Im Gastblog fasst Harald Havas das öffentliche Hearing über UAPs im Kongress zusammen.

Das langerwartete UAP-Hearing vor dem Kongress war zwei Dinge nicht: zum einen "full disclosure" und zum anderen ein "nothingburger". Ersteres war von Teilen der Ufo-Community erhofft, Letzteres von Skeptikern höhnisch prophezeit worden. Dennoch liegt die Wahrheit nicht einfach irgendwo dazwischen, nicht im Banalen. Denn das Hearing war sehr wohl eine Sensation. Wobei das Sensationelle daran schlicht und ergreifend die Tatsache war, dass es stattgefunden hat. Doch der Reihe nach.

Ein Überblick

"Full disclosure", von vielen erhofft, würde neue greifbare Beweise über die bisher bekannten Sensordaten, Videos und Augenzeugenberichten hinaus bedeuten. Oder gar das Eingeständnis von Teilen der US-Regierung, schon lange "alles über Aliens" zu wissen. Das bot das Hearing nicht.
Ein "nothingburger", also eine Nullnummer, hätte bedeutet, dass weitgehend nur unbestätigtes Hörensagen geboten wurde, aus dem nicht viel weiter folgt. Dies war das Hearing aber definitiv auch nicht.
Sicher, wenn man die Geschichte des hochdekorierten "Top Gun" Navy Commander David Fravor schon seit Jahren kennt und auch die des Navy-Piloten und -Ausbildners Lieutenant Ryan Graves, erfuhr man nur mäßig Neues. Ebenso, wenn man ungeheuren Behauptungen des Ex-Air-Force-Offiziers und Ex-Agenten sowie Whistleblowers David Grusch schon kannte. Aber breite Teile der (internationalen) Bevölkerung kannten all das eben noch nicht. Entweder weil sie sich bisher bewusst nicht damit beschäftigt hatten oder weil die Medienlandschaft bisher nur sehr spärlich berichtete.

Ryan Graves, David Grusch und David Fravor beim Hearing in Washington.
Ryan Graves, David Grusch und David Fravor beim Hearing in Washington.
IMAGO/Jack Gruber

Das ist jetzt alles anders. Alle Aussagen der drei vor dem "Unidentified Anomalous Phenomena: Implications on National Security, Public Safety, and Government Transparency" benannten Hearing sind nun "public record" des US-Kongresses und somit für immer in die Annalen eingetragen. Außerdem ist es für auch noch so ablehnende Medien kaum möglich, an einem Ereignis wie diesem – zweieinhalb Stunden brisanteste Aussagen vor dem Kongress unter Eid in weltweiter Liveübertragung – vorbeizugehen. So gab es tatsächlich bereits in den 24 Stunden vor dem Hearing Berichte in vielen Print- und audiovisuellen Medien, die das Thema bisher gescheut hatten. Und es sieht ganz so aus, als würden viele weitere große mediale Dominosteine im Nachhall des Hearings fallen. Die Sache ist einfach zu groß und kann einfach nicht länger übersehen werden.
Es sei daher jedem dringend angeraten, sich die gesamten zweieinhalb Stunden irgendwo im Internet anzusehen, etwa bei diesem Link.
Hier im Folgenden nur einige der wichtigsten Punkte in kurzer Zusammenfassung.

Die Fragenden

Es gibt derzeit in den USA nichts, was nicht parteipolitisch als Munition dient. Die simpelste Budgetverordnungen oder Besetzungen geraten zum Grabenkampf. Nicht so bei diesem Hearing. In trauter und deutlich spürbarer Einigkeit befragten hier rund 15 Politiker und Politikerinnen beider Lager die drei Zeugen, im sichtlichen Einklang miteinander und einem gemeinsamen Ziel. Und wir sprechen hier nicht von irgendwelchen Hinterbänklern. Ganz im Gegenteil. Die linke Säulenheilige Alexandria Ocasio-Cortez war ebenso anwesend wie das rechte Aushängeschild Matt Gaetz und beide forderten gemeinsam und zusammen mit allen anderen anwesenden demokratischen und republikanischen Kolleginnen und Kollegen ein und dasselbe: Mehr Transparenz vom Militär und den Geheimdiensten in Sachen UAP. Dem Parlament selber, aber auch der Öffentlichkeit gegenüber.

