Die Zeichen stehen auf Gewalt. In Serbien tauchen immer mehr Graffiti mit dem Schriftzug "Wenn die Armee in den Kosovo zurückkehrt" auf. Offensichtlich will der serbische Präsident Aleksandar Vučić die Öffentlichkeit damit auf eine Zuspitzung des Konflikts vorbereiten und gleichzeitig radikalisieren. Kriegsgraffiti sind in Belgrad an der Auffahrt zu einer Brücke, die in die Innenstadt führt, zu sehen und am Gebäude des serbischen Generalstabs.

Aleksandar Vučić, Präsident der Republik Serbien.
Aleksandar Vučić, Präsident der Republik Serbien.
IMAGO

Fans von Roter Stern Belgrad bildeten mit Farbtafeln vergangene Woche ein riesiges Gruppenbild im Stadion, auf dem ein Panzer vor dem Hintergrund der serbischen Flagge abgebildet war. Die Angst vor Krieg stieg in den vergangenen Monaten kontinuierlich, weil ein Teil des serbischen Regimes unter der Kontrolle des Kreml steht, der Interesse hat, auf dem Balkan den Westen herauszufordern. Auch Vučić selbst hat öfters angedeutet, dass die serbische Armee in den Kosovo eindringen könnte, serbische Soldaten wurden an die Grenze gebracht.

Aggressive Propaganda

Am 29. Mai attackierten militante serbische Aktivisten die Nato-geführten Kfor-Truppen, die sich schützend vor die kosovarische Polizei gestellt hatten. 30 Soldaten wurden verletzt, einem Ungarn musste das Bein amputiert werden. Im Juni wurden drei kosovarische Grenzpolizisten nach Serbien entführt und dort gefangen gehalten.

Außerdem ist die Propaganda des serbischen Regimes gegen die Regierung des Kosovo mittlerweile extrem aggressiv. In regierungsnahen Medien wird der kosovarische Premier Albin Kurti als Terrorist bezeichnet. Es wird behauptet, dass Kurti einen Krieg beginnen wolle, dass er die Serben aus dem Kosovo vertreiben wolle und dass Pogrome gegen Serben stattfinden würden.

Das erinnert stark an die Rhetorik der 1990er-Jahre, als Vučić unter anderem noch Propagandaminister unter Slobodan Milošević war. Damals wurde der Bevölkerung in Serbien eingeredet, es würde ein Genozid gegen sie vorbereitet – tatsächlich wurde von serbischen Extremisten der Völkermord gegen Bosniaken in Bosnien durchgeführt. Doch weil es heute kaum mehr freie Medien in Serbien gibt, glauben viele wieder die Manipulationen.

Die westlichen Diplomaten erscheinen hilflos. Denn obwohl sie behaupten, dass Vučić einem Abkommen mit dem Kosovo zustimmen würde, hat dieser nie eine Zusage gemacht – im Gegenteil. Tatsächlich will er den Norden des Kosovo an Serbien anschließen. Vergangenen November sorgte er deshalb dafür, dass die Serben – etwa Polizisten – die Institutionen des Kosovo verließen, was zu einem Machtvakuum führte.

Im Norden des Kosovo leben viele Serben, es gibt dort aber auch Bodenschätze. In einer neuen, sehr lesenswerten Analyse von Gerald Knaus von der European Stability Initiative (ESI) stellt dieser fest, dass sich jüngst "die Wahrscheinlichkeit von Zusammenstößen erhöht und nicht verringert" hat. Die Regierung Kurti, gegen die die EU Maßnahmen erlassen hat, weil sie zuletzt nicht mehr genau das tat, was die USA von ihr wollte, will eine faktische Teilung des Kosovo verhindern. Gleichzeitig forderten westliche Kräfte von dieser Regierung immer lauter, "sich im Namen der Deeskalation aus dem Norden zurückzuziehen", so Knaus. Weder die EU noch die USA hätten einen Plan zur Lösung. "Dies ist ein gefährliches strategisches Vakuum."(Adelheid Wölfl, 1.8.2023)