Forum-User STANDARD
E.N. ist seit den späten 1990er-Jahren im STANDARD-Forum aktiv. Sowohl als Leser als auch als Kommentierender.
E.N.

Man könnte sich weit aus dem Fenster lehnen und sagen, dass fast jede Österreicherin und fast jeder Österreicher schon einmal im STANDARD-Forum war oder zumindest schon davon gehört hat. Mit rund 50.000 Beiträgen pro Tag ist es eine der größten österreichischen Austauschplattformen im öffentlichen Raum. Der Ton, der wird manchmal ruppig, aber was gleichzeitig an Wissen und Humor vorhanden ist, darf auch nicht vergessen werden.

Da man als Redakteur des Hauses eine ganz eigene Beziehung zu den eigenen Leserinnen und Lesern aufbaut, ist eine kurze Bestandsaufnahme zur aktuellen Stimmung, zu den beliebtesten Themen und zu einigem mehr wesentlich besser aus erster Hand zu erfahren: von Forum-Userinnen. In den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der aktiven Poster pro Tag von 3.500 auf 7.500. DER STANDARD hat drei dieser Poster davon überzeugen können, ein wenig über ihre Erfahrungen in den letzten Jahren zu sprechen und darüber, warum sie sich genau hier so gerne aufhalten. Deshalb sei an dieser Stelle erwähnt: Es lohnt, die Zeilen zu lesen und nicht gleich in die Kommentare zu springen. Angeblich soll das ab und zu vorkommen, wie man gleich erfahren wird.

Sabine

Die Wienerin Sabine (Name wurde von der Redaktion auf Wunsch der Userin geändert) ist seit 20 Jahren im STANDARD-Forum. Speziell in ihrer Studienzeit hat sie die Onlinezeitung "intensiv gelesen". Warum sie sich angemeldet hat, das weiß sie heute nicht mehr. Sie wollte eigentlich nur "mitlesen". Deshalb auch ihr Nickname: Forumsleserin. "Ich habe dann einige Jahre nicht gepostet, weil ich nicht den Mut dazu hatte. 2012 hab ich dann sporadisch begonnen zu posten, zuerst vor allem beim Thema Fußball beziehungsweise bei Artikeln zu Sturm Graz."

Später kommentiert sie vor allem bei Themen, wo sie sich inhaltlich informiert fühlt. Nur gelegentlich reagiert sie auf Kommentare, die "an- und aufregen". In den letzten Jahren hat sie begonnen, vor allem auch zur Unterhaltung mitzuplaudern, Fußball-Liveticker, dann zu TV-Sendungen wie "Tatort" oder "Kitchen Impossible", zum ESC oder zum Opernball. Seit 2017 ist sie auch im Tennisforum+. "Da bin ich auch seit Beginn aktiv, etwa 2017, und ich mag die Community dort."

Ärgern kann sie sich auch gut. Über die offenbare Dominanz an Männern im Forum, was sich in "verstärkt männlichen Perspektiven widerspiegelt". Daher auch ganz bewusst ihr weiblicher Nickname. Bei Gleichberechtigungsthemen beziehungsweise allem, was im Entferntesten mit Feminismus und Gender zu tun hat, ist das Forum oft nicht auszuhalten, so die Wienerin.

Auf die Frage, welche Themen sie derzeit am liebsten liest, überlegt Sabine kurz. "Mehr Unterhaltung, weniger Krieg und Krisen, weil ich mich viel im ORF informiere und das Forum bei politischen Themen zu mühsam ist."

E.N.

Der Oberösterreicher, der an dieser Stelle am liebsten E.N. genannt werden möchte, ist in der oberösterreichischen Provinz aufgewachsen. "Aufgewachsen und sozialisiert, in der Enge zwischen Altnazis und katholischem Mief", wie er selbst erwähnt. Durch seinen damaligen Arbeitgeber verfügt er bereits 1991 über einigermaßen verlässliches Internet und nutzt dieses auch intensiv. So lernt er Ende der 1990er-Jahre auch früh das STANDARD-Forum kennen.

Einzelne Themen sind die Hauptmotivation des heute in Wien Lebenden, sich auch aktiv an Diskussionen zu beteiligen. Aktiv bringt er sich bei Politik, Wirtschaft und gesellschaftspolitischen Belangen ein, nur selten bei Kultur, sehr selten beim Sport. "Ganz bewusst versuche ich von Endlos-Threads wegzukommen, diese entarten sehr schnell und haben dann mit dem Ursprungsthema nichts mehr zu tun; da ist Schweigen angesagter, auch wenn es juckt."

