"Ich muss zugeben, wenn ich aus der Flasche trinke, stört mich der Plastikdeckel auch manchmal", sagt Manfred Tacker. Der Geschäftsführer des Instituts Circular Analytics beschäftigt sich tagtäglich mit der Optimierung von Verpackungen. Er begrüßt die Tethered Caps, wie die angebundenen Verschlusskappen fachsprachlich heißen, aus beruflicher Sicht – sie vereinfachen den Recyclingprozess und schützen vor Umweltverschmutzung. Dass während des Trinkens aus der Flasche ein Plastikdeckel an der Wange klebt, ist da wohl ein notwendiges Übel.

Denn aufzuhalten sind die lästigen Anhängsel nicht – im Gegenteil, ab Juli 2024 müssen sie fix mit Tetrapaks und Plastikflaschen unter drei Litern Volumen verbunden sein. Das besagt die sogenannte Einweg-Kunststoff-Richtlinie der Europäischen Union. Die darin enthaltenen Maßnahmen sollen Einwegplastik reduzieren, die Recyclingquote bei Kunststoffen erhöhen und die Umwelt schützen.

Milch mit fixer Verschlusskappe vor gelbem Hintergrund
Die Verschlusskappen von Plastikflaschen und Getränkekartons müssen ab Juli 2024 fest mit dem Behältnis verbunden sein.
Philip Pramer

Littering-Problem durch Verschlusskappen

Ob der Richtlinie geben Supermärkte seit 2020 etwa keine Einwegplastiksäcke mehr aus, Plastikstrohhalme sowie Messer, Gabeln und Teller aus Kunststoff sind seit Juli 2021 verboten. Als Nächstes soll das Problem mit den Verschlusskappen gelöst werden, indem sie an den Flaschen hängen bleiben, bis der Recyclingprozess sie scheidet.

Ein Problem sind die Deckel, weil sie an den Stränden Plastikberge zwischen Sandhügeln formen. Eine Erhebung zeigt: Die Verschlusskappen zählen zu den Einwegkunststoffartikeln, die an Stränden der Europäischen Union den meisten Abfall produzieren.

Jeder Flasche ihren Deckel

Und selbst wenn sie den Weg in den Mistkübel finden, ist es häufig nicht der richtige, wie Martin Prieler von Altstoff Recycling Austria (ARA) weiß. Verschwinden die Deckel im Restmüll, werden sie verbrannt, und das Material ist verloren. Doch auch wenn Konsumentinnen und Konsumenten alles richtig machen, die Verschlüsse also in der Gelben Tonne und somit im Recyclingprozess landen, ist das Deckeldilemma nicht gelöst. Die meisten Sortieranlagen in Österreich sind laut Tacker nämlich nicht auf dem neuesten Stand der Technik. Auch eine Erhebung des Umweltbundesamts attestiert: "Bei den Sortieranlagen muss nachgerüstet werden."

Die Schwierigkeit liegt aktuell darin, dass die Flaschen aus PET, die Verschlüsse aber aus Polyethylen oder Polypropylen bestehen. Das sind verschiedene Kunststoffe mit unterschiedlichem Gewicht. Die Kappen sind leichter, werden daher teilweise falsch aussortiert und sind für den Recyclingprozess erst wieder verloren.

Um dem gegenzusteuern, werden laut Tacker derzeit zwei neue Mülltrennungsanlagen gebaut, die mit dem sogenannten Schwimm-Sink-Trennverfahren ausgestattet sind. Dabei werden Flaschen und Deckel zunächst in kleine Stücke geschreddert und heiß gewaschen. Danach kommen sie in ein Wasserbecken. Das PET sinkt, weil es schwerer ist als Wasser; Polyethylen und Polypropylen sind hingegen leichter und treiben nach oben. So können die Kunststoffe leicht getrennt und später recycelt werden.

Plastikflaschen mit angehängten Verschlusskappen
Angehängte Deckel sollen den Recyclingprozess erleichtern.
IMAGO / Vandercam Christophe

Recyclingquote zu niedrig

Bisher habe das Material der Verschlusskappen im Kunststoff-Recyclingunternehmen PET to PET rund sechs Prozent der verarbeiteten Menge ausgemacht. Durch die fixe Verbindung von Deckel und Flasche geht Geschäftsführer Christian Strasser davon aus, dass nun in etwa doppelt so viele Verschlusskappen recycelt werden.

Die Deckel-Flaschen-Verbindung erhöht den Kunststoff-Recyclinganteil zwar, das Ruder herumreißen kann sie aber wohl trotzdem nicht. Denn Österreich hinkt bei der EU-Recyclingquote hinterher. Dieser zufolge soll bis 2025 mindestens 50 Prozent des Kunststoffs recycelt werden, die aktuelle Recyclingquote liegt laut Tacker bei rund 28 Prozent. "Wir müssen die Sammlung erhöhen und die Sortierung verbessern, dann gehen sich die 50 Prozent Recyclingquote bei Kunststoff bis 2025 hoffentlich aus. Es wird aber sehr knapp werden", sagt Tacker. Ein erster Erfolg zeige sich bereits in Wien, wo Kunststofffolien noch bis vor kurzem in der Restmülltonne gelandet sind und seit Anfang des Jahres gesammelt werden.

Müllhaufen auf einem Strand in den Ausläufern von Colombo, Sri Lanka
Verschlusskappen von Flaschen sind an Stränden besonders oft zu finden.
AFP

Weniger Plastik in neuen Flaschen

Der Kritik, dass durch das Anhängen des Deckels mehr Plastik aus Rohöl verarbeitet werden müsse, entgegnet Prieler, dass "kurzfristig geringfügig mehr Kunststoff verwendet werden könnte, aber langfristig Optimierungsbedarf gegeben ist, der bereits bei einigen Unternehmen zur Umsetzung kommt".

Coca-Cola etwa hat die Umstellung laut eigenen Angaben genutzt und verarbeitet weniger PET in den Flaschen. Insgesamt würden so 1,37 Gramm Kunststoff pro Flasche eingespart. Auf STANDARD-Nachfrage bei Vöslauer heißt es, dass der "Bleibt-dran-Verschluss", wie er dort genannt wird, nicht mehr Material benötige. Außerdem sei man das erste Unternehmen im deutschsprachigen Raum gewesen, das die Richtlinie umgesetzt habe. Spätestens 2024 seien alle Produkte verbunden.

Prieler von der ARA räumt ein, dass das Fehlen einer breitangelegten Kampagne nicht zur Akzeptanz beigetragen habe. "Es ist eine natürliche menschliche Reaktion, auf Veränderung und Neues skeptisch zu reagieren." Man wolle Konsumentinnen und Konsumenten aber künftig durch Aufklärungsarbeit davon überzeugen, dass die fix verbundenen Deckel ökologisch sinnvoll seien und Umweltverschmutzung vermeiden.

Dem Bericht, der auch die Tethered Caps vorschlägt, haben 2018 nicht zuletzt alle österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament zugestimmt. Ein gutes Zeichen also, dass auch die breite Bevölkerung die Maßnahme als sinnvoll erachten könnte, wenngleich die Anhängsel dadurch nicht weniger lästig werden. (Julia Beirer, 13.8.2023)