Daniil Trifonov Klavier; Salzburg
Der russische Pianist Daniil Olegowitsch Trifonovbegeistert in Salzburg.
© Marco Borrelli

Mit dem Kinderalbum op. 39 von Peter I. Tschaikowski hat es ganz unschuldig angefangen. Die 24 Miniaturen sollten laut Tschaikowski die musikalische Kinderliteratur, "die sehr arm ist", bereichern. Die Minizyklen erzählen etwa von Krankheit und Begräbnis der alten und – mit hüpfender Freude – der Ankunft der neuen Puppe. Genreliedchen aus Russland, Italien, Frankreich oder Deutschland macht Daniil Trifonov zu unnationalistischen Nationalitätenporträts. Mit zwei großen Russen am Anfang und Ende des Solistenkonzerts im Großen Festspielhaus scheint der Pianist ein unaufgeregtes Statement gesetzt zu haben.

Alexander Skrjabins Sonate für Klavier Nr. 5 Fis-Dur op. 53 von 1923 wurde vom Komponisten als ein "Stück Zauberei und Zeugnis schwarzer Magie, erhellt von den Strahlen einer schwarzen Sonne" bezeichnet – und von Daniil Trifonov genau so gespielt: Hexenwerk pianistischer Virtuosität. Taumel zwischen Ekstase und Träumerei. Mit gewohnter Feinziselierung der Lautstärke verleiht Trifonov selbst wüsten Ausbrüchen betörende Facetten.

Fließend, aberwitzig, monumental

Technisch noch einen Tick aberwitziger ist das dritte der drei musikalischen Gedichte in Maurice Ravels Gaspard de la nuit – Trois Poèmes pour piano d’après Aloysius Bertrand. Das erste Stück im Nachtwächter-Triptychon erzählt von der Wassernixe Ondine, ist schwebendes Fließen, fließendes Schweben, in der Lesart Trifonovs von keiner unterirdischen Strömung irritiert. Die Leiche in Le Gibet, dem "Galgen", baumelt nachdenklich im Wind. Den aberwitzigen Kobold Scarbo hält Daniil Trifonov mit allen aufzubietenden pianistischen Techniken im Zaum.

Fast zu monumental innerhalb dieser formal "kleineren" Fantastereien war Robert Schumanns Fantasie C-Dur op. 17. Trifonov begegnet den Schumann’schen Exaltiertheiten mit tiefenpsychologischem Gespür. Und Mozarts Fantasie c-Moll KV 475, zu ihrer Zeit auch radikal? Ein Ruhepunkt im Hexenreigen. (Heidemarie Klabacher, 28.7.2023)