Wichtige technologische Entwicklungsstufen der Menschheitsgeschichte spiegeln sich oft in der Benennung der dazugehörigen Zeitalter wider. Auf die Steinzeit, in der keine Metallwerkzeuge hergestellt werden konnten, folgten Kupfer- und Bronzezeit und schließlich die Eisenzeit. Eisen verlangte mit seinem hohen Schmelzpunkt von über 1.500 Grad Celsius besonderes Geschick, wenn es um die Herstellung von Werkzeugen und Waffen ging. Als das gelang, änderte sich die Lebensweise der Menschen für immer. Mit dem haltbaren, widerstandsfähigen Eisen ließen sich überlegene Geräte und Waffen herstellen, auf die die Menschheit fortan nicht mehr verzichten wollte.

Eine Pfeilspitze aus Meteoriteneisen, die in Mörigen in der Schweiz gefunden wurde. Das Eisen hat eine lange Reise hinter sich.
Sammlung Bernisches Historisches Museum, Thomas Schüpbach

Der Übergang vollzog sich, mit regionalen Unterschieden, um etwa 1000 vor Christus. Doch auch aus der Zeit davor gibt es verblüffende Eisenfunde. Sie stammen von Meteoriten, die Eisen in Reinform enthielten und geformt werden konnten. 55 Objekte sind es insgesamt, die bisher in Europa, Afrika und Asien gefunden wurden, davon stammen 19 Stück aus dem Grab des Pharaos Tutanchamun.

Ein solches Objekt aus Meteoriteneisen befindet sich im Besitz des Bernischen Historischen Museums in der Schweiz. Es handelt sich um eine Pfeilspitze, 39 Millimeter lang und 2,9 Gramm schwer. Sie wurde im 19. Jahrhundert bei der Ausgrabung einer bronzezeitlichen Pfahlbaustation bei Mörigen am Bielersee in der Schweiz gefunden und ist etwa 2.900 Jahre alt.

Untersuchung ohne Beschädigung

Nun interessierte sich ein Team des Naturhistorischen Museums Bern unter Leitung des Geologen Beda Hofmann für die kostbare Pfeilspitze. Alle Untersuchungen müssen nichtinvasiv sein, um das Stück nicht zu beschädigen. Dazu arbeitete das Team mit Marc Schumann von der Universität Freiburg zusammen, der über Möglichkeiten verfügt, Gammaspektrometrie durchzuführen. Gammastrahlung ist radioaktive Strahlung, bei der es sich im Prinzip um extrem hochfrequentes Licht handelt. Wird ein Material damit bestrahlt, streuen die Atome die Strahlung, woraus sich Information über die Zusammensetzung gewinnen lässt. Zusätzlich fand eine Reihe anderer Untersuchungsmethoden Anwendung, darunter Lichtmikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie, Röntgentomografie, Röntgenfluoreszenz sowie myoneninduzierte Röntgenspektrometrie.

Zuerst ging es darum zu verifizieren, dass es sich tatsächlich um Meteoriteneisen handelt. "Mit Gammaspektrometrie können wir von jeder beliebigen Probe einen radioaktiven Fingerabdruck erstellen und auch relativ kurzlebige Isotope finden", sagt Schumann. Isotope sind chemische Elemente mit veränderter Anzahl an Neutronen im Atomkern. Diese Varianten haben identische chemische Eigenschaften, lassen sich aber anhand des Atomgewichts unterscheiden und sind manchmal radioaktiv. Sie können durch kosmische Strahlung entstehen, die Produktion mancher Isotope finde nur im Weltall statt, sagt Schumann. Tatsächlich gelang es, Aluminium-26 in der Pfeilspitze zu finden, das aus dem Weltall stammen muss. "Damit konnten wir den zweifelsfreien Beweis erbringen, dass es sich bei dem Material um einen Meteoriten handelt, der über lange Zeit im Weltall der kosmischen Strahlung ausgesetzt war", freut sich Schumann.

Der britische Archäologe Howard Carter über dem Sarkophag des Pharaos Tutanchamun, hier auf einem Bild aus dem Jahr 1922. Im Grab des Pharaos, der in der Bronzezeit lebte, fanden sich 19 Eisenobjekte, die aus Meteoriten gefertigt wurden.
IMAGO/UIG

Nicht aus der Umgebung

Weitere Untersuchungen brachten aber eine Überraschung. In der Schweiz findet man eigentlich Meteoriteneisen, etwa im Twannberg-Meteoritenstreufeld nahe Bern. Doch es zeigte sich, dass die Zusammensetzung der dort gefundenen Meteoriten nicht zu der Pfeilspitze passen. Der Gehalt an Nickel im Bronzezeitfund beträgt 8,3 Prozent und ist damit fast doppelt so hoch wie in den Twannberg-Meteoritensplittern. Zudem unterscheiden sie sich im Gehalt des Elements Germanium. Es dürfte sich beim Rohmaterial der Pfeilspitze um einen Meteoriten des Typs IAB gehandelt haben. Der geringe Anteil an Aluminium-26 deutet zudem darauf hin, dass es ursprünglich ein Meteorit mit einer Masse von etwa zwei Tonnen gewesen sein muss. Diese Ergebnisse wurden nun im Fachjournal "Archaeological Science" publiziert.

Meteoriten dieses Typs und in dieser Größe sind in Europa allerdings selten. Als wahrscheinlichste Quelle hat das Team den Meteoriten Kaalijarv ausgemacht. Er ging um etwa 1500 v. Chr. in Estland nieder. Dabei entstanden mehrere Krater mit bis zu 100 Metern Durchmesser und viele kleine Splitter. Aus einem von ihnen dürfte die Pfeilspitze gefertigt worden sein. Diese Theorie soll nun mit Untersuchungen an Meteoritenfragmenten in Europas Museen geprüft werden.

"Das Besondere an diesem Projekt ist, dass wir höchst interdisziplinär gearbeitet haben und Methoden aus so unterschiedlichen Bereichen wie Archäologie, Meteoritenforschung und Teilchenphysik zusammengebracht haben", freut sich Schumann. (Reinhard Kleindl, 5.8.2023)