Noch ist ist die Sache mit dem Bier nicht endgültig entschieden.
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Im Gastbeitrag erklärt Martina Stranzinger-Maier, warum derzeit Gerichte den Brauprozess rechtlich analysieren.

Biertrinker wissen: Ein Schluck kühles Bier an einem heißen Sommertag kann herrlich erfrischend sein. Aber kann es auch CO2-neutral gebraut werden? Daran hat sich eine rechtliche Debatte entzündet.

Was ist passiert? Ein Werbespot, der eine idyllische Naturlandschaft zeigt; Wanderer, die die frische Bergluft genießen, und dann ein nachhaltiges Bier, das den Durst stillt und zugleich CO2-neutral gebraut wird – so wird es am Ende des Spots eingeblendet. Auch auf dem Flaschenetikett findet sich der Hinweis auf den CO2-neutralen Brauprozess. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) kritisiert, dass dies nur ein Teil der Wahrheit sei. Das Brauen sei nur ein Aspekt der Wertschöpfungskette, und auch die Erzeugung der erforderlichen Rohstoffe, der Transport und die Kühlung des Bieres verursachten einen CO2-Fußabdruck, so der VKI. Die Werbeaussage sei für die Kunden daher irreführend, weshalb Klage erhoben wurde.

Irreführende Werbung?

Bei der Beantwortung der Frage, ob es sich um eine irreführende Werbeaussage handelt, muss zunächst eine Reihe von Punkten geklärt werden: Wie verstehen durchschnittlich informierte und verständige Interessenten für das Produkt die Werbeaussage? Entspricht dieses Verständnis, das in der Werbung vermittelt wird, objektiven und belegbaren Tatsachen? Und wäre eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet, die Interessenten zu einer Kaufentscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten?

Zur Klärung dieser Punkte musste das Landesgericht Linz tief in die Kunst des Bierbrauens eintauchen. Was bedeutet "gebraut" eigentlich? Jeder weiß, dass Bier aus Wasser, Hopfen und Malz hergestellt wird, unklar ist jedoch, wo genau der Brauprozess beginnt und wo er endet. Der Kern des Rechtsstreits drehte sich um die Herstellung des Malzes, einen Produktionsschritt, bei dem Getreide zum Keimen gebracht und dann getrocknet wird. Dazu benötigt man Energie, die mitunter aus fossilen Brennstoffen stammt. Die Brauerei argumentierte ihre Werbung damit, dass das Mälzen nicht Teil des eigentlichen Brauprozesses sei und zudem von anderen Unternehmen durchgeführt bzw. das Malz zugekauft werde. Tatsächlich deckt besagte Brauerei ihren Strom- und Wärmebedarf am Standort zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energiequellen. Doch die Frage bleibt: Ist das genug?

Transparenz entscheidend

Die Darstellungen des Brauprozesses im Internet sind uneinheitlich. Einige Quellen stellen das Mälzen als Teil des Brauprozesses dar. Andere beginnen die Beschreibung mit dem Maischen, nachdem das Malz bereits hergestellt wurde. Aufgrund dieser Diskrepanzen kam das Gericht daher zu der Ansicht, die Werbeaussage "CO2-neutral gebraut" sei für die Kunden unklar und damit irreführend. Der durchschnittliche Biertrinker verstehe zwar, dass nur das Brauen CO2-neutral ist und nicht die gesamte Wertschöpfungskette des Biers. Es werde aber offengelassen, welche konkreten Schritte im Brauprozess CO2-neutral sind.

Erschwerend kam hinzu, dass beim Internetauftritt der Brauerei das Mälzen explizit als Teil des Brauprozesses dargestellt wurde. Interessierte Biertrinker, die sich auf der Webseite informierten, könnten – so die Ansicht des Erstgerichts – den unrichtigen Eindruck gewinnen, auch das Mälzen erfolge CO2-neutral.

In Zeiten des Klimawandels sind nachhaltige Geschäftspraktiken, aber auch Transparenz und Nachvollziehbarkeit entscheidend. Während besagte Brauerei erwähnenswerte ökologische Schritte unternimmt, zeigt dieser Fall auf, wie komplex und vielschichtig das Thema Nachhaltigkeit in der Praxis sein kann. Die Werbung mit Nachhaltigkeitsthemen muss hohen Anforderungen genügen. Unternehmen müssen klar und ehrlich mit ihren Kundinnen und Kunden kommunizieren.

Die Gerichte verfolgen bei grünen Werbeversprechen einen strengen Ansatz, zumal aufgrund der Emotionalität des Themas eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Kaufentscheidung von Kundinnen und Kunden beeinflusst wird. Unternehmen sind daher gut beraten, äußerst sorgfältig darauf zu achten, dass sie ihre nachhaltigen Bestrebungen korrekt kommunizieren, um Fallstricke und rechtliche Risiken zu vermeiden, denn ehrliche Bemühungen im Bereich der Nachhaltigkeit sollen kein unangenehmes rechtliches Nachspiel haben.

Ausgang noch offen

Besonders bei Unternehmen, die ihre Marke auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung aufgebaut haben, können Greenwashing-Vorwürfe und die damit verbundene negative Aufmerksamkeit den hart erarbeiteten guten Ruf ernsthaft beschädigen oder sogar zerstören. Besonders schwerwiegend ist die in solchen Fällen regelmäßig verhängte Pflicht zur Urteilsveröffentlichung.

Da in der Brauerei-Causa keine der beiden Parteien vom Gericht vollumfänglich recht bekommen hat, haben auch beide Seiten Berufung erhoben. Bis zur finalen Entscheidung: Prost auf ein nachhaltiges Genießen! (Martina Stranzinger-Maier, 6.8.2023)