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Im Bereich der Staatsbürgerschaft konnte die MA 35 die Wartezeit auf ein Erstgespräch drastisch verkürzen.
Regine Hendrich

Der gesamte Saal blickt gebannt auf eine große Leinwand, auf die Folien projiziert werden. "Wenn sie diese Voraussetzung erfüllen, können sie schon ab sechs Jahren die Staatsbürgerschaft beantragen", sagt Maryam Singh vom Wiener Beratungszentrum für Migranten ins Mikro. In der nächsten Stunde sollten noch viele "Wenn, dann"-Sätze folgen. Es ist Mitte April, und 120 Leute sind gekommen, um sich zu informieren – und durch das rechtliche Labyrinth des Staatsbürgerschaftserwerbs navigieren zu lassen.

Es ist ein Infoservice, den es seit Jänner gibt und den bereits über 2.400 Menschen genutzt haben. Zuvor warteten jene, die Staatsbürger werden wollten, über ein Jahr auf ein Erstberatungsgespräch bei der Wiener Einwanderungsbehörde MA 35. Doch solche Wartezeiten passten nicht mehr zum neuen Image, das sich die berüchtigte Behörde verpassen wollte. Bessere Kommunikation und mehr Kundenfreundlichkeit mussten her – die Infoveranstaltung, eine Kooperation mit der Behörde, soll Ausdruck davon sein.

Implosion einer Behörde

Wohl über kein anderes Amt in Österreich wurde in den letzten Jahren so viel geredet – und geschimpft. Die MA 35 managt in Wien die Zuwanderung. An ihr führt für Studierende, Fachkräfte, Staatsbürger in spe und Partner von Österreichern aus dem Ausland kein Weg vorbei. An ihrer Arbeit hängen also Existenzen. Und das wurde für viele zum Problem. Im Sommer 2021 kam ans Licht, dass die Behörde Anrufe und E-Mails systematisch ignorierte – DER STANDARD berichtete. Von verschlampten Akten, einer Kultur der Feindseligkeit bis hin zu extremen Verzögerungen berichteten Betroffene sowie der Rechnungshof.

Die Behörde verwies auf die gestiegene Arbeitslast – sie bearbeitet 150.000 Verfahren pro Jahr – und die Überforderung des Personals. Ein großes Reformpaket wurde daraufhin federführend von Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) geschnürt, das bis Ende 2024 die Missstände beseitigen sollte. Doch wie schaut die Zwischenbilanz aus? Hat sich die Behörde gemausert?

Baustelle Staatsbürgerschaften

Ein kurzer Blick auf die Zahlen verrät: Im Bereich der Staatsbürgerschaft trägt die Umstellung auf Massentermine bereits Früchte. Die Wartezeit ist hier bereits um sechs Monate reduziert worden, verkündete Wiederkehr im Mai. Doch bis die Anwärter alle Einkommensteuerbescheide, Mietverträge und Leumundszeugnisse (auch aus dem Ausland) beisammenhaben, vergehen Monate. Auf einen Termin zur Antragstellung selbst wartet man wieder ein Jahr.

Singh spricht in diesem Zusammenhang von rechtlichen "Fallstricken". Bei den Veranstaltungen würden die Menschen nun merken, dass es nicht die MA 35, "sondern das Gesetz ist, das schikanös ist".

Damit greift sie den Lieblingskritikpunkt von Georg Hufgard-Leitner auf. "Die komplexen Gesetze bringen einen massiven Aufwand mit sich", sagt der Leiter der MA 35 im STANDARD-Gespräch. Außerdem hätten sich die Anträge seit 2014 verdreifacht. Die zähe Gesetzesmaterie führe auch zu längeren Einschulungszeiten, was wiederum den Einsatz neuer Mitarbeiter verzögere – 93 sollen im Herbst nachrücken.

Bessere "Performance" durch Tempo

Doch wie schaut es mit den behördeneigenen Baustellen aus? Hier verweist der Chef auf eine stärkere "Performance". Nicht nur vereinfache die Online-Terminvergabe das Leben aller, auch bei den Verfahren im Bereich Einwanderung sei man um 28 Prozent schneller geworden.

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Die MA 35 will, dass man sich willkommen fühlt: Der Eingangsbereich in der Dresdner Straße wird neu gestaltet.
Regine Hendrich

Eingebunden wurden für die Reform auch verstärkt NGOs. "Die strukturellen Bemühungen sind jedenfalls wahrzunehmen", sagt die Wiener Fremdenrechtsanwältin Julia Ecker. Sie spricht von einem verbesserten Austausch mit der Behörde für Anwältinnen. "Für die Antragsteller:innen schaut es aber oft noch anders aus", räumt sie ein. Ärgerlich sei, dass die direkte Kommunikation mit den Referaten nach wie vor schwer möglich sei – dadurch komme es immer wieder zu erheblichen Verzögerungen.

Auch Peter Marhold vom Verein Helping Hands kann sich "die Beschleunigung" nicht erklären. Ein Dauerbrenner sei, dass die MA 35 Studierenden aus dem Ausland bewusst Steine in den Weg lege. "Eigentlich könnten sie mit einem Zulassungsbescheid ihren Aufenthaltstitel abholen und mit dem Studium starten." Doch weil die MA 35 auf die Inskriptionsbestätigung poche, würde deren Übergangsvisum ablaufen. Die Folge: Sie müssten wieder ausreisen.

Ein "guter Weg" als schwacher Trost 

Die Order dafür dürfte aus dem Innenministerium kommen, wie es aus MA-Kreisen heißt. Auch Georg Hufgard-Leitner verteidigt sich: "Es ist nicht etwas, das dem Gesetz widerspricht." Hier seien ihm jedoch die Hände gebunden, meint er. Die noch offenen Baustellen wie etwa "eine bessere Kundenkommunikation" will er nicht kleinreden. Mit Blick auf die Zielsetzung 2024 sei man jedoch "gut auf dem Weg". Für Wartende dürfte das jedoch ein schwacher Trost sein. (Elisa Tomaselli, 3.8.2023)