Belvedere Nazim Ünal Yilmaz
Aktuelle Malerei: "Big Fish, Small Fish" von Nazım Ünal Yılmaz, ein Werk aus dem Jahr 2020.
Foto Nazim Ünal Yilmaz, Bildrec

Achtung, es wird jetzt etwas verwirrend: Im Belvedere 21 ist derzeit das älteste jemals im Haus befindliche Stück zu sehen – und zwar in einer Ausstellung über junge Kunstschaffende. Es ist eine Arbeit von Christina Gruber, die für diese Verquerung sorgt. Die Künstlerin ist auch Gewässerökologin und zeigt im zweiten Teil der Ausstellungsreihe Über das Neue Otolithen, also Gehörsteine, die bei Mensch und Fisch sehr ähnlich ausgebildet sind. Neben von ihr glasierten Keramiken finden sich auch "Originale", genauer gesagt 10,2 Millionen Jahre alte Gehörsteine von Knochenfischen, auf der Präsentationsfläche.

Wie auch schon im ersten Teil der Ausstellungsserie im Frühjahr stellen fünf Kuratorinnen den Anspruch, das lokale Kunstschaffen möglichst breit abzubilden. Die Zusammenstellung 15 junger Künstlerinnen und Künstler sowie vierer Off-Spaces soll zeigen, wie bunt es in Österreichs Szene zugeht: Bewusst konzentriert man sich dabei nicht nur auf das Treiben in und um Wien, auch Räume aus Salzburg und Linz sind Teil der Schau, die noch bis 15. Oktober zu sehen ist.

Kein roter Faden

Auch diesmal soll sich kuratorisch kein erkennbarer roter Faden durch die Ausstellung ziehen, denn es geht einmal mehr darum, einen möglichst breit gefächerten Eindruck der Entwicklungen abzubilden. Und diese sind, wie bereits zuvor, herrlich schräg!

Auf welche Art?Jojo Gronostay, ein Shootingstar der Wiener Künstlerszene, hat für seine Serie Kreaturen leere Parfumfläschchen über Willhaben gekauft, um daraus kleine, anthropomorphe Skulpturen zusammenzusetzen. Anna Bochkova lässt dystopische Keramikstacheln aus dem Boden wachsen, Julija Zaharijević stülpt die Kuppel der Jesuitenkirche nach außen, und Sara Ghalandari baut menschliche Figuren aus den Metallstäben alter Reifröcke.

Humorige Highlights der Gruppenschau sind vor allem bei den Spaces zu finden, die für die kuratorische Gestaltung ihrer Flächen selbst verantwortlich waren: Da ist zum Beispiel das Studio Dessous, das so viel wie nur irgend möglich auf und um die zur Verfügung stehende fahrbare Wand gequetscht hat. Sitzmöglichkeiten in Form mutierter Gorillas und eines überdimensionalen Steaks sind Teil eines wunderlichen Wahnsinns. Bei der Kulturdrogerie fungieren eingelegte Gurken als Zeugnis einer vergangenen Gurken Intervention. Der Projektraum Laurenz hat eine fiktive Lounge zum Kaffeetrinken aufgebaut, in der die Kunstwerke von Bianca Pedrina und Hiroshi Takizawa als Aufdrucke auf den Zuckerpackerln versteckt sind. Wer das sehen will, darf nicht zu lange zögern: In einer Midissage am 2. September wird noch einmal durchgefegt und Platz für vier neue Off-Spaces gemacht.

Die rollende Ausstellungsarchitektur des Architekturkollektivs AKT tut auch diesmal ihren dynamischen Zweck, von der eifrig kommunizierten Flexibilität ist dennoch nur wenig zu erkennen. Ob man mit allen Exponaten etwas anzufangen weiß oder zuweilen vor Verwunderung die Stirn runzeln mag: Spaß ist in der knallbunt bestückten Ausstellung jedenfalls vorprogrammiert.