Die Wut und der Zorn viele Abgeordneter war greifbar. Sie waren auch durchgehend (mit vielleicht ein bis zwei Ausnahmen) bereits gut gebrieft und benutzen den Anlass der Zeugenbefragung ganz offensichtlich hauptsächlich dazu, um auch die Öffentlichkeit über all das zu informieren, was sie selbst bereits wussten. Nämlich, kurz zusammengefasst: das Pentagon oder zumindest einige Teile davon hätten, laut der eidesstattlichen Aussage von David Grusch, das Parlament seit Jahren nach Strich und Faden über ihren Wissensstand, was unbekannte fliegende Objekte betrifft, belogen. Und potenziell über noch viel mehr.

Die Antwortenden

Wie gesagt. Wer sich mit der Sache beschäftigt oder auch diesen Blog hier regelmäßig liest und auf ein paar der wichtigeren Links darin klickt, hat kaum Neues gehört. Dennoch ist vieles davon auch so nicht ohne Sprengkraft.

Commander Fravor wiederholte mehrfach und unter deutlich peinlicher Befragung alles das, was er sowie fünf seiner Piloten-Kollegen vor ihrer Nase gesehen hatten, nämlich das Tic-Tac-Objekt, das per Infrarot-Kamera gefilmt sowie durch Messdaten von Radar und anderen Instrumenten von mehreren Kampfschiffen erfasst wurde und allen uns bekannten Gesetzen der Physik (seine Worte) widersprochen hatte; das Manöver durchgeführt hat, die wir uns nicht erklären können (auf der Stelle schweben, Zickzackbewegungen durchführen, mit extrem hoher Geschwindigkeit davonschießen) und deutlich intelligentes Verhalten zeigte, als es mit ihm "spielte", während er Flugmanöver drumherum durchführte. Mehrfach betonte Fravor, dass dieser "fliegende Propangasbehälter" ohne Flügel und messbaren Antrieb jeder Technik überlegen sei, die Menschen damals besaßen, heute besitzen oder in den nächsten zehn bis 20 Jahren besitzen werden.

Lieutenant Graves erzählte von den Objekten, die er und Dutzende seiner Kollegen bei ihren Manövern immer wieder sichteten: nämlich schwarz-graue Würfel in transparenten Kugeln, die manchmal auch bei hohen Windgeschwindigkeiten unbeweglich in der Luft standen, manchmal rund um ihre Kampfjets schwebten oder manchmal ohne äußere Zeichen eines Antriebs mit bis zu Mach 2 dahinschossen. Graves, der auch eine von ihm gegründete Organisation zur Flugsicherung leitet, erzählte außerdem von Hunderten weiteren Sichtungen durch Militärpiloten aber auch Piloten ziviler Luftfahrzeugen, die er sammelt, um seine Forderungen nach einer einheitlichen Dokumentation und geordnete Vorwarnung für das Flugpersonal durchzusetzen. Aufsehenerregend war seine Schätzung, als er von einer Abgeordneten gefragt wurde, wie viel Prozent aller im Flugverkehr gemachter Sichtungen seiner Meinung nach weitergemeldet würden. Die Antwort fiel ernüchternd aus: fünf Prozent, was soviel bedeutet, dass 95 Prozent der durch Piloten gemachten Sichtungen von UAPs nicht gemeldet werden.

