Das wichtigste Resultat des russisch-afrikanischen Gipfels wird bereits in der ersten Minute feststehen, wenn die afrikanischen Staatschefs am Donnerstagmorgen im Expo-Forum von Sankt Petersburg ihre Plätze einnehmen. Denn über Erfolg oder Misserfolg der Veranstaltung wird – zumindest für die Gastgeber – die Zahl der aus dem Süden angereisten Präsidenten entscheiden. Davon nämlich hängt ab, ob Kreml-Chef Wladimir Putin seine vom Westen betriebene Isolation abtun kann oder ob er doch, abgesehen von einigen Co-Parias, allein dasteht.

Ein vorbereitendes Treffen Wladimir Putins (links) mit Delegationen afrikanischer Staaten gab es bereits im Juni.
Ein vorbereitendes Treffen Wladimir Putins (links) mit Delegationen afrikanischer Staaten gab es bereits im Juni.
AP/Pavel Bednyakov

Kurz vor der Eröffnung des zweitägigen Gipfels sah es noch unentschieden aus. Der Kreml prahlt mit der Teilnahme von 49 der 54 afrikanischen Staaten – allerdings sind die meisten höchstens mit einer Delegation, nicht aber mit der Nummer eins vertreten. Nur 16 Präsidenten bestätigten ihr Kommen im Voraus. Vor vier Jahren waren zum ersten derartigen Gipfeltreffen 43 Staats- und Regierungschefs in den russischen Kurort Sotschi angereist. Davon fehlen 60 Prozent in diesem Jahr. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat den Westen für den Schwund verantwortlich gemacht: Vor allem die USA hätten enormen Druck auf Afrikas Staatschefs ausgeübt, der russischen Veranstaltung fernzubleiben.

Schwerer als die Frage nach den freien Stühlen ist das Rätsel zu beantworten, warum überhaupt ein afrikanischer Präsident den weiten Weg gen Norden auf sich nimmt. In Angelegenheiten des Handels ist Russland vernachlässigbar: Nicht einmal 2,5 Prozent der afrikanischen Ein- und Verkäufe werden mit dem eurasischen Bären abgewickelt. Afrika importiert siebenmal mehr aus Russland, als es ausführt – und zwar vor allem Waffen. Putins Reich ist für Afrikas Staatschefs vor allem in Sachen Sicherheit wichtig – insbesondere für jene von ihnen, die wie die Militärdiktatoren in Mali, Burkina Faso oder dem Sudan um ihre eigene Sicherheit bangen müssen.

Tabuthema Wagner-Truppe

Bereits seit einigen Jahren bietet Moskau außer Waffen auch die sie bedienenden Kämpfer an: die Söldnertruppe Wagner, die in mindestens sechs afrikanischen Staaten tätig war oder ist. Die Frage, was aus den Söldnern nach ihrer Meuterei in Russland wird, hat ihr Besitzer Jewgeni Prigoschin kürzlich so beantwortet: "Wir bereiten uns darauf vor, neue Wege zu finden und unsere Zahl in Afrika zu vergrößern." Keine gute Aussicht für die Bevölkerung des Kontinents: Die Wagner-Truppe wird für schwere Menschenrechtsverletzungen und Massaker verantwortlich gemacht.

In Sankt Petersburg wiesen schon im Vorfeld Flaggen auf den Russland-Afrika-Gipfel hin.
In Sankt Petersburg wiesen schon im Vorfeld Flaggen auf den Russland-Afrika-Gipfel hin.
REUTERS/ANTON VAGANOV

Dass das Thema Wagner während des Gipfels zur Sprache kommt, ist eher unwahrscheinlich. Afrikas Präsidenten pflegen, es totzuschweigen, obwohl das Söldnerwesen von der Afrikanischen Union (AU) ausdrücklich verboten wird. Der Petersburger Gipfel wäre eine gute Gelegenheit, das Tabuthema aufzugreifen und die russischen Söldner kollektiv nach Hause zu schicken. Doch dazu wird es nicht kommen, weil keiner der Staatschefs einem Kollegen in die Suppe spucken will. Mit einer Stimme zu reden war noch nie die Stärke der "starken Männer Afrikas".

Zur Sprache gebracht werden soll dagegen der vor wenigen Tagen von Putin gekündigte Getreidedeal. In dieser Sache sah sich ausnahmsweise sogar die AU zu einer Verurteilung gezwungen. In den vergangenen zwölf Monaten hatten mehr als 30 Millionen Tonnen ukrainisches Getreide für Erleichterung auf den angespannten afrikanischen Märkten gesorgt. Dort waren nach Putins Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen die Preise in die Höhe geschossen – und mit ihnen die Zahl der Hungernden. Putin-Berater Juri Uschakow kündigte eine "bedeutende Stellungnahme" seines Chefs an. Vermutlich wird er die Lieferung russischen Getreides nach Afrika ankündigen – ein glänzender PR-Coup.

Am Mittwoch landete dort unter anderem der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa.
Am Mittwoch landete dort unter anderem der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa.
AFP/TASS Host Photo Agency/PETER

Viel mehr können Afrikas Gipfelstürmer nicht erwarten. Letztes Mal in Sotschi wurden 92 Vereinbarungen unterzeichnet und eine Verdoppelung des Handelsvolumens in den nächsten fünf Jahren beschlossen. Der Handel aber nahm dann sogar ab. Immerhin können sich die 16 Präsidenten auf gesalzene Rhetorik einstellen, mit der etwa die "amerikanische Hegemonie" gegeißelt wird. Und dann ist da noch die Diskussionsrunde über die "Rechte von Kindern" im Rahmen des den Gipfel begleitenden "Humanitären Forums": Sie wird von Russlands Kommissarin für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belowa, moderiert, die gemeinsam mit Putin vom Internationalen Gerichtshof wegen der Verschleppung hunderter ukrainischer Kinder angeklagt wurde. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 27.7.2023)