Eine Sonnenblume steht auf einem ausgetrockneten Feld in Niederösterreich.
Während der Landwirtschaft im Norden Österreichs das Wasser fehlt, stehen im Süden Keller unter Wasser.
APA/HELMUT FOHRINGER

Dürre und trockene Böden, gleichzeitig verwüstete Äcker, abgedeckte Dächer und überflutete Keller: Das Jahr 2023 gilt schon jetzt als ein Jahr der Wetterextreme – und das wirkt sich auch auf die Landwirtschaft aus.

Laut der Österreichischen Hagelversicherung, die neben Hagelschäden ebenso andere Naturereignisse wie Spätfrost oder Wassermangel versichert, lagen die Schäden in der Landwirtschaft bis Juli bei 215 Millionen Euro. 150 Millionen davon entfallen auf Dürreschäden, 35 Millionen auf Frost und der Rest auf Hagel, Sturm und Überschwemmung. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2022 lag der Schaden bei 170 Millionen, im Jahr 2021 bei 220 Millionen Euro (siehe Grafik unten). Zwar entstehen die größten Schäden meist im ersten Halbjahr, die Versicherung geht aber davon aus, dass der Wert dieses Jahr noch deutlich steigen könnte.

Erklärvideo aus 2022: Europas Wasserkrise
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Zurückzuführen sind die häufiger werdenden Extremwetterereignisse vor allem auf die Erderhitzung. Abgesehen von früheren Blühzeitpunkten und längeren Trockenperioden steigt auch die Wahrscheinlichkeit für kräftige Gewitter, weil heißere Luft mehr Wasser aufnimmt. "Wir haben zwar eine längere Vegetationsperiode und höhere Erträge, das wird aber überwogen durch stärkere Extremereignisse", erklärte Klimaökonom Karl Steininger am Sonntag in der "ZiB 2".

Grafik
Dieses Jahr wurden bis Ende Juli mehr Schäden registriert als im Gesamtjahr 2022.
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Kaum Marillen, wenig Kirschen

Die Ursachen für die Ernteausfälle sind im Obstbau vor allem Spätfrostschäden. Aufgrund höherer Temperaturen schiebt sich der Blühzeitpunkt nach vorn. Später doch noch einsetzender Frost zieht die Blüten dann in Mitleidenschaft. "Wir haben schwerste Spätfrostschäden im Obstbau", sagt Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung. "Das führt dazu, dass manche Bauern bereits mit der Produktion aufhören und ihre Flächen roden."

Betroffen vom Spätfrost war dieses Jahr vor allem Steinobst wie Marillen, Zwetschken und Kirschen. Zwar fällt die Marillenernte nun etwas besser aus als erwartet, dennoch werde mit sehr kleinen Mengen gerechnet, erklärte kürzlich Franz Reisinger, Obmann des Vereins Wachauer Marille. Das Minus beträgt insgesamt zwischen 85 und 90 Prozent, wobei die Ernteausfälle regional stark variieren. Ähnlich ist die Situation beim Steinobst in der Steiermark, erklärt Herbert Muster von der Landwirtschaftskammer dem STANDARD.

Gute Apfelernte in Sicht

Besser sieht es dagegen bei der Apfelernte aus. Die steirischen Landwirtinnen und Landwirte rechnen heuer zwar mit einem Viertel weniger Ertrag als im vorangegangenen Jahr, die Ernte fiel 2022 aber verhältnismäßig gut aus. "Wir sind guter Dinge, dass es eine einigermaßen gute Ernte wird", sagt Muster. "Wir werden den Inlandsmarkt ausreichend versorgen können, deshalb gibt es keinen Grund für Alarmstimmung."

Dass viele Bauern ihre Höfe aufgeben, kann Muster bestätigen. "Wir merken seit vielen Jahren, dass die Anzahl der Betriebe sinkt." Beim Apfel sei die Fläche seit 2010 etwa um ein Viertel kleiner geworden. Extremwetterereignisse seien mit ein Grund dafür, weil das Produktionsrisiko steigt. Es spielen aber auch andere Ursachen eine Rolle: Das Konsumverhalten hat sich verändert, andere Obstsorten sind beliebter. Dazu kommt ein Mangel an Erntehelferinnen und Erntehelfern.

Erdäpfel kämpfen mit Wassermangel

Schwierig sieht es dieses Jahr auch bei Erdäpfeln aus. Zwar gibt es noch keine genauen Prognosen, die Ernte gestaltet sich aber aus mehreren Gründen schwierig, sagt Lorenz Mayr, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich. "Durch die anhaltende Hitze und Trockenheit gibt es zum einen aktuell keine Zuwächse. Zum anderen ist die Erdäpfelernte aufgrund des harten Bodens nicht möglich, die Knollen würden dabei beschädigt und geschädigte Knollen können nicht als Speiseware vermarktet werden.."

Das Jahr 2023 habe außerdem schon schwierig begonnen: Die Landwirtinnen und Landwirte im Weinviertel und Waldviertel konnten erst später setzen, weil es zu kühl war. Danach war es zu heiß. "Bei Temperaturen über 25 Grad verlangsamt sich das Knollenwachstum, ab 30 Grad stellt die Erdäpfelpflanze das Wachstum ein", erklärt Mayr. Dazu kommt, dass insgesamt weniger Erdäpfel angebaut werden. Grund sei, dass man gegen Schädlinge wie den Drahtwurm keine wirksamen Mittel mehr zur Verfügung habe. Für die Landwirte erhöht sich damit das wirtschaftliche Risiko. Zudem gebe es in den Anbaugebieten derzeit keine großflächigen Bewässerungssysteme, um Zeiten ohne Regen zu überbrücken.

Prognose beim Wein schwierig

Für den Weinbau gibt es die erste Schätzung für gewöhnlich Ende August oder Anfang September. Der Wein, der im Juni blüht, ist vom Spätfrost nicht betroffen. Problematisch kann eher Wassermangel sein – und Hagel, der aber meist nicht großflächig auftritt, sondern eher lokal. In Weinbauregionen in der Steiermark oder der Wachau sind deshalb schon seit Jahrzehnten sogenannten Hagelflieger unterwegs. Bilden sich Gewitterzellen, schwirren die Flugzeuge aus und versprühen Silberiodid in die Wolken, das die Hagelbildung verhindern soll.

"Momentan schaut es in Weinanbaugebieten, wo es keine Hagelschäden gab, nicht so schlecht aus. Die Blüte ist in den meisten Regionen gut verlaufen, der Wassermangel bleibt aber ein Unsicherheitsfaktor", heißt es seitens der Landwirtschaftskammer Niederösterreich. Prognosen seien schwierig, weil fraglich sei, wie es in den nächsten Wochen bis zur Ernte weitergeht. Die diesjährige Getreideernte fällt von der Menge her indes relativ gut aus. Beim Weichweizen und Roggen wird die Produktion im Vergleich zum Fünfjahresschnitt sogar etwas höher ausfallen (siehe Grafik). Ein Rückgang bei der Anbaufläche, vor allem bei Dinkel, wurde durch eine höhere Maisproduktion kompensiert. (Jakob Pflügl, 31.7.2023)