Der Mensch ist mit dem Verbrennen fossiler Brennstoffe der Haupttreiber der Erderwärmung. Ein kleiner Teil dieser Aktivitäten hat(te) allerdings auch kühlende Effekte: Die "schmutzigen" Treibstoffe beispielsweise, die bis zu ihrem Verbot 2020 in der Schifffahrt Verwendung fanden, dürften aufgrund des Schwefeldioxids, den sie bei der Verbrennung in die Atmosphäre bliesen, kühlende Effekte auf den Nordatlantik gehabt haben. Ähnliches galt für Chinas Kohlekraftwerke, die ebenfalls lange Zeit wahre Aerosolschleudern waren.

Die künstliche Verdunkelung der Sonne gilt denn auch als eine der vergleichsweise machbaren Maßnahmen, die unter dem Stichwort (solares) Geoengineering seit einigen Jahren mit zunehmender Dringlichkeit diskutiert werden. Dass solche technischen Methoden, die das Klima kühlen könnten, immer mehr Aufmerksamkeit finden, liegt auch daran, dass sich das Zeitfenster, in dem sich der globale Temperaturanstieg auf unter zwei Grad plus im Vergleich zur vorindustriellen Ära beschränken lässt, schnell schließt.

Menschen vor Sonnenaufgang
Was passiert, wenn man die Sonne künstlich abdunkelt? Schweizer Forschende rechneten einige Szenarien durch.
IMAGO/Richard Ellis

Kipppunkte als Nagelprobe

Zudem gibt es mögliche Kipppunkte, die wir womöglich sogar noch früher erreichen. Dazu zählt etwa das Abschmelzen des Eises in der Westantarktis, wenn erst einmal der Doomsday-Gletscher den Weg dafür freimacht. Ist hier erst einmal eine kritische Schwelle überschritten, könnte das für die nächsten Jahrhunderte einen unaufhaltsamen starken Anstieg des Meeresspiegels zur Folge haben.

Allerdings werden die Geoengineering-Methoden in der Klimaforschung nach wie vor mehrheitlich kritisch beurteilt: Sie gelten als risikobehaftet, und ihre Folgen sind unklar. Aber was genau ist dabei zu befürchten? Wie schnell könnten diese Maßnahmen überhaupt greifen?

Der Schweizer Klimaforscher Johannes Sutter (Uni Bern) hat deshalb mit einem Team in Modellen die Auswirkungen und Risiken eines "Managements der Sonneneinstrahlung" – englisch: Solar Radiation Management (SRM) – untersucht. Dabei werden durch eine ganze Flotte von extrem hoch fliegenden Flugzeugen Millionen Tonnen Aerosole in der Stratosphäre ausgebracht, was technologisch alles andere als trivial ist.

Drei mögliche Szenarien

Konkret gehen Suter und Kollegen in der Fachzeitschrift "Nature Climate Change" der Frage nach, ob sich durch künstliche Beeinflussung der Sonneneinstrahlung das Abschmelzen des Eises in der Westantarktis rechtzeitig verhindern ließe. Für ihre Untersuchung spielten die Forschenden mehrere Szenarien durch – mit entsprechend unterschiedlichen Ergebnissen.

Gehen die Emissionen ungebrochen weiter (dem entspricht das unwahrscheinlich Extrem-Szenario RCP8.5) und erfolgt das Verdunkeln der Sonne Mitte dieses Jahrhunderts, ließe sich der Kollaps des westantarktischen Eisschildes etwas hinauszögern, aber nicht verhindern. Um die antarktische Oberflächentemperatur mittels SRM in RCP8.5 dauerhaft zu stabilisieren, müsste im Übrigen jährlich zwei- bis dreimal so viel Schwefeldioxid in die Stratosphäre eingebracht werden wie durch die Eruption des Vulkans Pinatubo im Jahr 1991 – den zweitgrößten Vulkanausbruch des 20. Jahrhunderts, in dessen Folge die globale Durchschnittstemperatur während rund eines Jahres um etwa 0,5 Grad Celsius sank.

In einem mittleren Emissionsszenario könnte sich ein bis Mitte des Jahrhunderts eingesetztes SRM als "effektives Werkzeug" erweisen, um das Kollabieren des Eisschilds zu verlangsamen oder sogar zu verhindern. Gemäß den Modellrechnungen würde das SRM wenig überraschend dann am besten wirken, wenn es möglichst früh erfolgt und mit ehrgeizigen Klimaschutzmaßnahmen kombiniert wird.

Solares Geoengineering westaltantischer Einsschild
Veränderungen der antarktischen Oberflächentemperatur im Szenario RCP8.5 (dies entspricht einem kompletten Versagen der Klimapolitik) ohne solares Geoengineering (dunkelbraune Verlaufskurve und mittlere Grafik) sowie mit dem Beginn der Sonnenverdunkelungsmaßnahmen im Jahre 2080 (hellbraune Verlaufskurve und rechte Grafik). Die Abbildungen zeigen die korrespondierende Veränderung der Eismächtigkeit (Höhe des Eises, rot bedeutet Eisverlust, blau Eiswachstum) und den Rückzug des Eises (Gründungslinie).
Johannes Sutter et al. 2023

Die Simulationen zeigen mithin wenig überraschend, dass der effektivste Weg zur Verhinderung eines langfristigen Zusammenbruchs des Westantarktischen Eisschildes eine rasche Dekarbonisierung ist. Die Chancen auf einen längerfristig stabilen Eisschild sind dann am größten, wenn die Treibausgasemissionen ohne Verzögerung auf Netto-Null reduziert würden.

Drohende Nebenwirkungen

Das solare Geoengineering ist allerdings mit einigen Nebenwirkungen behaftet, die noch kaum untersucht sind. So geht Sutter davon aus, dass die Ausbringung der Aerosole ohne Unterbrechung und über Jahrhunderte aufrechterhalten werden müsste. Würde die Intervention gestoppt, solange die Treibhauskonzentration in der Atmosphäre hoch ist, stiege die Temperatur auf der Erde nämlich sprunghaft um mehrere Grad an.

Die Folgen eines solchen Abbruchschocks seien nur eine der möglichen Gefahren, die von einem SRM ausgehen, gibt Sutter zu bedenken. Noch seien weitere potenzielle Nebenwirkungen ungenügend erforscht. Dazu zählt laut den Forschenden eine Verschiebung des Monsunregimes ebenso wie eine Veränderung von Ozean- und Atmosphärenzirkulation. Auch würde die Versauerung der Ozeane weiter voranschreiten. Zudem warnt auch er vor ungewollten politischen und gesellschaftlichen Effekten des Geoengineerings: Der Einsatz von Techniken wie dem Abdunkeln der Sonne könnte dazu führen, dass Klimaschutzmaßnahmen verlangsamt oder gar verhindert würden. (red, tasch, 14.8.2023)