Das Bild zeigt das
Drei Aussparungen im Behälter von Smartgrow Life ermöglichen die Indoor-Aufzucht von allerhand Küchenzutaten.
STANDARD/Brandtner

Smart Gardening ist ein Begriff, den man heutzutage öfter zu hören bekommt. Im Grunde genommen kann man diesem Hokuspokus zumindest den verbalen Zauber nehmen, wenn man schlicht und einfach benennt, was dahintersteckt: Die (weitgehend) automatisierte Pflege von Grünanlagen durch technische Hilfsmittel. Während sich meine Kollegen im Ressort mit ähnlichen Lösungen für Außenanlagen beschäftigten, habe ich mir die Frage gestellt, wie man in den Genuss von Smart Gardening kommen könnte, wenn man weder Garten, Terrasse noch Balkon hat.

Die Nespresso-Lösung

Dabei bin ich rasch auf ein – zumindest optisch – futuristisch anmutendes Konzept von Bosch gestoßen: Hinter dem sogenannten Smartgrow-Life-System steckt eine individuell konfigurierbare Indoor-Lösung, die den Anbau von Kräutern und Gewürzen in den eigenen vier Wänden automatisieren soll.

Das Beleuchtungs- und Bewässerungssystem funktioniert dabei salopp formuliert so ähnlich wie eine Nespresso-Kaffeemaschine: Aussparungen im Behältnis nehmen eine bestimmte Zahl von Samenkapseln auf, die je nach Sorte zur entsprechenden Pflanze heranreifen. Wie bei der Kaffeemaschine "wirft" man also die Kapseln ein und bekommt vollautomatisch ein Resultat aufgetischt – nur dass dies anders als beim Kaffee nicht wenige Augenblicke, sondern je nach Pflanze eben bis zu zwölf Wochen dauern kann.

Das Bild zeigt das
Nach der ersten Einrichtung blickt man gespannt auf das System und wartet, bis endlich etwas passiert.
STANDARD/Brandtner

Was die Auswahl anbelangt, versucht der Hersteller ein breites Spektrum an Nutzpflanzen und Kräutern abzudecken. Mehr als 50 Varianten von Samenkapseln sind mittlerweile im Sortiment verfügbar. Sie beinhalten eine Vielfalt an Kräutern, dazu zählen Petersilie oder Majoran, aber auch "Naschgemüse" wie Kirschtomaten, Salate und essbare Blüten.

Auch ausgefallenere Sachen wie beispielsweise Tatsoi, Thai-Basilikum oder Shiso-Kresse finden sich im Angebot. Die Kapseln selbst sind recycelbar und haben eine Keimgarantie des Herstellers: Sollte der Inhalt der Kapsel nicht keimen, wird sie vom Kundendienst durch einen neue ersetzt. Selbstredend beschränkt gewissermaßen die maximale Ausbaustufe des Geräts die Art der Pflanzen, die damit großgezogen werden können. Das Behältnis ist 33 Zentimeter breit, nicht ganz 18 Zentimeter tief und mit allen Höhenmodulen maximal 59 Zentimeter hoch.

Das Bild zeigt das
Stolzer Preis: Eine Dreierpackung Kapseln kostet zehn Euro.
STANDARD/Brandtner

Klingt eigentlich alles fein, oder? Gut, bei Nespresso wird es dem einen oder anderen Kaffeetrinker möglicherweise schon die Nackenhaare aufgestellt haben, die Idee eines pflegefreien Kräutergärtleins an sich hat aber rein vom Convenience-Gedanken her durchaus ihren Reiz. Als ob man es sich schon denken könnte, hat die Sache allerdings den einen oder anderen Haken: Der STANDARD hat eine Smartgrow-Variante über den Zeitraum von mehreren Wochen getestet, die der Hersteller Bosch leihweise zur Verfügung gestellt hat.

Zwischen Lebensmittel und Deko-Objekt

Das Smartgrow-Life-Testkit entspricht der mittleren von insgesamt drei erhältlichen Größen. In der recht kompakten Verpackung befindet sich alles, was man für den Start benötigt: Neben dem Behältnis, einem separaten Netzteil und der darüber befindlichen LED-Einheit enthielt das Paket auch noch zwei Höhenmodule, die die Beleuchtung je nach Bedarf auf Distanz zum wachsenden Grünzeug halten sollen. Vervollständigt wurde das Set durch fünf unterschiedliche Samenkapselpackungen und einem Dosierlöffel für die Nährlösung. Diese ist übrigens jeder Samenkapselpackung beigelegt.

