Deutsche Exportwirtschaft - Container in Schwarz Rot Gold mit Weltkarte im Hintergrund Symbolbild zum Thema Exportnation
Deutsche Unternehmen fahren die Produktion aktuell unerwartet stark herunter. Laut der Beratungsfirma Sentix droht diese Entwicklung zur Belastung für die ganze Eurozone zu werden.
IMAGO/IlluPics

Es sieht nicht nur nach einem leichten Schnupfen aus. Das monatliche Barometer der Beratungsfirma Sentix für die Konjunkturerwartungen von Börsianern fiel für Deutschland zum vierten Mal in Folge und sackte auf den tiefsten Wert seit Oktober 2022. "Die größte Volkswirtschaft der Eurozone entwickelt sich zum kranken Mann und belastet die Region", sagt Sentix-Geschäftsführer Patrick Hussy. Offenbar mache die deutsche Wirtschaft eine Vollbremsung.

Woher kommt die Annahme? Deutsche Unternehmen haben ihre Produktion im Juni überraschend stark gedrosselt. Damit schüren anhaltend trübe Wirtschaftsdaten die Debatte um Konjunkturhilfen der deutschen Regierung. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen um 1,5 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das deutsche Statistikamt am Montag mitteilte. Fachleute hatten nur mit minus 0,5 Prozent gerechnet.

Vereinzelt gibt es allerdings auch gute Nachrichten für die deutsche Konjunktur. So verbuchte etwa die Industrie im Juni überraschend den stärksten Auftragszuwachs seit drei Jahren. Die Bestellungen legten dank Großaufträgen – insbesondere aus der Luft- und Raumfahrtbranche – um sieben Prozent im Vergleich zum Vormonat zu.

Wenig Grund zur Freude

Sowohl deutsche Ökonomen als auch Vertreter des Wirtschaftsministeriums sehen darin vorerst dennoch keinen Grund zum Jubeln. Angesichts der schwachen Weltkonjunktur blieben die Aussichten vorerst verhalten. In der Deutschen Industrie- und Handelskammer spricht man von einem fortgesetzten Abwärtstrend. "Hohe Energiepreise, steigende Zinsen, Fachkräftemangel gepaart mit einer lahmen Weltkonjunktur bremsen die Industrie weiterhin." Besserung sei nicht in Sicht.

Angesichts der schlechten Wirtschaftsdaten gerät die deutsche Ampelregierung unter Druck. Die oppositionelle Union fordert beispielsweise ein Fünf-Punkte-Sofortprogramm, das die Senkung der Stromsteuer und Netzentgelte sowie ein Moratorium für Bürokratieauflagen für Firmen enthält.

"Rezessionsmodus"

Dabei gibt es mit Blick auf die ganze Eurozone einen leichten Aufwärtstrend, der Sentix-Index stieg im August um 3,6 Zähler auf minus 18,9 Punkte. Das war der erste Anstieg des Barometers nach drei Rückgängen in Folge. Befragte Ökonomen hatten mit einem weiteren Rücksetzer gerechnet. Das dürfte den Pessimismus der rund 1200 von Sentix befragten Investorinnen und Investoren aber wohl nur wenig schwinden lassen. Die Anleger seien keineswegs positiv für die Wirtschaftsentwicklung gestimmt, die erwartete Geschwindigkeit der Verschlechterung lasse nur nach: "Damit verbleibt Anfang August 2023 die Konjunktur in der Eurozone im Rezessionsmodus", meint Sentix-Chef Hussy.

Auch dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge schwächt sich der Welthandel weiter ab. Ursache dürften vor allem die weltweit eingetrübten Konjunkturaussichten sein. "Die konjunkturelle Eintrübung hat Europa fest im Griff, in den wirtschaftlich stärksten Ländern Deutschland und Frankreich war die Stimmung in den Unternehmen in den letzten zehn Jahren nur im Pandemiejahr 2020 noch schlechter", sagte der IfW-Fachmann und Leiter des Kiel Trade Indicator, Vincent Stamer. "Das macht sich jetzt auch in den Handelszahlen bemerkbar."

Weniger Schiffe unterwegs

Ins Bild der schwachen Handelszahlen im Juli passt laut IfW auch die leicht rückläufige Aktivität auf den Weltmeeren. Die Menge an verschifften Standardcontainern sank auf rund 13,7 Millionen und damit um ein Prozent unter ihr Zwischenhoch im Mai und nunmehr vier Prozent unter ihr Allzeithoch im Frühjahr 2022. Die Staus in der Containerschifffahrt gehen demnach leicht zurück, und die Menge an verschifften Waren im Roten Meer, der wichtigsten Seehandelsroute zwischen Europa und Asien, fiel um rund 50.000 Standardcontainer und liegt damit 13 Prozent unter dem zu erwartenden Wert. (and, Reuters)