Rapid Knipping Hofmann
Marcus Knipping (links) und Steffen Hofmann setzen auf Langfristigkeit. Rapid soll jedenfalls wieder in die Spur kommen.
Rapid Wien

Vor dem ersten Heimspiel der Saison am Samstag gegen Altach (17 Uhr) stellten sich zwei der drei Geschäftsführer von Rapid einem Interview, einem Doppelpass. Marcus Knipping war rund 30 Jahre für Borussia Dortmund tätig und ist für den Bereich Wirtschaft zuständig. Der Deutsche sieht sich als "Innenminister", möchte die Öffentlichkeit meiden. Aber für den STANDARD machte er eine Ausnahme. Klublegende Steffen Hofmann ist der "Außenminister", die Stimme der Geschäftsführung. Markus Katzer, für den Sport zuständig, ist übrigens der Dritte im Bunde.

STANDARD: Herr Knipping, Sie sind zwei Monate im Amt, haben sich sicher schlaugemacht. Wie schaut die finanzielle Lage aus? Ist Rapid klamm?

Knipping: Ich habe mich intensiv mit den Zahlen von Rapid beschäftigt, habe mir die alten Geschäftsberichte angesehen. Wir sind mit Hochdruck dabei, die abgelaufene Saison abzuschließen, der Wirtschaftsprüfer ist im Haus. Wir werden mit einem positiven Ergebnis enden. Nicht hoch positiv, aber positiv. Die Zahlenlage ist solide, mit Stadion und Trainingszentrum haben wir in notwendige Steine investiert, deren Finanzierung ist ein Brett für den Klub. Aber ich bin der Meinung, dass wir auch ohne Transfereinnahmen Gelder in die Mannschaft investiert haben, die nicht unerheblich sind. Ich sehe nicht die Zahlen-Euphorie, die vielleicht in der Vergangenheit geäußert wurde. Die war wohl der Situation geschuldet und eventuell eine Fehlinterpretation. Aber, wie gesagt, wir sind solide aufgestellt.

STANDARD: Also nicht klamm, aber weit weg von großen Sprüngen.

Knipping: Große Sprünge sind relativ, ich bin ein konservativer Kaufmann. Ich sage nicht, wir gehen ins volle Risiko. Aber wir tun das, was wir tun können.

STANDARD: Herr Hofmann, speziell in den sozialen Medien wird Rapid kritisiert, die Stimmung ist negativ. Trainer Zoran Barisic hat darauf aufmerksam gemacht, sich über die Hetze beschwert, er wurde erst recht abgewatscht. Sein Sager, Ziel sei das Erreichen der Meistergruppe, war nicht gerade förderlich. Was kann man tun, damit die Laune der Fans steigt?

Hofmann: Entscheidend ist, was am Wochenende im Stadion passiert. Wenn die Burschen so gute Leistungen bringen wie zum Auftakt beim 1:1 in Linz gegen den LASK, wird die Stimmung besser. Dass bei uns immer was los ist, ist eh bekannt, gegen persönliche Diffamierungen auf Social Media werden wir uns gegebenenfalls zur Wehr setzen. Für uns ist wichtig, den Weg, den wir eingeschlagen haben, konsequent weiterzugehen. Auch wenn von Anhieb an nicht alle begeistert sind. Wir müssen hart arbeiten, damit wir den Klub dort hinbringen, wo wir ihn sehen wollen. Vorne.

STANDARD: Kann man den Weg konkretisieren?

Hofmann: Mit der Mannschaft, die wir haben, erfolgreich sein oder werden. Mit den eigenen Jungen, die wir ausbilden. Zum Beispiel war die Vorstellung des 19-jährigen Nikolas Sattlberger im defensiven Mittelfeld gegen den LASK richtig gut. Natürlich geht es nicht mit elf Jungen, wir brauchen routinierte Leute von außen, die helfen, sie unterstützen. Der Umgang muss offen und ehrlich sein, intern und nach außen. Allerdings dürfen wir gewisse Interna nicht öffentlich kommunizieren, das würde unsere Wettbewerbsfähigkeit schmälern.

