Deckenschild mit Aufschrift
Um über 160.000 Euro soll ein 60-Jähriger die Pensionsversicherungsanstalt geprellt haben, indem er eine Demenzerkrankung vortäuschte. Er sieht sich schuldlos.
Heribert Corn

Wien – Sowohl Philipp Schnabel, Vorsitzender des Schöffengerichts im Verfahren gegen den 60-jährigen Herrn L., als auch Staatsanwalt Jörgen Santin ringen mehrmals erfolglos um ihre Contenance und können sich das Grinsen nicht verkneifen. Grund ihrer Erheiterung ist die recht bodenständige und blumige Sprache des angeklagten Pensionisten aus Wien-Floridsdorf, dem schwerer gewerbsmäßiger Betrug sowie Untreue vorgeworfen werden. Einerseits soll er acht Jahre lang zu Unrecht über 160.000 Berufsunfähigkeitspension bezogen, andererseits als Sachwalter eines Bekannten dessen Konto leergeräumt haben.

"Sie kennen sich ja vor Gericht schon aus", merkt der Vorsitzende zu Beginn und zu Recht an, schließlich ist L. bereits neunmal einschlägig verurteilt worden. Zuletzt fasste der Österreicher 2019 eine Strafe von 30 Monaten unbedingt aus, "noch zwa oder drei Wochn hom s' mi oba wieda hamgschickt", verrät der Angeklagte.

Warum er nun hier sitzt, versteht er nicht ganz. Schließlich habe seine Frau einst zu ihm gesagt: "Wos is? Du vergisst und wirst schnö narrisch. Geh amoi zum Oarzt." Er befolgte dem Rat, im AKH sei dann schließlich eine Alzheimer-Erkrankung diagnostiziert worden. Nachdem er bereits 2012 und 2014 bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) erfolglos um eine Berufsunfähigkeitspension angesucht hatte, war er mit dem neuen Attest erfolgreich. Exakt 163.933,55 Euro zahlte ihm die PVA. Obwohl er aus Sicht der Staatsanwaltschaft eigentlich hätte arbeiten können – ein Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann habe keine Anzeichen von Demenz feststellen können, bereits davor hatte ein Mediziner an der Klinik Floridsdorf die vermutete Erkrankung nicht bestätigen können.

Mehrere Gutachter bestätigten Erkrankung

"99 Prozent der Ärzte san dann irre und nua zwa ned", merkt der Angeklagte dazu an – denn tatsächlich hatten ihm seit 2014 mehrere Stellen, darunter auch ein PVA-Sachverständiger, die ursprüngliche Diagnose bestätigt. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe mittlerweile nicht rechtskräftig entschieden, dass keine Täuschung durch L. vorgelegen habe, sekundiert seine Verteidigerin. Er habe einfach auf die Meinung der Ärzte gehört. "Ana der Sachverständigen hat ausgschaut wie ein Urgrüner", schildert der Angeklagte auch noch. "Wie ein Rapidler?", vermutet der Vorsitzende einen Fußballbezug. "Na. Die Partei. Der hod an Kartoffelsock aughobt!"

Vor Gericht macht der Angeklagte aber keineswegs den Eindruck, in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt zu sein. Er kann sich gut erinnern, nur manche Namen fallen ihm manchmal nicht sofort ein. "Die oiden Sochn was i eh, die neien vagiß i", behauptet L., als Vorsitzender Schnabel ihn auf diesen Umstand anspricht. Er sei bereits beim Bundesheer aus psychischen Gründen untauglich gewesen, erzählt L. noch. "Mei Voter hod mi zvü droschen!", vermutet er als Begründung. Schnabel versteht das letzte Wort falsch und fragt nach: "Zu viel gesoffen?" – "Des a. Beides", schildert der Angeklagte sein tristes Aufwachsen.

Erwachsenenvertreter trotz Alzheimer

Der zweite Anklagepunkt beeindruckt den Vorsitzenden. "Wie kommen Sie dazu, mit einer Alzheimer-Erkrankung eine Erwachsenenvertretung zu übernehmen?", interessiert ihn. "Da Heinz hod mi gfrogt", erzählt L., wie er dazu kam. Sein Bekannter sei mit seinem als Vertreter agierenden Anwalt unzufrieden gewesen, da der ihm nicht genug Geld gegeben habe. Also habe er den Posten übernommen. "Und vor Gericht haben Sie nicht gesagt, dass Sie wegen Alzheimer in Berufsunfähigkeitspension sind?" – "Na! Glauben S', i sog des eifoch? Wenn d'Leit Alzheimer oda Demenz hearn, hoiden s' an jo glei für deppad!"

"Jetzt haben Sie das aber nur acht Monate gemacht, ehe der Mann gestorben ist, und danach war das Konto leer", hält der Vorsitzende dem Angeklagten vor. Er habe nur gemacht, was sein Bekannter gewollt habe, ist L. sich keiner Schuld bewusst. So habe er dem "Heinz" beispielsweise mehrere Mobiltelefone und Computer gekauft oder auch Gutscheine "für dieses Internetgschäft ..." – "Amazon." – "Danke, Herr Rat." Ob er sich nicht gedacht habe, dass es vielleicht einen Grund habe, dass der Bekannte einen Erwachsenenvertreter habe? "Er hod gsogt: 'I wü leben, bevor i stirb. Und vaerben wü i sowieso nix.' Frogn S' sein Sohn! Der hot des a gwusst!", beteuert L. seine Unschuld.

"Fett wia die russische Erde!"

"Und über die Pflicht, dass Sie Rechnungen legen müssen, sind Sie nicht aufgeklärt worden?", wundert sich Schnabel. "I waß von nix", beharrt der Angeklagte. Im Gegenteil, der zuständige Richter des Bezirksgerichts habe sogar einen nächtlichen Hausbesuch gemacht: "Da Richta woa um Öfi bei uns zuhaus. Ondare Leit schlofn do scho. Und er woar fett wia die russische Erde!", behauptet L. eine beträchtliche Alkoholisierung des Beamten. Dass er das Geld für seine Zwecke verwendet habe, wie Ankläger Santin vermutet, weist der Angeklagte empört zurück. "Waun i es gnumma häd, darad i ned auf anazwanzg Quadratmetern wohnen", stellt er klar.

Für die Einvernahme weiterer Zeugen und Mediziner wird schließlich auf den 12. September vertagt. (Michael Möseneder, 26.7.2023)