Auf die Freiheit wird Russlands bekanntester Oppositionspolitiker nach dem Urteil vom Freitag 19 Jahre im Straflager warten müssen. Und zwar "unter strengem Regime", wie es heißt: Neuerdings darf Alexej Nawalny sogar manche Wörter nicht mehr laut aussprechen – wie etwa "Dach" oder "Hütte". Eine absurde Vorschrift, die noch aus Sowjetzeiten stammt.

Alexej Nawalny
Seit zwei Jahren in strengster Haft: Alexej Nawalny.
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Seine "Wohnstätte" beschreibt Nawalnys Tochter Dascha als zwei mal zwei Meter große Gefängniszelle. Den ganzen Tag dürfe er trotz Rückenschmerzen nicht liegen, das Bett sei tagsüber an die Wand geschraubt – pure Schikane. Der Staat will ihn zermürben, sogar brechen. Er will an dem 47-Jährigen ein Exempel statuieren.

In die Schlagzeilen kam der Oppositionelle einmal mehr im Sommer 2020, als er bei einer Reise nach Sibirien mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet wurde. Auf Betreiben seiner Familie wurde Nawalny nach Deutschland in die Berliner Charité ausgeflogen. Dort kämpften die Ärzte tagelang um sein Leben. Nawalny wirft dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB vor, hinter der Vergiftung zu stecken. Trotz erdrückender Indizien weist der Kreml das zurück. Bei seiner Rückkehr nach Russland wurde Nawalny noch auf dem Flughafen in Moskau festgenommen. Er kam seitdem nicht mehr frei.

Rechtswissenschaften und Börsenwesen

Geboren wurde Nawalny am 4. Juni 1976, seine Familie lebte in Obninsk, hundert Kilometer südwestlich von Moskau. Er studierte Rechtswissenschaften und Börsenwesen, war Unternehmer und ging dann in die Politik. Einige Jahre lang arbeitete er in der liberalen Oppositionspartei Jabloko, wegen nationalistischer Äußerungen musste er die Partei allerdings verlassen.

Berühmt wurde ein Video, von dem sich Nawalny heute allerdings distanziert: Er setzte kaukasische Terroristen mit "Kakerlaken" gleich. 2011 gründete er den FBK, seinen Fonds zur Korruptionsbekämpfung. Und 2013 kam er bei der Moskauer Bürgermeisterwahl auf respektable 27 Prozent der Stimmen.

Nawalny ist mit Julia Nawalnaja verheiratet, das Paar hat einen Sohn, Zahar, und eine Tochter, Dascha, die in den USA studiert. Ihr Vater sei nicht nur ein entschlossener und charismatischer Anführer, sondern auch "ein lustiger, fürsorglicher und unglaublicher Vater", schreibt Dascha im US-Magazin Time. Sie sei stolz darauf, Nawalnys Tochter zu sein, "in dem Wissen, dass er sich trotz der unmenschlichen Bedingungen gegen Putins Krieg eingesetzt hat". (Jo Angerer aus Moskau, 4.8.2023)