STANDARD: Was ist in den vergangenen Jahren, fast Jahrzehnten, schiefgelaufen? Warum stagniert Rapid, weshalb unterliegt der Anspruch oft der Wirklichkeit? Frei nach dem Motto: Jährlich grüßt das Murmeltier.

Knipping: Zur Vergangenheit möchte ich mich grundsätzlich nicht äußern. Die Vergangenheit ist etwas, mit der ich als Wirtschaftgeschäftsführer leben muss und kann. Ich will nicht werten. Wir blicken in die Zukunft, ich will die Kampfmannschaft unterstützen, mit einem soliden Maß an Ehrlichkeit und Transparenz. Wir wollen zurück zu alten Erfolgen. Gemeinsam mit den Mitarbeitern, die willig sind und Bock haben. Es ist ein langfristiges Projekt. Langfristigkeit ist im Bereich Sponsoring gut. Für mich ist die Langfristigkeit gegeben, sonst wäre ich nicht mit meiner Familie samt drei schulpflichtigen Kindern nach Wien gezogen. Rapid ist keine Episode, ich will etwas bewegen. Mit Steff an der Seite.

Hofmann: Wir wollen nicht in der Vergangenheit leben, das haben wir zu oft getan. Wir müssen zukunftsorientierter sein. Der Anspruch war in der Tat mitunter weit entfernt von der Wirklichkeit. Das muss sich ändern. Natürlich werden wir Rückschläge erleiden, wenn man vermehrt auf junge Spieler setzt. Das gehört dazu, ist ein Lernprozess.

STANDARD: Aber Platz sechs als Ziel ist keine Vision, keine Perspektive. Auch wenn es die Wahrheit ist. Ist Spitzensport nicht immer auch Selbstbetrug?

Hofmann: Das Ziel Meistergruppe ist ja nur ein Zwischenziel, da wurde Barisic falsch interpretiert. Man kann es niemandem recht machen, Platz sechs wär fast krank. Zu sagen, wir wollen total angreifen, wäre auch nicht sinnvoll, weil es nicht realistisch ist. Wir wollen jetzt einmal Altach schlagen, und alle sollen mit einem guten Gefühl aus dem Allianz-Stadion gehen. Und wir hätten drei Punkte mehr.

STANDARD: Red Bull Salzburg ist in einer eigenen Liga, hat andere Möglichkeiten, darüber zu diskutieren oder zu jammern ist langweilig. Aber was macht Cupsieger Sturm Graz besser? Die haben aus den Transfers von Höjlund und Emegha mehr als 30 Millionen Euro lukriert.

Hofmann: Wir können von Salzburg lernen, wir können von Sturm lernen. Mit den Transfers hat Sturm einen Superjob gemacht, ein großartiges Scouting. Da heißt nicht, dass unser Scouting schlecht ist. Manchmal ist aber die Tür für einen bestimmten Spieler zu.

STANDARD: Salzburg nimmt für 16- oder 17-Jährige mitunter vier oder mehr Millionen in die Hand. Siehe Adeyemi, siehe Haaland, der Rest ist Geschichte. Wäre so etwas für Rapid denkbar?

Knipping: Ich würde das nicht an Summen festmachen, der Nachwuchsbereich von Rapid ist sensationell gut aufgestellt. Wir haben Spieler, die in Zukunft wirtschaftliche Erfolge bringen werden. Die Früchte der Akademie werden wir erst in den nächsten Jahren ernten.

STANDARD: Rapid ist ein Mitgliederverein, was schön und romantisch ist. Aber ist das noch zeitgemäß? Braucht es nicht doch Investoren? Sie müssen ja nicht aus Saudi-Arabien kommen.