Das Bild zeigt das
Der Packungsinhalt ist überschaubar und einfach aufzubauen.
STANDARD/Brandtner

Der Aufbau ist dementsprechend einfach und benötigt keinerlei grünen Daumen: Dem Behältnis mit einer vorgegebenen Menge Wasser wird zunächst die Nährlösung beigemischt. Dann werden die Kapseln von ihrem Verschluss getrennt und in die Aussparungen am Deckel des Behältnisses eingesetzt. Im Test waren dies Petersilie, Rucola und Basilikum. Abschließend wird die LED-Beleuchtung draufgesteckt und das gesamte Gerät über das Netzteil an den Strom angeschlossen. Das war’s, mehr ist am Anfang nicht zu tun.

Die Verarbeitung des Smartgrow Life wirkt einerseits hochwertig und macht optisch wohl auf jedem Küchentisch eine gute Figur. Zum Deko-Charakter, wenn man so möchte, kann sicherlich auch die unterschiedlich färbige Beleuchtung beitragen. Ginge es nach den Wünschen des Herstellers, kann man die Küchenwand dank separat erhältlicher Wandhalterung sogar mit mehreren dieser Behältnisse dekorieren. Andererseits lässt sich das Gerät aber eben auch nur als minimalistisch designte Blumenkiste mit Zeitschaltuhr für Wasserpumpe und Beleuchtung betrachten. Das "smart" geht in diesem Fall klar an den Hersteller.

Weitgehend wartungsfrei

Tatsächlich ist Smartgrow Life zunächst das, was der Hersteller verspricht: Nach mehreren Wochen konnten die Pflanzen geerntet werden – ohne davor auch nur einen Finger dafür gekrümmt zu haben. Die Beleuchtung regelt sich von selbst, wie es auch die Pumpe für die Bewässerung der Samenkapseln und später der Pflanzen tut. Wäre diese phasenweise nicht ein wenig lauter, könnte man fast dazu neigen, das System komplett zu vergessen. Im positiven Sinne.

Vollkommen wartungsfrei ist das System jedoch nicht ganz: Je nach Fortschritt des Pflanzenwachstums ist die LED-Beleuchtung zunächst mit den Höhenmodulen zu erweitern. Das ist mit einem Stecksystem und entsprechenden -kontakten ganz simpel gelöst, sollte aber nicht vergessen werden, weil die Pflanzen sonst möglicherweise "anbrennen" könnten. Ist das Wasser des 1,5-Liter-Tanks aufgebraucht, signalisiert die Beleuchtung des Systems zudem in Fünf-Minuten-Intervallen sehr eindringlich, dass es Zeit zum Nachfüllen ist.

Das Bild zeigt das
Petersilie braucht ein wenig mehr Zeit, Rucola und Basilikum gedeihen prächtig – ohne Zutun.
STANDARD/Brandtner

Dennoch: Dass das System weitgehend automatisch funktioniert, fühlt sich ungefähr so komisch an wie Elektroautos, die keine (angelernten) Motorengeräusche von sich geben. Es ist auf der einen Seite natürlich festzuhalten, dass das System in der Praxis tadellos funktioniert, und auch an der Qualität der Pflanzen gab es im Test nichts auszusetzen. Auf der anderen Seite bewirkte diese Automatisierung bei mir ein Gefühl, das sich irgendwo zwischen Bezugslosigkeit und schlechtem Gewissen einpendelt. Man hat ja irgendwie "nichts gemacht" dafür, dass Rucola und Basilikum nach ein paar Wochen schon verzehrbereit aufgeblüht waren. Ein DIY-Produkt ohne DIY-Gefühl.

