Flamme von einem Gasherd
Gas wird in Österreich nicht nur zum Kochen verwendet, sondern insbesondere im Osten des Landes auch zum Heizen der Wohnungen, aber auch zur Erzeugung von Fernwärme und fallweise von Strom.
APA/Frank Rumpenhorst

Noch ist Hochsommer, und die Heizsaison scheint weit weg. Dennoch bewegt das Thema Gas die Gemüter. Während Österreichs größter Energiekonzern OMV am Freitag der Vorwoche nicht ohne Stolz den größten Gasfund im Inland seit Anfang der 1980er-Jahre bekanntgab, hagelte es kurz darauf bereits Kritik an dem Plan, dieses Gas auch zu nutzen. Insbesondere aus den Reihen der Erneuerbaren-Energien-Szene gab und gibt es Wortmeldungen, das Gas sollte man am besten dort belassen, wo es derzeit ist: eingeschlossen in Gesteinsschichten in knapp 5.000 Meter Tiefe jenseits der Donau nordöstlich von Wien.

Auf nicht weniger als 48 Terawattstunden (TWh) schätzen OMV-Spezialisten die förderbaren Gasmengen in Wittau, einem Ortsteil der Stadtgemeinde Groß-Enzersdorf in Niederösterreich. Das entspreche rund 28 Millionen Fass (je 159 Liter) Öläquivalent. Zum Vergleich: Der Jahresverbrauch von Gas lag in Österreich im Schnitt der Jahre 2017 bis 2021 bei rund 95 TWh und ist im vergangenen Jahr nicht zuletzt aufgrund der Sparbemühungen und des vergleichswese milden Winters auf 86,4 TWh gesunken.

Schlägt sich mit Dekarbonisierung

Mit dem Gasfund, dem fünfmonatige Explorationsbohrungen vorangegangen sind, könne die OMV die jährliche Gasproduktion in Österreich um 50 Prozent erhöhen, hatte OMV-Chef Alfred Stern bei der Präsentation der Halbjahreszahlen am Freitag erklärt. Derzeit holt der heimische Öl- und Gaskonzern im Inland Tag für Tag rund 16.000 Fass Kohlenwasserstoffe aus dem Boden, die Hälfte davon in Form von Gas. Kritiker weisen nun verstärkt darauf hin, dass die Erschließung neuer Gasquellen nicht vereinbar sei mit dem Ziel, die Dekarbonisierung möglichst rasch voranzutreiben.

Die geschätzte Energiemenge des Gasfeldes – rund 48 TWh – entsprechen laut der Interessenvertretung der Windkraftbetreiber gerade einmal der Produktion von 100 Windrädern über die wahrscheinliche Nutzungsdauer des Gasfeldes von 25 Jahren. "Wenn der Strom der Windräder noch mittels Wärmepumpen veredelt wird, braucht es nicht einmal 30 Windräder, um die gleiche Wärmemenge bereitzustellen", ließ die IG Windkraft in einer Aussendung wissen.

Verstärkt auf Wind setzen

Und weiter: "2022 sind allein in Niederösterreich 38 Windräder errichtet worden. Diese erzeugen in ihrer Laufzeit mehr Energie als der größte österreichische Gasfund seit 40 Jahren", schreibt Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft. "Der Unterschied ist nur, dass das Gasfeld nach 25 Jahren leer ist und Österreich zusätzlich zehn Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre geblasen hat. Der Wind hört aber nicht auf zu wehen und kann Generation für Generation weiter genutzt werden, ganz ohne Treibhausgasausstoß."

Kritisch zeigt sich auch Roger Hackstock – und relativiert die Größenordnung des Fundes. "Die Sonne braucht gerade einmal vier Stunden, um dieselbe Energiemenge (48 TWh; Anm.) auf ganz Österreich einzustrahlen", schreibt der Geschäftsführer von Austria Solar. Wie gering die Energiemenge des Erdgasfeldes in Wittau sei, lasse sich auch daran erkennen, dass es nur knapp zwei Prozent (1,9 TWh) des Erdgasverbrauches in Österreich pro Jahr abdecken würde, wenn man von einer Nutzungsdauer des Gasfeldes von 25 Jahren ausgehe. "Alle Solarwärmeanlagen Österreichs erzeugen derzeit gleich viel Energie, wie das neue Gasfeld bringen würde", meint Hackstock.

"Photovoltaik kann viel Gas ersetzen"

Etwas differenzierter sieht das Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Photovoltaik Austria. "Wir werden Gas kurz- bis mittelfristig noch brauchen; aber grundsätzlich müssen wir darauf schauen, dass wir die Erneuerbaren stattdessen verstärkt ausbauen. Photovoltaik (PV) kann irrsinnig viel Gas ersetzen, in den Haushalten, in den Unternehmen, indem Wärme mittels Strom bereitgestellt werden kann, entweder direkt oder indirekt über Wärmepumpen", sagte Immitzer dem STANDARD. "Da müssen wir nicht CO2-behaftete Fossile in Österreich fördern."

Der Gasfund der OMV von 48 TWh entspreche der Stromerzeugung aus PV-Anlagen mit einer Leistung von 640 MWp (Megawattpeak), gerechnet über eine Nutzungsdauer von 25 Jahren und bei Einsatz von Wärmepumpen. Das wiederum entspreche 64.000 privaten PV-Anlagen mit einer durchschnittlichen Größe von 10 kWp. (Günther Strobl, 2.8.2023)