Qin Gang
In den vergangenen Wochen hatte es wilde Spekulationen rund um Qin Gang gegeben.
AFP/NOEL CELIS

Xi Jinping hat seit Jahren mit Winnie Puh in den sozialen Medien sein Cartoon-Lookalike. Nun hat auch sein bisheriger Außenminister Qin Gang sein eigenes Meme-Maskottchen: "Where’s Wally?"-Illus machten dieser Tage die Runde im Zusammenhang mit dem chinesischen Topdiplomaten. Denn Qin ist bereits seit einem Monat verschwunden. Am Dienstag folgte dann schließlich der Abgang: Genau einen Monat, nachdem er zuletzt öffentlich aufgetreten war, hat ihn Chinas Ständiger Ausschuss des Volkskongresses des Amtes enthoben. Sein Vorgänger Wang Yi werde wieder übernehmen, berichteten Staatsmedien.

Bereits am Montagabend hatten dementsprechende Gerüchte zirkuliert, nachdem die außerordentliche Sitzung des Ständigen Ausschusses kurzfristig angesetzt wurde, bei der auch Personalentscheidungen an der Tagesordnung standen. Zuvor hatte außerdem das Politbüro, das mächtigste Gremium Chinas, getagt. Doch in der nebulösen Pekinger Politik konnte niemand wirklich wissen, was passieren würde. Und bis jetzt weiß man auch nicht, was eigentlich mit Qin Gang los ist.

Suchanfragen blockiert

Das mysteriöse Verschwinden wurde von der chinesischen Regierung bisher mit "gesundheitlichen Gründen" erklärt. Doch so recht will man das weder im In- noch Ausland glauben. Denn zeitgleich werden in den chinesischen Netzwerken Suchanfragen nach seinem Verbleib blockiert. Pressesprecher fanden in den vergangenen Wochen immer wieder neue Phrasen, um so wenig wie möglich zu der Causa sagen zu müssen: Warum denn die Frage nach Qin Gang nicht ins Transkript der Pressekonferenz vom Montag aufgenommen wurde, wollte ein Journalist noch am Dienstag im Außenministerium wissen. "So wie Sie entscheiden, worüber Sie berichten, entscheiden wir über den Inhalt unserer Pressemitteilung", lautete die Antwort des Sprechers.

Wo ist also Qin Gang? Gerade in Zeiten vorsichtiger Annäherung zwischen den USA und China fiel die lange Absenz des Topdiplomaten besonders auf. So war er, bevor er ins Außenministerium in Peking kam, Botschafter in Washington. Von Sommer 2021 bis 2022 ging er stoisch mit der relativen Kälte um, die ihm dort vonseiten der US-Politik entgegengebracht wurde. Er pflegte stattdessen private Kontakte mit US-Amerikanern vor allem aus der Geschäftswelt.

Ein "wolf warrior"

Qin ist ein Karrierediplomat, der im Peking der 1980er-Jahre Internationale Politik studierte. Ab 1992 arbeitete er für das chinesische Außenministerium und hangelte sich dort durch die Hierarchien. So richtig an Fahrt nahm seine Karriere aber erst mit Xi Jinpings Machtübernahme ab 2012 auf. Als dessen Protegé zählt Qin zu jenen "Wolf warrior"-Diplomaten, die unter Xi zunehmend aggressiv auf der internationalen Bühne auftreten.

2018 wurde er zum Vizeaußenminister – unter Chef Wang Yi – ernannt, drei Jahre später folgte seine Entsendung nach Washington. Ende 2022 folgte er schließlich Wang nach und wurde Außenminister.

Gerüchte um US-Spionin

Doch seine aktive Zeit sollte kurz dauern: Nach sieben Monaten im Amt muss er wieder Platz für den früheren Chef machen. Von dem 57-Jährigen fehlt weiter jede Spur. Eben weil Peking so spärlich mit Informationen umgeht, brodeln die Gerüchte um sein Verschwinden. Besonders hoch im Kurs steht, dass er aufgrund einer außerehelichen Affäre mit einer TV-Moderatorin aus Hongkong aus dem Verkehr gezogen wurde. Die beiden sollen ein Kind haben, und – hier wird es besonders wild – sie soll eine US-amerikanische Spionin sein.

So abstrus das klingen mag, wäre es zumindest ein Erklärungsansatz dafür, warum das Regime in Peking so drastische Maßnahmen setzt. Auf eben jene Gerüchte angesprochen, gab eine Sprecherin des Außenministeriums vor kurzem an, sie habe "keine Informationen" zu dem Thema. (Anna Sawerthal, 25.7.2023)