auf die Leistung der Feuerwehr, des Zivildienstes, der Küstenwache und der freiwilligen Helfer zurückzuführen. Die nächsten Tage würden weiterhin gefährlich sein. "Wir befinden uns (in Sachen Brände) im Krieg", sagte Mitsotakis bei einer Parlamentsdebatte, die vom Staatsrundfunk übertragen wurde.

Die Feuerwehren in Griechenland kämpften am Montag in insgesamt 64 Regionen des Landes gegen die Flammen. Die Brandgefahr bleibt extrem hoch. Dies gilt für die Region des Großraums Athen, der Halbinsel Peloponnes und vielen Inseln der Ägäis. So werde es auch in den kommenden Tagen bleiben, warnte am Montag der griechische Zivilschutz und veröffentlichte eine Karte mit der Waldbrandgefahr. Die schlimmsten Brände tobten am Montag auf der Insel Rhodos und auf der Insel Euböa.

Laut Außenministerium wurden bisher mehr als 100 Österreicherinnen und Österreicher aus den akuten Brandgebieten in Rhodos evakuiert. Montagmittag wusste die Behörden von keinen Landsleuten, die sich direkt im Brandgebiet befinden. Anrufe von Betroffenen auf anderen griechischen Inseln verzeichnete das Außenministerium bisher nicht. Das Team in Rhodos wurde personell bereits verstärkt – die Kolleginnen und Kollegen sind am dortigen Flughafen, um betroffene Österreicherinnen und Österreicher bestmöglich zu unterstützen. Ein weiterer Kollege aus Wien wird das Krisenteam in Rhodos, eine weitere Kollegin das Botschaftsteam in Athen ehestmöglich zusätzlich verstärken, kündigte das Außenministerium an.

Einige Touristen klagten über mangelnde Unterstützung. Der Österreicher Mario Wiese sagte, er habe zwei Tage auf dem Flughafen von Rhodos verbracht und sich selbst um seinen Rückflug nach Deutschland am Montagabend kümmern müssen. "Es gibt keine Decken, nichts. Hier liegen Kinder, die Milch brauchen", sagte er. "Ich musste alles selbst organisieren, weil sich hier niemand um uns kümmert. Ich verstehe das nicht."

Wenig Optimismus

Ein Meteorologe ließ gegenüber dem staatlichen Rundfunk ERT wenig Optimismus aufkommen: Das Feuer, sagte er, zerstöre "das ökologische Herz" der Insel. Am Montag brannte dort die Siedlung Asklipiou. Ein Kommunalpolitiker stellte zerknirscht fest: "Wir übergeben unseren Kindern verbrannte Erde." Und auch eine Mitarbeiterin des Regionalgouverneurs zeichnete ein düsteres Bild: "Ich weiß nicht, wer die Verantwortung hat, aber man kann von einem organisierten Verbrechen sprechen. Die Insel Rhodos ist verbrannt. Die Perle der Ägäis hat sich schwarz gefärbt."

Die Stimmung unter den Bewohnern und Gästen von Rhodos leidet durch die Ereignisse erheblich. Das Fazit eines Musikers und ehemaligen freiwilligen Feuerwehrmanns auf Rhodos: "Es ist einfach deprimierend." Er kritisierte im STANDARD-Gespräch auch, dass die Kommunalpolitik trotz Warnungen den Schwerpunkt des Brandschutzes in den Westen der Insel verlagert habe und dabei Maßnahmen für den Süden vernachlässigte.

Klimawandel und Brandstiftung

Als eine der Ursachen für Waldbrände wird auch in Griechenland seit ein paar Jahren immer wieder die Klimakrise angeführt, die sicherlich für eine Verschlechterung der Lage mitverantwortlich ist. Mitsotakis, aber auch der Minister für Klimakrise und Zivilschutz Vassilis Kikilias äußerten sich in den vergangenen Tagen in diese Richtung. Mehrere Zahlen sagen aber auch: Die Verantwortung des Einzelnen für kleine und größere Katastrophen ist nicht zu unterschätzen. Offizielle Daten der griechischen Feuerwehr über Brandursachen von 2022 zeigen: Von den insgesamt 20.512 Bränden in diesem Jahr entstanden 79,8 Prozent aus "unbekannten Ursachen", 14,25 Prozent aufgrund "fahrlässigen Verhaltens" und lediglich 0,49 Prozent aus "natürlichen Gründen".

