Durch ein Loch sieht der Betrachter das Logo des Möbelkonzerns Kika/Leiner.
Der Staat hat Kika/Leiner im Zuge der Pandemie großzügigen Steueraufschub gewährt. Nach der Insolvenz des Möbelkonzerns ist der Großteil des Geldes wohl für immer verloren
APA/HELMUT FOHRINGER

Wie teuer es für den Staat werden kann, wenn er Steuern nicht sofort einhebt, sondern aufschiebt, hat der Fall Kika/Leiner eindrücklich gezeigt: Die Republik gewährte dem strauchelnden Möbelkonzern im Zuge der Pandemie Umsatzsteuerstundungen in Millionenhöhe. Nach der Insolvenz des Unternehmens ist der Großteil dieser Einnahmen für immer verloren – kolportiert werden rund 40 Millionen Euro.

Das Ausmaß der Kika/Leiner-Insolvenz ist speziell, eine Ausnahme ist der Fall aber keineswegs: Im Zuge der Corona-Krise vergab die Finanz großzügig Steueraufschübe und Corona-Hilfen. Jetzt, nach Auslaufen der Förderungen, schlittern viele Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit. Doch dem Finanzministerium fehlt derzeit offenbar der Überblick darüber, wie viele Steuerstundungen betroffen sind – und wie viel Geld dem Staat insgesamt entgeht.

Steuerstundungen sind üblich, dürfen unter normalen Bedingungen jedoch nur an solide Unternehmen vergeben werden, die die Steuern spätern nachzahlen können. Während der Pandemie war das anders: Die Voraussetzungen wurden abgeschwächt, die Aufschübe großzügig gewährt. Dass viele Steuern endgültig verlorengehen, wurde von der Politik lange in Kauf genommen. Auch die Finanzämter legten die Voraussetzungen für Aufschübe unternehmensfreundlich aus.

Kein Überblick bei Ausfall

Von den Steuerstundungen, die die Finanz im Zuge der Pandemie gewährte, waren Ende 2021 knapp zwei Milliarden Euro offen. Im September 2022, als die erste Stundungsphase auslief, waren es noch 700 Millionen Euro. Mittlerweile ist der ausstehende Betrag auf 121 Millionen Euro zurückgegangen, erklärt das Finanzministerium auf Anfrage des STANDARD.

Unklar bleibt allerdings, wie viel Steuern die Unternehmen tatsächlich zurückbezahlt haben und wie viel Steuern ausgefallen sind, weil die Schuldner nicht mehr zahlen konnten. "Diese Informationen sind im Rahmen einer automatisierten Datenauswertung nicht ermittelbar", heißt es dazu aus dem Ministerium. Dasselbe gelte für "normale" Steuerstundungen abseits der Pandemiehilfen. Auch eine Schätzung, wie viel Prozent der Steuern ausfallen, gebe es nicht. Da sich die "Liquiditätssituation von Unternehmen rasch ändern kann", sei "das schwer abzuschätzen" und aufgrund bisheriger Erfahrungen "nicht seriös machbar".

Anstieg bei Insolvenzen

Die Republik gewährte also Steueraufschübe in Millionenhöhe, hat für die Öffentlichkeit aber derzeit weder eine Schätzung parat noch einen Überblick darüber, wie viele Steuern ausgefallen sind. Während bei direkten Corona-Hilfen klar ist, wie viel Geld der Staat in Unternehmen pumpte, gibt es bei Steueraufschüben einen blinden Fleck.

Dank Corona-Hilfen und Steueraufschüben dürften jedenfalls viele Unternehmen am Leben gehalten worden sein, die unter normalen Bedingungen schon früher in den Konkurs geschlittert wären. Das legt auch ein Blick auf die Statistik nahe: Die Anzahl der Insolvenzen ist in den letzten Quartalen sprunghaft angestiegen und mittlerweile sogar leicht über dem Niveau vor Corona. Im ersten Quartal 2023 gab es laut dem Kreditschutzverband 1870 1279 Firmenpleiten in Österreich – um 22 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Für den weiteren Jahresverlauf erwarten die Gläubigerschützer eine ähnliche Entwicklung.

Viele dieser Konkurse sind freilich deutlich kleiner als die Großinsolvenz von Kika/Leiner. Bis 8. August haben Geldgeber noch Zeit, ihre offenen Forderungen anzumelden. Spätestens bei der darauffolgenden Gläubigerversammlung dürfte klar sein, wie viel Geld die Insolvenz des Möbelriesen insgesamt verschlungen hat. (Jakob Pflügl, 26.7.2023)