Von der Hitze der vergangenen Wochen ist am Mittwochnachmittag in Innsbruck wenig zu spüren. Zwischen den Fichten hängt der Nebel. In der Höhe hat es geschneit, die Berggipfel sind angezuckert. Immer wieder regnet es. Auf dem breiten Fahrweg von der Hungerburg auf die Umbrüggler Alm ist gemächlichen Schrittes eine etwa 30-köpfige Gruppe unterwegs. Darunter: Umwelt- und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne), in Wanderstiefeln, Zipphose und Regenjacke.

Sie ist gerade auf Bundesländertour, auf Vorarlberg folgt Tirol. Die von den Tiroler Grünen organisierte Pressewanderung steht im Zeichen der Klimakrise. Ein Gewässerökologe wurde angefragt, er marschiert mit der Gruppe mit, eine große Übersichtskarte unter den Arm geklemmt. Oben erwartet ein Experte für Wald und Forst des Landes Tirol die Wandernden.

Frau in Sportkleidung auf dem Weg durch eine Blumenwiese
"Schritt für Schritt": Umweltministerin Leonore Gewessler beim Wandern und im Kampf gegen die Klimakrise.
Cajetan Perwein/BMK

Die Ministerin ist gut gelaunt und weiß die Wanderung für ihre Botschaften zu nutzen: Mit dem Kampf gegen die Klimakrise sei es wie mit einer Gipfelbesteigung, sagt sie zum STANDARD. "Schritt für Schritt" gehe es vorwärts. Auf dem Gipfel sei man dann, wenn man es geschafft habe, der Klimakrise etwas "entgegenzusetzen" und den Menschen, insbesondere künftigen Generationen, "ein gutes Leben" zu ermöglichen. 2040, österreichischer Zeithorizont für die Klimaneutralität, wolle sie auf dem Gipfel stehen und zurückblicken.

Klimaschutzgesetz noch in dieser Legislaturperiode

Der Aufstieg zu diesem Gipfel sei oft steinig und bestehe aus zahlreichen "Maßnahmen und Hebeln". "Wir bauen viel um", sagt Gewessler, die sich "bergauf in Richtung Zukunft" schreiten sieht. Viel sei schon gelungen in den dreieinhalb Jahren türkis-grüner Regierungszusammenarbeit, betont sie immer wieder in Gesprächen mit den Wandernden. Bis 2030 würden sich die CO2-Emissionen laut aktuellen Daten um 35 Prozent verringern. Doch ja, der Erlass neuer Gesetze sei oft ein "Bohren dicker Bretter".

Ein besonders dickes Brett: das Klimaschutzgesetz. Darin soll unter anderem festgelegt werden, wie groß das Treibhausgasbudget ist, das Österreich jedes Jahr zur Verfügung steht. Auch drohende Strafzahlungen in Milliardenhöhe könnte ein wirksames Klimaschutzgesetz verhindern. Doch die Verhandlungen stocken, die ÖVP sperrte sich zuletzt, WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf (ÖVP) glaubte nicht, dass die beiden Regierungsparteien noch in dieser Legislaturperiode zueinander fänden.

Doch die Ministerin ist voller Zuversicht: Sie sei überzeugt, dass auch dieses Gesetz noch vor der nächsten Nationalratswahl beschlossen würde. Schließlich seien trotz anfänglichen Gegenwinds schon viele Maßnahmen umgesetzt worden, verweist Gewessler auf Klimaticket und Ökosteuerreform. "Ich bleibe dran mit dem fixen Ziel, dass wir das noch diese Legislaturperiode beschließen", verspricht sie. Angesprochen auf den Koalitionspartner ÖVP und die laufenden Verhandlungen, mahnte sie Verantwortung aller Parteien ein. Als Blockierer wollte sie die ÖVP nicht bezeichnen, man "gehe den Weg gemeinsam".

Bundesländer in der Pflicht

Das Klimaschutzgesetz soll auch die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Kampf gegen die Klimakrise regeln. Letztere nimmt Gewessler in die Pflicht. Auf ein bundesweites Gesetz zu warten sei zu wenig, mahnt sie. Was die Klimaerwärmung bedeute, sehe man nicht nur an den aktuellen Temperaturrekorden oder Bränden wie in Griechenland, sondern auch hierzulande. Schädlinge machten sich auch in der Höhe breit, und Gewässer würden immer wärmer, bezieht sie sich auf die Expertenvorträge.

Eine Gruppe Wandernder lauscht dem Vortrag eines Experten
Die Auswirkungen der Klimakrise standen im Zentrum der von den Tiroler Grünen organisierten Pressewanderung mit Forst- und Gewässerexperten.
Cajetan Perwein/BMK

Gewässerökologe Georg Niedrist von der Universität Innsbruck hat in der Zwischenzeit sein Plakat ausgerollt. Insbesondere in der vergangenen Woche habe sich gezeigt: Temperaturextreme seien nicht nur in der Luft, sondern auch in den auch durch Gletscher gespeisten Flüssen erreicht worden. Er zeigt auf Diagramme, die die Temperatur des Flusses Inn zeigen. Dies führe dazu, dass Gleichgewichte kippen, Veränderungen gingen viel zu schnell vonstatten.

Wolf und Mensch in "machbarer Koexistenz"

Beim Ausklang der Wanderung auf der Umbrüggler Alm bleibt bei Scheiterhaufen, Kaffee und Apfelstrudel auch etwas Zeit für andere Themen. Etwa für den Wolf: Hier pocht Gewessler im Gespräch mit dem STANDARD auf eine "sachliche Diskussion". Sie habe Verständnis für Sorgen der Landwirte. Gemeinsames Ziel müsse sein, eine "machbare Koexistenz" von Naturschutz, Almwirtschaft und großen Beutegreifern zu ermöglichen. Bei einer "wirklichen Gefährdung von Menschen" sei es möglich, trotz des Schutzstatus gegen Beutegreifer vorzugehen. Gleichzeitig sei die Unterstützung von Landwirten für andere Maßnahmen entscheidend – etwa den Herdenschutz.

Rückhalt für Slotsystem auf der Brennerachse

Die Ministerin bestellt eine zweite Tasse Schwarztee, kippt etwas Milch hinein. Zeit für den nächsten Tiroler Dauerbrenner: den Transit. Sie stehe "felsenfest hinter der Tiroler Bevölkerung", verspricht die grüne Ministerin. Österreich sei stets und auch weiterhin "gesprächsbereit", das Problem könne schließlich nur "europäisch" gelöst werden. Das von Bayern, Tirol und Südtirol vor einigen Monaten in Form einer Absichtserklärung paktierte "Slotsystem" mit buchbaren Lkw-Fahrten auf der Brennerstrecke unterstütze Verkehrsministerin Gewessler ausdrücklich, handle es sich doch um einen lange erhofften gemeinsamen Vorschlag der Regionen.

Nun stünden dazu weitere Gespräche auf Expertenebene an. Einen konkreten Fahrplan konnte die grüne Spitzenpolitikerin noch nicht nennen. Für die Umsetzung eines solchen "intelligenten Verkehrsmanagementsystems" beziehungsweise "Slotsystems" bräuchte es einen Staatsvertrag zwischen Italien, Deutschland und Österreich. Die beiden Nachbarländer zeigten sich bislang jedoch reserviert bis ablehnend. Auch hier scheint der Weg zum Gipfel noch lang und steinig. (Maria Retter, 27.7.2023)