Ein Taucher in einem Feld von Amphoren, die mit Nummernschildern gekennzeichnet sind.
In Wracks wie dem des vor Spanien gesunkenen Schiffs Illes Formigues II, hier auf einer Aufnahme von 2018, wurden zahlreiche Amphoren gefunden.
APA/ÖAW-ÖAI/H. GONZALEZ CESTEROS

Die lebhafte Diskussionen über eine Norm für die Form von Gurken in der EU ist manchen vielleicht noch in Erinnerung. Vielfach geht es bei solchen Standards um effizienten Transport, der letztlich Ressourcen spart.

Dieses Argument führte auch in antiker Zeit schon zu überregionaler Vereinheitlichung. Ab dem ersten Jahrtausend vor Christus gab es im Mittelmeerraum standardisierte Transportgefäße, die man als vorindustrielle Frachtcontainer-Vorläufer ansehen kann. Untersuchungen von Transportamphoren aus dem gesamten Mittelmeerraum, die ein internationales Team mit Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Stanford University und der Universidad Complutense de Madrid durchführte, lieferten nun Hinweise auf die stark vernetzte und komplexe Wirtschaftsweise in damaliger Zeit.

Amphoren wurden in der Antike für den Transport von flüssigen und halbflüssigen Waren im gesamten Mittelmeergebiet eingesetzt. Die Forschenden haben nun Ergebnisse zu den Gefäßen aus vorrömischer, römischer und byzantinischer Zeit – also über einen Zeitraum von fast 2.500 Jahren – in einer neuen Publikation vorgestellt. "Die Standardisierung fängt im 8. Jahrhundert vor Christus im nordafrikanischen Raum an, ist dann aber vor allem ein Phänomen der hellenistischen und römischen Zeit," erklärt der beteiligte Madrider Archäologe Horacio González Cesteros.

Drei gut erhaltene, bauchige Amphoren liegen auf dem Boden
Drei der Amphoren vom Wrack des Schiffs Illes Formigues II.
APA/ÖAW-ÖAI/H. GONZALEZ CESTEROS

Tragekomfort und Schiffstransport

Man verstünde laut dem Forscher nun besser, wie landwirtschaftliche Massenprodukte verpackt und effizient über große Entfernungen transportiert wurden. So existierten Standardformen, die beispielsweise gut von einer Person allein zu tragen waren oder sich für den Transport auf dem Landweg, auf Fluss oder Meer gleichermaßen eigneten. Der Grund für den Einsatz sei hauptsächlich die damit einhergehende Effizienzsteigerung gewesen, wie bei heutigen Frachtcontainern, beispielsweise den bekannten ISO-Containern auf Schiffen, Zügen und Lastwägen.

In mehreren Fallstudien hat das Team die Form, das Fassungsvermögen, Stempel und Beschriftungen, die Materialzusammensetzung und die Handwerkstechniken im Zusammenhang mit den Amphoren aus der jeweiligen Periode ermittelt und verglichen. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter setzten die Funde dann in Beziehung zu historischen Entwicklungen und Ereignissen. Diese hätten direkten Einfluss auf die Herstellung gehabt: Ein Anstieg der Produktion von Amphoren für Olivenöl in Südspanien ist beispielsweise durch die römische Eroberung Germaniens zu erklären, da die Versorgung der Truppen gewährleistet werden musste.

Standardisierung trotz Handarbeit

Produktionsstätten passten sich so immer wieder an veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen an: Generell habe erhöhte Nachfrage zur Einführung neuer Amphorenformen geführt, während variantenreichere, lokale Formen verschwunden sind. "Bei großer Konsumstärke wird in den Produktionsstätten immer wieder die gleiche Form und Kapazität hergestellt. Das ist ein Prozess, der sehr viel mit Wirtschaftswachstum zu tun hat", sagt Cesteros.

Geliefert wurde auch über die Grenzen des Reichs hinweg in die gesamte damals bekannte Welt und sogar bis nach Indien. "Industriell" ist die Produktion trotzdem nie gewesen: "Die Standardisierung der Amphoren ging nicht mit Industrialisierung, extremer Spezialisierung und Massenproduktion einher. Denn anders als heute wurden die Produkte von den Töpfern handgefertigt, womit eine gewisse Abweichung vom Standard unvermeidbar war", erklärt der Archäologe.

Auch die Grabungen in Ephesos, die vom Österreichischen Archäologischen Institut der ÖAW geleitet werden, spielten eine Rolle für die Forschungen. Ephesos sei durch seine Lage an der Westküste der heutigen Türkei für das Römische Reich immer schon wichtig gewesen, sagt der Forscher. In byzantinischer Zeit sei der Einfluss sogar noch gewachsen. Ab dem siebenten Jahrhundert sei dann der Abschwung zu bemerken, auch bei der Produktion an Gefäßen. Damit habe auch der Grad der Standardisierung abgenommen, sagt Cesteros. (9.8.2023)