Knipping: Ich bin auch Mitglied. Das Investorenthema habe ich öfters gehört rund um Rapid. Es ist die Frage, was du willst und was nicht. Kurzfristige Sponsorengelder, indem du Anteile weggibst, sind nett und schön, aber du musst es langfristig betrachten. Rapid ist in einer Situation, in der man sich auf sich selbst konzentrieren muss.

Hofmann: Investoren sind kein Thema, darüber braucht man sich nicht zu unterhalten. Ohne Zustimmung der Mitglieder passiert nichts.

STANDARD: Präsident Alexander Wrabetz sagte bei Amtsantritt, Ziel sei ein Umsatz von 60 Millionen. Was schwebt Ihnen vor?

Knipping: Ich will in der Öffentlichkeit nicht mit Zahlen und Millionenbeträgen jonglieren. Der Klub muss professionell aufgestellt und geführt werden. Rapid hat ein irrsinniges Potenzial. Ich hatte anfangs das Gefühl, dass manche Mitarbeiter mit angezogener Handbremse arbeiten. Die wurde gelöst.

STANDARD: Ist ein Vergleich mit Dortmund zulässig oder hinkt er? Rapid, eine Borussia für Arme?

Knipping: Die Intensität der Fanbase ist identisch, nur kleiner. Es gibt viele Parallelen in anderen Dimensionen. Man brennt für den Klub, die Leute lechzen danach, dass der Erfolg nach Hütteldorf beziehungsweise Dortmund kommt.

STANDARD: So ehrenwert und alternativlos es auch sein mag: Reicht es für Rapid, ein Ausbildungsverein zu sein? Und ist es nicht durch den Abstieg der Zweiermannschaft in die Ostliga schwieriger geworden?

Hofmann: Natürlich waren wir über den Abstieg nicht glücklich, er ist passiert. Aber wir wissen aus der Vergangenheit, dass ein Mert Müldür, ein Max Wöber oder ein Yusuf Demir nie in der Zweiten Liga, sondern in der Ostliga gespielt haben. Da machen wir uns weniger Sorgen. Die Akademie und die Ausbildung müssen das Fundament des Ganzen sein. Dann holen wir noch ein paar Leute von außen, etwa Matthias Seidl und Nenad Cvetkovic.

STANDARD: Sie sprechen beide von Langfristigkeit. Aber Fußball ist auch eine recht kurzfristige Angelegenheit. Was steht oben auf der To-do-Liste?

Hofmann: Der Aufbau des Frauen- und Mädchenfußballs. Ich schaue, dass die Akademie funktioniert. Sportgeschäftsführer Markus Katzer schaut, dass er noch den ein oder anderen Transfer tätigt, egal in welche Richtung. Und Trainer Barisic schaut, dass wir Spiele gewinnen.

STANDARD: Wann kommt der Zeitpunkt, zu dem man bei Rapid vor einer Saison sagen kann: Ja, wir wollen und können um den Meistertitel mitspielen? Sturm Graz kann das jetzt schon.

Hofmann: Das kann ich nicht seriös beantworten. Aber ich glaube, es muss das Ziel sein. Nicht dieses Jahr, nicht im nächsten. Aber irgendwann ist die Zeit reif.

Knipping: Das sehe ich genauso. Voraussetzung ist, solide im wirtschaftlichen Bereich zu sein. Sponsoren halten, Sponsoren finden.

STANDARD: Wühlen wir in Wunden: Der letzte Titel wurde 2008 gewonnen. Rapid betont immer den Rekordmeister, das Religiöse, die tolle grün-weiße Familie. Sollte man die Vergangenheit nicht hinter sich lassen? Sie wirkt wie ein Hemmschuh.

Hofmann: Natürlich sind wir stolz auf die Vergangenheit. Aber wir leben im Hier und Jetzt. Von der Vergangenheit werden wir uns, wie bereits gesagt, nichts kaufen können. (Christian Hackl, 5.8.2023)