Mitte August beschäftigt der Schmetterlingseffekt die österreichische Innenpolitik: Wie hätte sich der Lauf der Dinge verändert, wenn jemand vor vielen Jahren eine kleine Entscheidung ganz anders getroffen hätte? Eva Glawischnig hat Herbert Kickl geküsst, sagt die ehemalige Grünen-Chefin. Damals, in den 80ern, beim Flaschendrehen auf der Party zu ihrem 14. Geburtstag. Glawischnig ist das im Interview mit Krone-TV offensichtlich mehr oder weniger rausgerutscht, jedenfalls schien sie die Offenbarung recht rasch zu bereuen.

Ein Porträt-Foto von Eva Glawischnig.
Eva Glawischnig, Grünen-Chefin bis zu ihrem Rücktritt im Jahr 2017.
Christian Fischer

Dass Glawischnig und Kickl in Kärnten gemeinsam in die Schule gegangen sind, war schon lange bekannt. Und die Grundlage für die Frage von ORF-Satiriker Peter Klien: "Wäre nicht vielleicht alles ganz anders gelaufen, wenn Sie ihn damals in der Oberstufe geküsst hätten?" Klien konfrontierte die damalige Grünen-Chefin am Abend des ersten Wahlgangs der Bundespräsidentenwahl 2016 mit seiner Theorie – damals herrschte in weiten Teilen des Landes gerade der Schock über den ersten Platz für FPÖ-Kandidat Norbert Hofer.

Die falsche Frage

Glawischnig fand Kliens Frage gar nicht lustig, das erscheint heute in einem ganz anderen Licht. Denn wenn der Schmusebericht der Ex-Politikerin den Tatsachen entspricht – Kickl hat sich dazu noch nicht geäußert, warten wir ab, was sich die blauen Kommunikations-Masterminds überlegen –, dann stellt sich eine ganz andere, viel heiklere Frage, die Armin Wolf in der "Zeit im Bild 2" stellte: "Was wäre passiert, hätte sie damals Nein gesagt?"

Was Glawischnig aber ernsthafter beschäftigen könnte, ist ein anderer Fall des Schmetterlingseffekts. Mitte August im Jahr 2023, es herrscht Sommerloch – und die Meldung über den Kickl-Kuss rauscht durch alle Medien, sogar die seriösesten. Hätte Glawischnig auf Kliens Frage im Jahr 2016 schlicht geantwortet: "Ich habe ihn eh einmal geküsst, beim Flaschendrehen mit 14", wäre die Nachricht an diesem historischen Wahlabend eine skurrile Randnotiz geworden. Kleiner Flügelschlag, große Wirkung. (Sebastian Fellner, 10.8.2023)