Pearl Davis, Youtube
1,67 Millionen Menschen folgen Davis allein auf Youtube. Wirklich Zugriffe generiert sie aber nur mit den besonders provokanten Videos.
https://www.youtube.com/@JustPearlyThings

Frauen seien schuld daran, wenn Männer sie betrügen, Männer dürften in Beziehungen auch mal zurückschlagen, und 16-jährige Mädchen seien in der Regel heißer als 26-jährige: Aussagen wie diese stammen nicht von bekannten Chauvinisten wie Andrew Tate, sondern wurden in den letzten Monaten verstärkt durch eine Frau ins Netz posaunt. Pearl Davis, immerhin 1,67 Millionen Follower auf Youtube und beliebter Interviewgast in zahlreichen US-Shows und Podcasts, polarisiert wie kaum eine andere Influencerin weltweit.

Aber wer ist der streitbare Charakter, der erst am Freitag überraschend harsche Kritik vom ebenfalls nicht mit Traurigkeit gesegneten TV-Host Piers Morgan einstecken musste?

Theorien über Hitler

"Ich sage nicht, dass Hitler ein guter Mensch war, aber ich würde gerne wissen, warum", sang Davis kürzlich in einem Youtube-Video, das mittlerweile offline genommen wurde. In dem von Davis geschriebenen Song "Warum können wir nicht über die Juden sprechen?" theoretisiert sie weiter, dass es zahlreiche "Verschwörungstheorien" gebe, und je mehr sie darüber höre, desto mehr glaube sie daran. Diese und ähnliche Zeilen ließen kürzlich nicht nur die Community der jungen Frau aufhorchen, sondern auch TV-Moderator Morgan, der die Influencerin schon öfter in seiner Show zu Gast hatte.

Zusammen mit der jüdischen Anwältin Brooke Goldstein konfrontierte Morgan die junge Frau mit der Frage, was denn das für Verschwörungstheorien rund um Hitler seien, von denen sie da gehört habe. Der Song richte sich nicht gegen Juden, erwiderte Davis, sondern solle zeigen, dass Cancel-Culture und die Praxis, Menschen von Social-Media-Kanälen zu verbannen, der falsche Weg seien. "Es ging eher darum, dass man über dieses Thema nicht reden kann, ohne von der Linken und der Rechten abgelehnt zu werden. Es war mit einem Augenzwinkern gemeint", erklärte Davis. Sie habe nicht erwartet, dass die Reaktion so "verrückt" sein würde.

Piers Morgan GRILLS "Female Andrew Tate" Pearl Davis For Her Antisemitic Song
Piers Morgan Uncensored is joined by controversial YouTuber Pearl Davis and attorney and founder of End Jew Hatred Brooke Goldstein to confront Pearl and ask her why she posted a song that seemed to question the validity of the Holocaust and also is asked whet
Piers Morgan Uncensored

Ihre beiden Gesprächspartner zeigen sich irritiert, dass Davis offen darüber sprach, "Holocaust-Verleumdung als akzeptiertes Gesprächsthema auf Social Media" zuzulassen. Vor allem die bekennende Hassrede-im-Netz-Gegnerin Goldstein zeigte sich entsetzt von Davis' Aussagen. Es sei ein beunruhigender Trend auf Social Media, dass Menschen mit solchen Sensationsinhalten an Popularität gewinnen wollten. "Es ist ironisch, dass Pearl sich über die Cancel-Culture beschwert und gleichzeitig auf ihren Plattformen Millionen Zuseherinnen erreicht", so Goldstein.

Zudem sei ihr unklar, ob die junge Influencerin "dumm oder intelligent" sei und wisse, dass sie mit ihren kritischen Botschaften viel Geld auf den profitgetriebenen Social-Media-Plattformen verdiene. Damit spielte die Anwältin auf das Businessmodell von Youtube und Co an, wo viele Videozugriffe mehr Geld für den Content-Creator bedeuten.

Antifeministin

Aufgewachsen ist die heute 26-jährige Hannah Pearl Davis in Chicago als eines von zehn Kindern. Ihre Eltern waren Software-Ingenieure, ihre Mutter zusätzlich im Directors' Board for UN-Women USA. Dort setzte sie sich für die Gleichstellung der Geschlechter bei den Vereinten Nationen ein. Pearl Davis ging einen anderen Weg. Im Studium begann sie sich für eine Medienkarriere zu interessieren und wurde auf diesem Weg von Leuten wie Ben Shapiro und Thomas Sowell inspiriert. Sie wanderte nach England aus und versuchte sich online in ersten Videos, indem sie auf den Straßen von London Leute zu feministischen und Beziehungsthemen befragte.

Erste Erfolge in Sachen Reichweite feierte sie mit kurzen Clips auf Tiktok, wo ihre Aussagen viel geklickt und geteilt wurden. Vor der aktuellen Diskussion fiel sie vor allem durch antifeministische Ansichten auf und stand dafür auch häufig in der Kritik. Mit der Verhaftung des Frauenhassers Andrew Tate Anfang des Jahres – Tate war einmal Podcast-Gast in Pearls Show – übernahm die Influencerin dankend Teile von dessen Followerschaft. Sie wolle den "Blick aus der Männerperspektive" wagen, ließ sie damals auf Social Media wissen und wurde deshalb oft der "weibliche Andrew Tate" genannt – ein Kompliment für sie, wie sie in einem Interview erklärte. Es folgten zahlreiche Inhalte, die diesen Schritt bestätigten. Es sei die "Schuld der Frau", wenn ihr Mann sie betrüge, und "übergewichtige Frauen" würden keinen Mann verdienen, der ein "sechsstelliges Gehalt nach Hause bringt", verkündete sie.

Im Juni ließ Davis in einem Podcast wissen, dass Frauenrechte hinterfragt gehörten, da es Männer seien, die in den Krieg ziehen müssten, und nicht Frauen. Den eingangs erwähnten Tweet, 16-jährige Mädchen seien heißer als 26-jährige Frauen, musste sie löschen, da in diesem Fall zahlreiche Strömungen im Netz und sogar Teile ihrer eigenen Community vereint gegen die Influencerin mobilmachten. Josie Glabach, ebenfalls Online-Influencerin, war oftmals auf der Seite von Davis. Beim Thema Frauenwahlrecht etwa meinte sie, Frauen seien zu "emotional", um wählen zu dürfen. Bei dem Tweet rund um 16-Jährige hielt jedoch sogar sie nach eigenen Angaben den Atem an und fragte in einem Tweet: "Ist das ernst gemeint?"

Den "Insider" ließ Davis einen Tag später wissen, dass sie den entsprechenden Tweet gelöscht habe, weil ihr Menschen "Worte in den Mund gelegt haben, die ich nie gesagt habe". Es sei nicht darum gegangen, Dates mit Minderjährigen zu propagieren, sondern darum, dass Menschen "mit dem Alter hässlicher werden – insbesondere Frauen". (aam, 31.7.2023)