Popfest
Die Seebühne auf dem Karlsplatz im Rahmen der Eröffnung des 14. Wiener Popfests am Donnerstag.
APA/EVA MANHART

Spätestens seit der Pandemie zählt der Wiener Karlsplatz rund um seinen leider nur für Flachschwimmer geeigneten Teich zu den Fixpunkten der Freizeitgestaltung der hiesigen jungen Leute. Angenehme Atmosphäre, keine Konsumationspflicht, Jause und Getränke kann man selbst mitbringen. Wenn dort jetzt wieder für vier Tage das gelbe, fünf Meter große und unverwüstlich knallgelbe Quietschentchen von FM4 herumschwimmt, weiß man: Mit der im nun schon im zweiten Jahr rund um den Platz in die diversen Säle zurückgekehrten Gratisveranstaltung Popfest hat das Stadtleben wieder eine gewisse Normalität zurückerlangt.

Das manifestierte sich am Eröffnungsdonnerstag etwa beim Konzert des steirischen Musikers Salò insofern, als während des Konzerts vor der Bühne wirklich pausenlos miteinander gequasselt und in die Handys getippselt und geratscht wurde, dass die Tür nicht mehr zugeht: Wo seids ihr? Er ist wirklich ein Trottel. Ma, he, voi geil. Wir stehen da hinten beim Pommes-Stand, wo es runtergeht zur U-Bahn. Nein, ich bin gerade erst gekommen. Excuse me, do you know if there is a toilet?

Übung in Demut

Salò macht mit seiner Band wirklich nette, etwas angedüsterte und trotzdem unterhaltsame Postpunk-Musik: "Ich bin kein Mann für schöne Stunden, ich bin ein Mann für den Moment." Mit "Apollonia sitzt bei Edeka an der Kassa", "Geil auf Betong" oder "Ich glaube nicht an Dinosaurier" hat er während der letzten Jahre begonnen, sich auch in Deutschland ein Standbein zu erspielen. Das kann noch etwas werden. Die Nerven bewahren, wenn ein paar Tausend Leute vor dir herumstehen oder wie aufgescheuchte Hühner ständig vor dir hin und quer laufen, dich aber konsequent ignorieren, diese Übung in Demut ist schon einmal gelungen.

Der Andrang bei den Gratiskonzerten bis Sonntag bei insgesamt über 50 Acts ist enorm. Nach Uche Yara, der jungen Gitarristin und Sängerin, die im Vorprogramm von Bilderbuch bekannt geworden ist trotz später Stunde noch beachtlich. Bei allem Talent für souligen Indiepop auf Gitarrenbasis fehlen ihr allerdings noch ein wenig die wirklich zwingenden Songs. Die Tapfersten haben möglicherweise bis knapp vor der Frühmesse im Prechtlsaal durchgehalten. Dort ist Hari Viderci, ein Mann in langer Unterhose, gestanden, der auch gern eine Alufolienmaske trägt. Er rupft die Bassgitarre und singt im Dialekt zum Schlagzeug des Jazzmusikers Herbert Pirker über wichtige Dinge im Leben, über Geld, Beton und den Penis. Das klingt dann ein wenig so, als ob die altehrwürdige kanadische Hardcore-Band No Means No einen Kasperl zum Frühstück gegessen hätte. Verstörend.

honigdachs

Am Freitag geht es mit einem absoluten Topprogramm rund um den Karlsplatz weiter. Auf der Seebühne spielt die unterhaltsam-grantige Ebenseer Band Bipolar Feminin sowie die für die Bühne geborene bayerische Eighties-Pop-Liebhaberin Ankathie Koi. Ebenfalls dabei die zwischen Hip-Hop, House, R 'n' B und Dings pendelnden jungen Frauen Skofi & Bex. Im Stadtkino gibt es Todes-Liedermaching von den alten lebensmüden Veteranen Vienna Rest In Peace, im TU-Kuppelsaal tritt der internationale Elektronikstar Fennesz auf, im Prechtlsaal ist Punkrock mit Cousines Like Shit, Leftovers und den mächtigen Franz Fuexe angesagt.

Stones Throw

Am Samstag tritt Sofie Royer mit elegantem Pop zwischen Soft- und Yacht-Rock auf die Seebühne, wo auch Buntspecht, Wandl und Schriftsteller Elias Hirschl mit seinem The-Cure-Gedächtnisprojekt Ein Gespenst konzertieren. Am Sonntag wird die Karlskirche von Newcomerin und Songwriterin Edna Million bespielt. Jazz-Schlagzeuger Lukas Koenig performt gemeinsam mit Kit Downes, der erstmals beim Popfest die große Kirchenorgel bedient. Den Kehraus macht schließlich die deutsche Technoproduzentin Rosa Anschütz. (Christian Schachinger, 28.7.2023)