Gegen Till Lindemann wird in Wien vorerst nicht ermittelt. Die Staatsanwaltschaft kann ihre Zuständigkeit mangels Informationen nicht feststellen.
APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ

Die Staatsanwaltschaft Wien wird nach einer ersten Prüfung der im ORF bekanntgemachten Vorwürfe einer Österreicherin gegen den Sänger der Band Rammstein, Till Lindemann, "vorerst kein Ermittlungsverfahren einleiten". Das bestätigte dem STANDARD am Dienstagnachmittag eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Die anonym erhobenen Vorwürfe, Lindemann habe die Frau während einer Pre-Party eines Rammstein-Konzerts in einem Hotelzimmer gegen ihren Willen zu Sex überreden wollen und ihr dabei auf den Hintern geschlagen, sodass sie Blessuren davongetragen habe, können laut Sprecherin der Staatsanwaltschaft mangels konkreter Informationen vorerst nicht weiter geprüft werden.

Zu wenige Informationen, keine Anzeige

Konkret fehlt den Behörden Ort und Zeit, wann und wo sich der Vorfall zugetragen haben soll. Das mutmaßliche Opfer hat im ORF weder ihre Identität noch Ort und Zeitpunkt des angeblichen Vorfalls genannt, einzig, dass es sich während der seit 2019 laufenden Stadiontour der Band, die durch Europa führt, passiert sein soll. Die Staatsanwaltschaft Wien kann laut Sprecherin auf Basis der vorliegenden Informationen nicht einmal feststellen, ob sie überhaupt für den Fall zuständig wäre. Es sei auch keine Anzeige eingegangen, die ein weiteres Vorgehen rechtfertigen würde. Die Frau, die die Vorwürfe erhebt, hat im ORF selbst bekundet, Lindemann aus Angst vor nachteiligen Konsequenzen nicht anzeigen zu wollen. Falls sich dies ändern sollte, würde die Staatsanwaltschaft in dem Fall erneut tätig werden, so die Sprecherin.

Ruf nach Absage dürfte verhallen

Abseits möglicher juristischer Konsequenzen beschäftigt derzeit viele die Forderung nach der Absage der Konzerte. Schon im Vorfeld der Rammstein-Auftritte in München und Berlin wurden derlei laut, abgelehnt wurden Absagen meist mit der Begründung, dass hierzu die rechtliche Handhabe fehle. In Wien fordern seit Tagen Meri Disoski und Viktoria Spielmann, Frauensprecherinnen der Grünen, eine Absage der Konzerte. Untermauert wird diese Forderung von einer Petition, die über 17.000 Menschen unterschrieben haben.

Zuständig wäre die Stadt Wien als Eigentümerin des Ernst-Happel-Stadions. Aus dem Büro des Wiener Bürgermeisters hieß es, dass man zwar Verständnis für die Forderung nach Absagen habe, dass es dafür aber "keine rechtliche Grundlage" gebe. Klar sei: "Es muss selbstverständlich sein, dass Frauen ein Konzert besuchen und es genießen können. Es muss selbstverständlich sein, dass ein Nein ein Nein ist, und es muss selbstverständlich sein, dass Frauen, wenn sie sich belästigt fühlen, ernst genommen werden und keine Täter-Opfer-Umkehr stattfindet. Gewalt gegen Frauen und sexuelle Belästigung haben in unserer Stadt keinen Platz", heißt es in dem Statement. Der eingemietete Veranstalter der Konzerte, Arcadia Live, war auf Anfrage des STANDARD zu keiner Stellungnahme bereit.

Üblicherweise werden für Konzerte dieser Größenordnung (über 100.000 Besucher) in Verträgen genaue Gründe für Absagen definiert. Unbewiesene Anschuldigungen dürften keinen ausreichenden Grund darstellen. Bei einer Absage würde die Stadt Wien also vertragsbrüchig und somit klagbar. Zumindest auf die Rufe vonseiten der Politik nach maximalen Sicherheitsvorkehrungen hatten die Veranstalter bereits vor Tagen reagiert: Diese seien seit Jahren sehr hoch, man arbeite "ausschließlich mit geschultem Sicherheitspersonal" und sei "im engen Austausch mit Behörden und Sicherheitskräften". Es gebe speziell zugeschnittene Awareness-Konzepte und "Safe spaces" bei jeder einzelnen Veranstaltung. (Stefan Weiss, 25.7.2023)