Das kommende Wochenende bringt Wien nicht nur hohe Temperaturen, sondern auch antifaschistische Demonstrationen. Nach einer sogenannten Warm-up-Demonstration am Freitagabend geht es am Samstag gegen einen Aufmarsch der Identitären. Zahlreiche Gruppen mobilisieren seit Wochen gegen die Demonstration der Rechtsextremen.

Antifa mit Transparent mit der Aufschrift
Antifaschistische Demonstration gegen Identitäre in Wien im Winter 2023.
Foto: Markus Sulzbacher

Für diese Demonstration hat sich neben dem Identitären-Wortführer Martin Sellner auch Silvio Hemmelmayr, der Obmann der Freiheitlichen Jugend Oberösterreich, als Redner angesagt. Der Auftritt Hemmelmayrs zeigt einmal mehr, wie eng die FPÖ-Jugendorganisation mit den Identitären verbunden ist. In beiden Gruppierungen wird immer wieder vom angeblichen "Großen (Bevölkerungs-)Austausch" geredet, der nach einem geheimen Plan durchgeführt werde. Die Verschwörungserzählung ist ein Klassiker im rechtsextremen Milieu. Dazu kommt, dass Aktivisten in beiden Gruppierungen zu finden sind, etwa Elias Schuch, der vor einigen Wochen zum Obmann der neu gegründeten Korneuburger Bezirksgruppe der FPÖ-Jugend gewählt wurde. Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) schreibt auf Twitter von einer "Verschmelzung von 'Identitären'(-Ablegern) & FPÖ-Jugend".

Bei bisherigen größeren Demonstrationen der Identitären hat sich das gesamte rechtsextreme Spektrum versammelt. Von Alt-Neonazis, FPÖ-Funktionären, sogenannten Neu Rechten bis hin zu führenden Köpfen von Corona-Demonstrationen. Dieses Jahr soll auch Anna Leisten als Rednerin dabei sein; sie ist Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Alternative Deutschland, der Jugendorganisation der AfD. Die Jugendorganisation wird vom deutschen Verfassungsschutz als "rechtsextrem" eingestuft und beobachtet.

"Bedrohung" und "Gefahr"

Für Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sind die Identitären eine "Bedrohung" und eine "Gefahr", wie er anlässlich der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes 2022 im Mai dieses Jahres sagte. Im Bericht wird erwähnt, dass der rechtsterroristische Attentäter von Christchurch, der im März 2019 51 Menschen tötete, dem Identitären-Wortführer Sellner Geld gespendet hat. Die Identitären kooperieren laut Verfassungsschutz mit "rechtsextremen Hooligan-Gruppierungen, mit Vertreterinnen und Vertretern aus der rechtsradikalen Staatsverweigerer-Szene sowie mit Anhängerinnen und Anhängern der derzeit verbreiteten rechtsextremen Verschwörungsideologien". Das tun sie etwa beim Schutz ihrer Demonstrationen. Dies sei ein "tiefgehendes Problemfeld mit sicherheitsrelevanter Herausforderung".

In den vergangenen Wochen haben Identitäre die Pride in Klagenfurt gestört, im November des vergangenen Jahres versuchten Aktivisten ein Transparent auf einem Balkon des Innenministeriums anzubringen, wurden allerdings daran von Sicherheitspersonal gehindert.

Idenititäre mit Transparent
Demonstration der Identitären in Wien 2021
Foto: Markus Sulzbacher

Allerdings ist bei Demonstrationen und Veranstaltungen der Identitären meistens wenig davon zu merken, dass diese von den Sicherheitsbehörden als "Gefahr" oder "Bedrohung" angesehen werden. Wenn Journalisten und Journalistinnen auf Demonstrationen bei ihrer Arbeit von Rechtsextremen behindert oder bedroht werden, beobachten Polizei und Verfassungsschutz lediglich – oder greifen, wenn überhaupt, erst ein, wenn es zu tätlichen Angriffen gekommen ist.

Identitäre mit Regenschirmen
Identitäre versuchen Journalisten und Journalistinnen bei der Arbeit zu behindern.
Foto: Markus Sulzbacher

Die Wiener Polizei musste sich zuletzt wegen ihrer Vorgangsweise bei Veranstaltungen der Identitären Kritik gefallen lassen. Im Juli des vergangenen Jahres eskortierte sie Identitäre und Neonazis von einem öffentlichen Treffpunkt bei einer U-Bahn-Station quer durch die Stadt, damit sie dann an einem geheim gehaltenen Ort eine Veranstaltung durchführen konnten. An einem kalten Dezembertag 2022 war die Polizei ebenfalls zur Stelle, als sich Identitäre im achten Wiener Gemeindebezirk trafen, um einem Vortrag eines ehemaligen Al-Kaida-Mannes zu lauschen, der sich mittlerweile als "Islamistenjäger" bezeichnet und als Spitzel für deutsche Behörden tätig war. Bei beiden Veranstaltungen fanden keine Gegenproteste statt. Die Polizei begründete ihre Anwesenheit damit, dass es in der Vergangenheit bei ähnlichen Gelegenheiten zu Angriffen auf Identitäre gekommen sei.

Verfassungsschutz schaut zu

Aus diesem Grund war der Verfassungsschutz im November 2021 zur Stelle. Sechs Tage nach dem Anschlag eines Islamisten in Wien, bei dem vier Personen ermordet wurden, wurden Bewohnerinnen und Bewohner in Wien-Josefstadt mit Gewehrsalven, Muezzin-Gebetsrufen und Parolen gegen eine angebliche Islamisierung aus dem Schlaf geweckt. Ein stadtbekannter, mittlerweile verstorbener Rechtsextremer hatte einen Lautsprecher auf ein Auto montiert, über den er Geräusche wie Schüsse von einem Tonband abspielte. Anwohnerinnen und Anwohner sowie Passantinnen und Passanten waren entsetzt und geschockt. Auch darüber, dass das Fahrzeug dabei von einem Polizeiwagen begleitet wurde.

Nachdem Videos von dieser Provokation auf Twitter aufgetaucht waren, hagelte es Kritik. Die Polizei entschuldigte sich später sogar dafür. "Dies hätte so nicht stattfinden dürfen", hieß es noch am Nachmittag vonseiten der Polizei. Zuvor erklärte sie auf Twitter, warum sie nicht eingeschritten war: "Noch während der Abklärung mit dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und der Setzung von Maßnahmen der anwesenden Kolleg*innen vor Ort wurde die Kundgebung um 10 Uhr beendet." Wochen später wurde bekannt, dass nicht nur uniformierte Polizisten diesen Auftritt begleiteten. Zwei Verfassungsschützer in Zivil waren ebenfalls im Einsatz. "Zur Umfeldaufklärung gegen potenzielle Störer der Versammlung", wie aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage hervorging. Statt einzugreifen und den rechtsextremen Umzug zu beenden, hatte sie Sorge vor Antifaschistinnen und Antifaschisten. (Markus Sulzbacher, 28.7.2023)