Was schon seit der Installation negativ aufgefallen ist: Lediglich drei Aussparungen für dementsprechend drei Samenkapseln versprechen keinen großen Ertrag. Die Ernte des Rucola und des Basilikums reichten dann gerade einmal dafür aus, selbstgemachte Pizza und Pesto zu dekorieren. Hier steht eindeutig das Naschen im Vordergrund und nicht das Essen. Empfehlenswerter, weil für den Alltag ein wenig ergiebiger sind in diesem Zusammenhang sicherlich die Kräuter. Es gibt zwar noch eine größere Variante von Smartgrow mit sechs Aussparungen, aber das führt auch gleich schon zum größten Manko des Systems: den Kosten.

Teuer und exklusiv

Alles andere als "smart" ist am Bosch-System der Preis. Das getestete Kit kostet in der Anschaffung derzeit knapp 180 Euro, eine Dreierpackung Samenkapseln kostet unabhängig von der Pflanzenauswahl zehn Euro. Bei diesen Preisen auszuschließen ist es zudem, dass man sich als Nutzer gleich mehrere Exemplare kauft und damit die Küchenwand dekoriert. Der größte Behälter mit sechs Aussparungen kostet sogar 260 Euro. Dass sich an den hohen Preisen mittelfristig etwas ändert, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

Das liegt nicht nur daran, dass sich das System schon seit geraumer Zeit auf dem Markt befindet, sondern auch daran, dass es von Bosch nur exklusiv im eigenen Onlineshop vertrieben wird. Diese Exklusivität betrifft auch die Kapseln. Bosch bietet zwar Kapseln ohne Inhalt "zum Experimentieren" an, lässt sich diese aber mit acht Euro pro Packung auch teuer bezahlen.

Hinzu kommt, dass der Hersteller bei keiner Gelegenheit versäumt zu betonen, dass Smartgrow Life von der Verpackung bis zum Gerät selbst nachhaltig und recycelbar sei. Das konnte im Rahmen des Tests nicht exakt überprüft werden und mag unter bestimmten Blickwinkeln sicherlich stimmen. Im Endeffekt kauft man sich gefühlt schon einen Berg Plastik samt Pflanzensamen und Kartonage um knapp 200 Euro. Wer sich das leisten kann und wem dieser Betrag egal ist, bekommt ein tadellos funktionierendes System, das hält, was es verspricht. Alternativlos ist es freilich nicht.

Das Bild zeigt einen Topf mit Basilikum
Um ein Vielfaches günstiger und derzeit sofort verfügbar: eine Bio-Alternative aus dem Supermarkt.
STANDARD/Brandtner

Und damit sind gar nicht ähnliche Produkte der Konkurrenz oder ein billiger Knock-off aus dem China-Shop gemeint. Für einen Anschaffungspreis von wenigen Euro bekommt man Pflanzensamen, Blumenkiste und Aussaaterde – und auf dem richtigen Platzerl mit nur ein bisschen mehr Zuwendung mindestens genauso gute Resultate. Auch für den Fall, dass man wirklich gar kein Gespür für Pflanzen haben sollte, kommt man in der Regel günstiger weg. Ein schneller Vergleich aus der eigenen Küche: Ein ganzer Topf Bio-Basilikum aus Österreich kostet im Supermarkt 2,50 Euro. Derzeitige Verfügbarkeit: sofort.

Fazit

Smartgrow Life von Bosch hält, was es verspricht: Ein äußerst dekoratives und weitgehend wartungsfreies Setup produziert Kleinpflanzen und Gewürze, das sich problemlos in die Küche einbinden lässt. Empfehlenswert ist es deshalb dennoch nicht. Das liegt schlicht und einfach daran, dass es in Grundzügen nicht nur an die Funktionsweise, sondern auch an die unverschämte Preispolitik des Nespresso-Ökosystems angelehnt ist. Erschwerend kommt hinzu, dass dieses Kapselprinzip von Kaffee auf Pflanzen umgemünzt im Alltag einfach noch weniger überzeugt.

Spielt Geld keine Rolle, kann man sich dieses Gadget natürlich bedenkenlos in die Küche stellen. Auf Fotos lässt sich dann das heranwachsende Basilikum oder der niedliche Rucola hervorragend Freunden und Familie zeigen – natürlich auf Instagram oder zum Beispiel, während man auf das Essen beim Lieblingsitaliener wartet. (Benjamin Brandtner, 29.7.2023)