Justizministerin Alma Zadić (Grüne) legte einen Gesetzestext in rein weiblicher Form vor.
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Männer sind mitgemeint: Das ist in der österreichischen Sprache nur selten der Fall. Wohl aber in einem neuen Gesetzestext, den Justizministerin Alma Zadić (Grüne) zur Begutachtung vorgelegt hatte. Im Entwurf für ein Bundesgesetz zu "flexiblen Kapitalgesellschaften", über den das "Mittagsjournal" zuerst berichtet hat, geht es um Gesellschafterinnen, Mitarbeiterinnen und Geschäftsführerinnen. "Soweit in diesem Bundesgesetz auf natürliche Personen bezogene Bezeichnungen nur in weiblicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf alle Geschlechter in gleicher Weise", wird in Paragraf 27 festgehalten.

In fast jedem Gesetz sei es umgekehrt, heißt es auf STANDARD-Anfrage aus dem Justizministerium. Zumeist würde die männliche Form verwendet und in einem Paragrafen erklärt, die anderen seien mitgemeint. Das wollte man diesmal umdrehen. Auch um auf die "Rolle der Gründerinnen" hinzuweisen, sagt ein Sprecher. In einem schriftlichen Statement von Zadić an den STANDARD heißt es: "Mit dem Entwurf für die flexible Kapitalgesellschaft haben wir zum ersten Mal ein Gesetz vorgestellt, das rein in der weiblichen Form geschrieben ist. Das war mir wichtig, denn damit machen wir die Rolle von Gründerinnen in Österreich sichtbarer." Außerdem leiste man mit diesem Gesetzestext einen Beitrag "zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, denn Sprache beeinflusst unser Denken, unsere Wahrnehmung und unser Handeln", betonte Zadić.

Debatte unter Juristen

Unter Juristen sorgt die rein weibliche Form in Gesetzestexten aber für eine Debatte. Der Verfassungsdienst plädierte in einer Stellungnahme dafür, die Paarform zu verwenden, also etwa Gesellschafterin und Gesellschafter. Ähnlich sieht das der Verfassungsjurist Heinz Mayer, der im "Mittagsjournal" die Variante der Justizministerin als "Ausdruck eines seltsamen Zeitgeistes" bezeichnet – verfassungswidrig sei sie nicht.

Laut Daniel Green, dem Vorsitzenden der Österreichischen Gesellschaft für Rechtslinguistik, müssten Behörden sogar noch weiter gehen als Zadić und Mayer. Er verweist im "Mittagsjournal" darauf, dass der Verfassungsgerichtshof erst festgestellt habe, dass es mehr als nur zwei Geschlechter gebe. Die Vielzahl an verschiedenen Gendervarianten hält Green für kontraproduktiv und plädiert für eine einheitliche Form im Verfassungsrang.

"Verfassungsrechtlich unproblematisch"

Der Verfassungsrechtler Peter Bußjäger befindet es als "verfassungsrechtlich unproblematisch", sollte in Gesetzestexten ausschließlich die weibliche Form verwendet werden. Grundsätzlich sei aber anzuführen, dass sich die Bundesverfassung "zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau bekennt, woraus man ableiten kann, dass es laut Verfassung wünschenswert ist, wenn sich der Gesetzgeber einer geschlechtergerechten Sprache bedient, also von Bürgerinnen und Bürgern schreibt".

Dass der Verfassungsgerichtshof darauf hingewiesen habe, dass es mehr als nur zwei Geschlechter gebe, sei absolut richtig, sagt Bußjäger. Das Höchstgericht habe aber auch erklärt, dass deshalb nicht alles abgeändert werden müsse. Diese Geschlechter seien mitzudenken. "Die Verständlichkeit eines Rechtstextes ist ein großes Anliegen, Gendersternchen und Doppelpunkte könnten da schon irritieren", sagt Bußjäger. "Wenn in der Formulierung nicht alle Geschlechter, sondern nur zwei berücksichtigt sind, sollte das verfassungsrechtlich kein großes Problem sein."

Das Anliegen, geschlechtergerechte Sprache zu verwenden, sei als solches natürlich gerechtfertigt, sagt Bußjäger: "Aber mit Maß und Ziel." Varianten habe er in den Gesetzestexten aber schon so gut wie alle gesehen. Im Bundeskrisenlagergesetz werde konsequent der Doppelpunkt verwendet. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz Tirols sei unter Paragraf zehn ausschließlich in der weiblichen Form verfasst. "Was davon verwendet wird, spielt rechtlich aber überhaupt keine Rolle."

Die Aufregung über die Verwendung der weiblichen Form im Gesetzestext versteht man im Ministerium übrigens nicht. Schließlich habe man das Gesetz vor rund zwei Monaten gemeinsam mit Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) vor Journalistinnen und Journalisten präsentiert. Dort habe Zadić bereits angekündigt, dass nur Frauen genannt würden – interessiert habe das damals niemanden. Ein Alleingang der grünen Ministerin sei der Gesetzestext jedenfalls nicht. Mit dem Koalitionspartner, der ÖVP, sei dieser "natürlich" abgestimmt worden. (Oona Kroisleitner, Jan Michael Marchart, 27.7.2023)