In einer Pressemitteilung der griechischen Feuerwehr vom 13. Juli 2023 heißt es wiederum, dass allein an diesem einen Tag 99 Festnahmen wegen Brandstiftung in ländlichen Gebieten oder Waldgebieten vorgenommen wurden. 94 davon erfolgten wegen fahrlässiger und nur fünf aufgrund vorsätzlicher Brandstiftung. Beinahe alle diese Vorfälle ereigneten sich im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Arbeiten – etwa beim Verbrennen von Ernterückständen oder beim Räuchern von Bienenstöcken. Auf Rhodos wurden in Zusammenhang mit dem Feuer bereits einige Personen festgenommen, aber nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Den Großbrand auf der Sonneninsel kommentierte ein Sprecher der Feuerwehr mit den Worten: "Hinter den Bränden verbergen sich menschliche Aktivitäten."

Der Brand auf Rhodos war am Dienstag ausgebrochen. Am Samstag trieben die Flammen dann plötzlich auf mehrere Dörfer zu, die Behörden gaben Evakuierungsalarm. Der Brand habe "das Herz von Rhodos und seine Umwelt getroffen", sagte der Naturkatastrophen-Experte Efthymios Lekkas dem Fernsehsender ERT. Er warnte vor schwerwiegenden Auswirkungen auf die Tourismusbranche der Insel. "Ich bin gerade von Lindos nach Gennadi gefahren", sagte er. "Alle großen Hotels haben geschlossen. Ich glaube nicht, dass sie dieses Jahr nochmal öffnen werden, denn die Umgebung ist zerstört und lädt nicht gerade zum Urlauben ein."

Meteorologen erwarten Abkühlung am Donnerstag

Unterdessen naht das vorläufige Ende der Hitzewelle in Griechenland – und zwar am Donnerstag. Starke Winde sollen zu einer Abkühlung auf 35 Grad führen. Seit zwölf Tagen zeigen die Thermometer in den meisten Regionen des Landes Werte um die 40 bis 45 Grad. Das werde dann mit einer Dauer von mehr als zwei Wochen die längste Hitzewelle sein, seitdem es Messungen in Griechenland gibt, sagten Meteorologen.

Bevor die Abkühlung kommt, wird es einen letzten Hitzehöhepunkt geben. Vor allem im Westen des Landes wird für Dienstag und Mittwoch aus Richtung Libyen kommender Wind erwartet: Es ist ein heißer, trockener Fallwind, der berüchtigte Livas. Dieser Fallwind sei extrem trocken und so heiß wie Luft aus einem Haartrockner, beschrieben Meteorologen das Phänomen.

Brandgefahr in weiten Teilen Südeuropas

Auch andere Länder im Mittelmeerraum ächzen weiter unter Hitze und Trockenheit. In der Türkei liegen die Temperaturen etwa an der Ägäis und am Mittelmeer dem Wetterdienst zufolge bis zu acht Grad über dem für diese Jahreszeit üblichen Wert. Am Mittwoch werden dort Temperaturen bis zu 42 Grad erwartet. In der südtürkischen Provinz Mugla brach unterdessen ein neuer Waldbrand aus, nachdem die Einsatzkräfte einen anderen Brand kurz zuvor unter Kontrolle gebracht hatten. Seit Wochen hat es in der Region nicht mehr geregnet, Waldbrände können sich in der trockenen Vegetation so schneller ausbreiten.

In Spanien und Portugal ist die Waldbrandgefahr wegen der langen Dürre in weiten Teilen der beiden Länder ebenfalls extrem hoch. Die große Hitze lässt die Vegetation zudem noch stärker austrocknen, was zu teilweise sich fast explosionsartig ausbreitenden Bränden führt. Derzeit gab es in Spanien jedoch nach Angaben des Umweltministeriums in Madrid nur einen aktiven Waldbrand. Er sei am Sonntagabend in der Gegend von Villanueva de la Vera in der Provinz Cáceres ausgebrochen. Bisher hätten die Flammen nicht unter Kontrolle gebracht werden können und bereits etwa 100 Hektar zerstört. Aus Portugal gab es keine Berichte über größere Brände. Nach einem heißen Wochenende mit Temperaturen bis zu 40 Grad im Süden Spaniens konnten sich die Menschen in den kommenden Tagen auf eine leichte "Abkühlung" mit Tageshöchsttemperaturen zwischen 25 und 35 Grad freuen.

Auch in Italien steigt wegen Trockenheit mancherorts die Gefahr von Wald- und Vegetationsbränden. In der Region Kalabrien gab es in den vergangenen Tagen bereits mehrere Brände. In der Provinz Cosenza waren Feuerwehrleute am Montag noch im Einsatz. Auch im Nordwesten Siziliens kämpften Einsatzkräfte gegen einzelne Brände.

Waldbrände drohen auch in Frankreich. Dem Wetterdienst Météo France zufolge ist das Risiko für Waldbrände im südöstlichen Département Bouches-du-Rhône, in dem etwa Marseille und Aix-en-Provence liegen, am Dienstag sehr hoch. (Robert Stadler aus Athen, APA, 24.7.2023)