Mädchen trinkt Wasser
Kinder spüren die Auswirkungen von Hitze besonders stark. Unicef fordert deshalb Regierungen in Europa und Zentralasien auf, die CO2-Emissionen zu reduzieren, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, und die Anpassungsfinanzierung bis 2025 zu verdoppeln.
imago/Eibner

Die Auswirkungen der Klimakrise bekommen meist nicht unbedingt deren Verursacher zu spüren. Das ist bei vielen Krisen so. Das Problem ist, dass sich jene, die die Folgen am stärksten spüren, oft am wenigsten wehren können. Das ist vor allem bei Kindern der Fall, sie zählen zu den besonders vulnerablen Gruppen – auch in puncto Klimawandel.

Das zeigt auch ein aktuelles Positionspapier des Uno-Kinderhilfswerks Unicef: Etwa die Hälfte der Kinder in Europa und Zentralasien – das sind 92 Millionen Kinder – ist extremen Hitzewellen ausgesetzt. Für die Analyse wurden die neuesten verfügbaren Daten aus 50 Ländern herangezogen. Der Bericht "Beat the heat: protecting children from heatwaves in Europe and Central Asia" ("Der Hitze trotzen: Schutz von Kindern vor Hitzewellen in Europa und Zentralasien") weist außerdem darauf hin, dass Kinder besonders anfällig für die Auswirkungen von Hitzewellen sind. Deshalb haben sie auch ein erhöhtes Risiko für schwere Erkrankungen wie Hitzschlag.

Besonders gefährdet sind Säuglinge und Kleinkinder, da ihre Körpertemperatur deutlich schneller und höher steigt als bei Erwachsenen. Hitzewellen beeinträchtigen außerdem die Konzentrationsfähigkeit und damit das Lernen von Kindern. Das beeinflusst ihre Bildung maßgeblich negativ, stellt der Bericht fest. Erwachsene erkennen gefährliche Situationen oder Symptome aber oft nicht, weil sie die Hitze anders wahrnehmen und die Situation deshalb falsch einschätzen – was die Gefährdung noch einmal erhöht.

Europa und Zentralasien besonders betroffen

Womit man nicht unbedingt rechnen würde: Die Gesundheit und das Wohlergehen der Kinder in Europa und Zentralasien leiden am meisten, berichtet Regina De Dominicis, Regionaldirektorin für Unicef Europa und Zentralasien. Und die Prognose ist negativ: "Wir rechnen damit, dass das Problem bis zum Jahr 2050 alle Kinder betrifft." Das müsse ein Impulsgeber für Regierungen sein, dringend in Maßnahmen zur Minderung und Anpassung zu investieren.

Denn die Hitzewellen in Europa und Zentralasien sind häufiger geworden, es gibt auch keine Anzeichen für eine Abschwächung. Im Gegenteil, es sollen noch mehr werden. Das zeigen selbst die konservativsten Szenarien einer globalen Temperaturerhöhung um 1,7 Grad Celsius. Auch unter diesen im Verhältnis moderaten Voraussetzungen werden bis 2050 alle Kinder in Europa und Zentralasien extremen Hitzewellen ausgesetzt sein. 81 Prozent werden einer langen Hitzewelle ausgesetzt sein und 28 Prozent einer starken Hitzewelle.

Auch Kinder in Österreich gefährdet

"Die Modelle des Unicef-Berichts zeigen, dass auch in Österreich Kinder stark von Hitzewellen betroffen sein werden", sagt Corinna Geißler, Leiterin der Abteilung Advocacy und Kinderrechte bei Unicef Österreich. Die Klimakrise sei deshalb auch eine Kinderrechtekrise. Bereits jetzt müssen Kinder in Österreich häufig auftretende Hitzewellen verkraften.

Wie sich diese auswirken, zeigt auch eine aktuelle Befragung aus Österreich. Diese wurde im Rahmen des Forschungsprojekts Start Clim unter armutsbetroffenen Familien hierzulande durchgeführt. Sie zeigt, dass diese Familien oft kaum Möglichkeiten haben, Maßnahmen zu setzen, die die Hitzeauswirkungen mindern können. Rund ein Drittel der Befragten hat für seine Kinder eine starke oder sehr starke Belastung angegeben.

"Unsere Wohnung ist sehr, sehr heiß. Wir haben einen kleinen Ventilator, der verteilt nur die heiße Luft. Alles andere wäre zu teuer", erzählte etwa eine Familie mit drei Kindern aus Wien. Insgesamt wurden 99 Haushalte mit 190 Kindern im Alter von null bis zehn Jahren befragt. Belastung, Anpassungsstrategien und der Bedarf für die Wohnung und den öffentlichen Raum wurden abgefragt.

Konkret wurde bei 67 Prozent der Kinder schlechterer Schlaf festgestellt, 62 Prozent leiden an Unwohlsein und vermehrtem Weinen, 54 Prozent haben geringere Motivation, sich zu bewegen, und mit 51 Prozent ist rund jedes zweite Kind aggressiver. Fast die Hälfte der Kinder hat auch körperliche Symptome wie Übelkeit, Ausschlag, Kopfschmerzen und Schwindel. Zudem wurde ein signifikanter Zusammenhang mit der Nennung dieser Hitzefolgen und der 2022 beobachteten Anzahl von Hitzetagen am jeweiligen Wohnort registriert.

Mehr grüne Spielplätze gefordert

Ausweichmöglichkeiten gibt es für die Familien wenige, es fällt schwer, das Verhalten in der Wohnung und im öffentlichen Raum zu verändern. Das zeigt auch das Beispiel einer niederösterreichischen Familie: "Das Haus hat sich schon sehr aufgeheizt, im Obergeschoß sind es gerade 29 Grad. Eine Klimaanlage und die damit verbundenen Stromausgaben können wir uns nicht leisten." Bleibt die Option, im Freien nach Abkühlung zu suchen, doch auch hier gibt es Hürden. Fast die Hälfte der Haushalte gibt an, wegen der Kosten keine Chance auf Besuche im Schwimmbad oder einen Ausflug an einen See zu haben.

Und auch an kostenfreien öffentlichen Plätzen zum Abkühlen mangelt es, betont Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Med-Uni Wien. An heißen Tagen müssten Risikogruppen ganz besonders geschützt werden. Dazu zählen auch Kinder, vor allem für sie wären Spielplätze mit mehr Beschattung wichtig. "Bisher wurde noch viel zu wenig auf klimafitte Gestaltung mit mehr Grün geachtet", kritisiert Hutter. Gerade im Bereich der Infrastruktur werde die Perspektive der Kindern nicht miteinbezogen, findet auch Hanna Lichtenberger, Sozialwissenschafterin bei der Volkshilfe im Bereich Kinderarmut, Asyl und Migration. Dabei gehe es da oft nur um Kleinigkeiten, wie etwa zu hoch angebrachte Wasserhähne in Parks, die sie nicht erreichen könnten. Zumindest Nebelduschen in der Öffentlichkeit helfen, die Hitze erträglicher zu machen. Insgesamt wäre eine kostenlose lokale öffentliche Infrastruktur sowohl klima- als auch sozialpolitisch ein Ansatzpunkt, um Familien in Armutslagen allgemein und insbesondere bei Hitze zu helfen, zeigt die Studie auf. (APA, red, 27.7.2023)