Auch der Oberösterreicher springt gelegentlich direkt von der Überschrift in den Kommentarbereich, wie er zugibt. "Das ist üblicherweise der Fall, wenn es sich um ein Thema handelt das so schon zigmal abgehandelt wurde (Beispiel: Klimakleber) und wo man/ich einfach Lust hat, sich über dumme Postings aufzuregen oder ein bisserl mitzufetzen." Bei Themen mit einem "vernünftigen Sachbezug" liest er aber zuvor den Text, bevor ein Kommentar geschrieben wird.

Die Kultur im Forum hat sich seiner Meinung nach über die Jahre etwas gewandelt, vor allem mit dem Aufkommen von Smartphones. "Drei Sätze lesen, sofort eine Fünf-Wort-Meinung posten, der Thread-Verlauf scheint egal." Unsachliche Beiträge seien häufiger geworden, speziell wenn er an die "frühen Corona/Covid-19-Foren" denkt. Dort war vor allem verbales "Hauen und Stechen" angesagt.

Dennoch ist er geblieben. E.N. lobt die Community des Wissenschaftsressorts, die immer "ausgesprochen hilfsbereit" auftritt. Zudem ist er "Fan der Innenpolitik", für ihn die "beste Redaktion einer österreichischen Tageszeitung." Andere Foren hätten sich über die Jahre auch nicht gut entwickelt, manche davon wurden "marginalisiert" oder "komplett von Idioten übernommen".

Wenn er einen Wunsch an das Forum äußern könnte, welcher wäre das, fragt der STANDARD den Veteranen. "Mehr Sachlichkeit und Sachbezug, ein bisschen mehr Humor und Humorverständnis", antwortet er. Die Redaktion solle in jedem Fall beibehalten, Input und inhaltliche Kritik von Foren-Teilnehmern zu akzeptieren und zu berücksichtigen.

Nicole

Die Wienerin interessiert sehr, "wie Menschen ticken und warum". Kein Zufall, ist sie im Brotjob doch Beziehungs- und Sexualberaterin sowie Coach. Das Forum bezeichnet sie als eine "Fundgrube an unterschiedlichen Werten, Herangehensweisen oder auch Diskussionsfähigkeit und … Wortwitz!!!"

Auch Nicole ist seit vielen Jahren treue Leserin. "Ich poste tatsächlich sehr, sehr selten, bin aber phasenweise eine begeisterte Leserin. Das ist oft besser als jedes gelungene Kabarett und lässt manchmal tief in die 'Volksseele' blicken." Wenn sie einmal schreibt, dann nur, wenn sie den Artikel wirklich gelesen hat. Nicht selten hat sie in den Kommentaren deshalb den Eindruck, dass es oftmals "mehr um den Diskurs als um das Thema geht".

Für die manchmal hitzige Stimmung im Forum versucht sie eine Erklärung zu finden. "Ich vermute einerseits, weil viele Menschen Sorgen haben und wir gerade als Staat den Umschwung zum 'Wir haben Krisen gemeinsam geschafft und es geht uns jetzt allen wieder besser' nicht schaffen." Es laufe "politisch so viel falsch", und laut Nicole sind auch kaum Verbesserungen in Sicht. Politiker würden sich ihrer Meinung nach oft "herausreden", wenn sie eigentlich Verantwortung übernehmen müssten, und von diesem "Gelaber" hätte keiner was.

Wie viele andere hat sich ihr Leseverhalten über die Jahre verändert. "Seit einiger Zeit klinke ich mich bei Themen, die mich nur in die Ohnmacht führen, eher aus." Zwar wolle sie weiterhin wissen, was in der Welt passiere, sie konzentriere sich aber lieber auf Themen, die ermuntern, die ermöglichen und die ermächtigen. "Themen, die mir unmittelbar guttun."

Rund 20-mal hat Nicole selbst einen Blogbeitrag verfasst, wechselte also bewusst die Seiten. Die Kommentare unter den Beiträgen hat sie "quer, aber nicht im Detail" gelesen, wie sie zugibt. Diskussionen würden sich oft in Abzweigungen verlieren, wie der Wahl des Fotos oder einzelner Beiträge im Forum. "Meistens nehme ich Kritik nicht persönlich, obwohl mache Kommentare schon tief unter der Gürtellinie waren." Dass man unterschiedlicher Meinung sei und nicht jedem sympathisch sein könne, sei normal. "Mir ist auch nicht jeder sympathisch." (Alexander Amon, 29.7.2023)