Hitze in New York: Menschen sammeln sich um Springbrunnen
Anhaltende Hitze von New York bis Wien hängt auch mit dem langsameren Jetstream zusammen.
Ed Jones/AFP

Sind 28,7 Grad Celsius am Mittelmeer normal? Als Lufttemperatur im Sommer keine Seltenheit, wurde dieser Wert vor wenigen Tagen an der Wasseroberfläche gemessen. So heiß war das Mittelmeerwasser noch nie. Von Spanien bis Syrien leidet die Bevölkerung in diesem Jahr unter Hitzewellen mit bis zu 45 Grad Lufttemperatur. Hitze und Trockenheit erhöhen die Gefahr für Waldbrände, die nicht bloß in Griechenland Existenzen in Schutt und Asche legen. Diese neuen Höchstwerte lassen sich nicht nur, aber auch auf die Klimakrise zurückführen.

Video: Wie ein Gewitter entsteht und warum Supergewitter häufiger werden
DER STANDARD

Der von Menschen verursachte rapide Anstieg der Treibhausgasemissionen heizt die Atmosphäre auf, Hitzewellen sind die am unmittelbarsten nachweisbare Folge. Ohne den anthropogenen Klimawandel wären die aktuellen Hitzewellen in Südeuropa "praktisch unmöglich" gewesen, heißt es in einer aktuellen Studie. Ihre Wahrscheinlichkeit habe sich in Südeuropa um etwa das 1000- bis 4000-Fache erhöht, nun werden sie in solch extremer Ausprägung alle zehn Jahre vorkommen.

Ozeane als Wärmepuffer

Während mit dem Klima längerfristige Trends beschrieben werden, geht es beim Wetter um das kurzfristige Zusammenspiel der vielen Einflussfaktoren. Der Atlantik beherbergt derzeit überdurchschnittlich warmes Wasser, um Florida sind es bisher ungekannte 38 Grad Oberflächentemperatur. Vorläufige Messungen zeigen gar eine Durchschnittstemperatur der Meeresoberfläche im Nordatlantik von 24,9 Grad – ein neuer Rekord. Das trägt zu wärmerer Luft und Hitzewellen bei.

In den vergangenen 50 Jahren haben die Weltmeere als Wärmepuffer enorme Energiemengen aufgenommen. Fachleute gehen davon aus, dass sie über 90 Prozent der zusätzlichen Wärme gespeichert haben, die bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstand. "Ohne diese Aufnahme wäre es an Land etwa 35 Grad Celsius wärmer, als es gegenwärtig ist", sagt Meeresbiologe Gerhard Herndl von der Uni Wien zum STANDARD.

Waldbrände in Griechenland
In Griechenland kämpfen Feuerwehren gegen heftige Waldbrände. Um diese in den Griff zu bekommen, sind auch Löschflugzeuge im Einsatz.
IMAGO/Agenturfoto

Im Pazifik spielt das wiederkehrende Wetterphänomen El Niño, benannt nach dem spanischen Christkind, eine wichtige Rolle. Es läuft gerade erst an und hat daher noch wenig Einfluss auf Ozean- und Luftströmungen. Sie bringen Hitze und – regional unterschiedlich – Dürre oder höhere Niederschläge und damit teils Überflutungen mit sich. In Europa bekommt man generell wenig von El Niños Ausläufern mit. Doch auf die weltweiten Durchschnittstemperaturen wirkt sich der Schub, den das mächtige Kind verleiht, stark aus: Es provozierte in seiner letzten Hochphase 2016 neue globale Hitzeextreme. Damit ist auch 2023 und 2024 zu rechnen.

Langsamer werdender Jetstream

Ein anderes Phänomen prägt die mittleren Breiten der Nordhalbkugel und damit das europäische Wetter. Der Jetstream ist ein Windband, das sich um den Globus zieht. Angetrieben wird es vom Temperaturunterschied zwischen Nordpol und Äquator. Weil die Arktis immer wärmer wird, verlangsamt sich der Jetstream. Er schiebt Hoch- und Tiefdruckgebiete gemächlicher weiter, Wetterlagen halten sich länger an einem Ort.

Je länger eine Wetterlage andauert, desto eher ergibt sich die Neigung zu extremen Temperaturen. Hinzu kommt die durch den höheren CO2-Gehalt wärmere Atmosphäre. Das Temperaturniveau ist also höher, Hitzewellen dauern länger und fallen heißer aus, auch kühlt die Luft in der Nacht nicht mehr so stark ab. Eine langsamere Strömung kann anhaltende Extremwetter bedingen, von Dürren bis zu Überschwemmungen.

Höheres Risiko schwerer Unwetter

"Aufgrund der wärmeren Atmosphäre muss man damit rechnen, dass Unwetter heftiger ausfallen könnten als noch vor ein paar Jahrzehnten", macht Alexander Orlik, Klimatologe der Geosphere Austria, im STANDARD-Gespräch deutlich. Das liegt an einem physikalischen Zusammenhang: Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen, pro Grad Erwärmung sind es rund sieben Prozent mehr. Das bedeutet, dass ein größeres Reservoir abregnen kann. Bei der Kondensation des Wassers wird zudem Energie frei, die den Prozess der Gewitterentstehung am Laufen hält. Das begünstigt die Bildung von Superzellen, also sehr langlebigen Gewitterwolken, die Hagel, sintflutartigen Regen und Tornados mit sich bringen können. Weitere Faktoren für ihr Entstehen sind starke Temperaturunterschiede in der vertikalen Schichtung der Luftmassen und eine starke Änderung der Windgeschwindigkeit oder Windrichtung.

Gewitter
Die Wahrscheinlichkeit für heftige Gewitter steigt. In Österreich hat dieses Risiko seit den 2000er-Jahren um 20 Prozent zugenommen.
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Ein im Sommer häufiger, oft intensiv ausfallender Unwettertyp sind Frontalgewitter. "Ausgelöst werden diese, da sich die Kaltluft an der Vorderseite einer Kaltfront wie ein Keil unter die feuchtwarme Luft schiebt", sagt Orlik. "Dadurch werden die Luftmassen gehoben, ab einer bestimmten Höhe setzt durch die Abkühlung Kondensation ein, was schließlich zu Gewittern führen kann." Wie eine Analyse der Geosphere Austria zeigt, ist das Unwetterrisiko seit den 2000ern merklich gestiegen: In Süd- und Osteuropa hat es um 30 bis 50 Prozent zugenommen, hierzulande um 20 Prozent.

Doch das ist nicht die einzige Änderung, die sich in der Vergangenheit für Österreich in puncto Wetterextreme ergeben hat: Seit 1961 hat sich die Zahl der Hitzetage, an denen es 30 Grad oder mehr hatte, verdoppelt bis verdreifacht. Alles deutet darauf hin, dass wir uns in Zukunft an häufiger auftretende Extremwetter und ihre vielfältigen Folgen gewöhnen werden müssen. (Marlene Erhart, Julia Sica, 29.7.2023)