David Grusch erzählte in diesem öffentlichen Setting und unter Eid noch einmal genau alles, was er zu sagen hat. Nämlich, dass Teile der US-Regierung mehrere intakte und beschädigte Raumfahrzeuge von "nicht menschlichen Intelligenzen" horten und erforschen (sieh Blog), dass zahlreiche private Rüstungsfirmen das im Auftrag der US-Regierung ebenfalls tun, dass es tödliche Unfälle bei diesem Erforschen gab, dass Menschen bedroht und verletzt wurden, um dieses Geheimnis zu bewahren, dass nicht nur Fluggeräte sondern auch biologische Wesen eingesammelt und erforscht wurden, dass Menschen durch die direkte Einwirkung nicht menschlicher Intelligenzen ums Leben kamen. Und nicht zuletzt, dass er Namen, Daten, Fakten und Dokumente, die das alles belegen, bereits sowohl dem Inspector General als auch Geheimdienst-Ausschüssen im Kongress weitergegeben hat.
Frustrierend für viele Zuseherinnen und Zuseher mag gewesen sein, dass er bei genauem Nachfragen nach diesen Namen, Daten und Fakten stets antwortete, dass er das nur in einem geheimen Setting Personen mit entsprechenden Freigaben berichten könne. Weniger frustrierend jedoch für die Abgeordneten, denen er jedes Mal zusicherte, dass er ihnen all das in vollem Umfang mitteilen würde, wenn ein sicherer Raum zur Verfügung gestellt würde – gerne auch sofort nach der Sitzung.
Natürlich wird es eine Weile dauern, bis auch die Öffentlichkeit zumindest Teile dieser Informationen erfährt. Aber wie alle Zeugen und auch die Mehrzahl der Abgeordneten immer wieder betonten: Selbst bei Einhaltung aller sicherheitspolitisch notwendigen Maßnahmen hätte die Öffentlichkeit ein Recht darauf zumindest die rohen Fakten an sich zu erfahren. Also explizit Offenlegung von Beweisen, dass da eventuell etwas nicht Menschliches ist und dass die Regierung mehr weiß, als sie sagt. Und die Öffentlichkeit hätte in weiterer Folge wohl auch ein Recht darauf zu erfahren, was das Pentagon weiß.
Viele der Abgeordneten äußerten sich auch über konkrete Maßnahmen und Vorgangsweisen, die sie sofort nach dem Hearing angehen würden: Vorladungen von weiteren Whistleblowern sowie "Drahtziehern", das Durchforsten von Budgets nach illegal abgezweigten Bundesmitteln, gesetzliche Verpflichtungen zur Offenlegung, Ermittlungen durch Abgeordnete vor Ort (Militärbasen), Zwangsmaßnahmen bis hin zu Kündigungen von Angehörigen des Militärs und des Geheimdienstes, die solche Pläne behindern oder Wissen verbergen würden.

Ausklang

Es ist schwer ein abschließendes Fazit zu ziehen. Die Sitzung war, was sie war. Ein Heranführung einer breiten, weltweiten Öffentlichkeit an etwas, das bisher nur von speziell Interessierten wahrgenommen wurde. Und damit sehr wohl eine Form von Disclosure. Wer unbedingt die geparkten Ufos sehen will oder die DNA-Analyse von geborgenen Aliens, muss wohl noch ein wenig warten. Aber vielleicht gar nicht mehr so lange.
Und noch etwas: Einer der Abgeordneten sprach explizit die Medien und ihre Verantwortung in dieser Sache an. Er forderte sie auf, ernsthaft und deutlich mehr zu berichten, nachzuforschen und ihre investigativen Fähigkeiten zu nutzen, um all den Dingen auf den Grund zu gehen, die ganz offensichtlich so lange vor der Öffentlichkeit und auch der hohen Politik verborgen wurden.
Was das ist, wissen wir zwar noch immer nicht, aber wir können es deutlicher ahnen als je zuvor. Und wir können uns sicher sein, dass dieser 26.7.2023 alles andere war als das Ende aller Fragen über fliegende Objekte und außerirdische Lebensformen. Sondern vermutlich erst der spektakuläre Anfang. Die Katze ist noch nicht aus dem Sack, aber sie miaut schon laut und deutlich. (Harald Havas, 27.7.2023)