
Das ist ein echter Supersportwagen, und er ist in vielerlei Hinsicht spektakulär. Das beginnt bei der Farbe unseres Testwagens, ein brüllendes Orange. Natürlich gibt es auch dezentere Farben zur Auswahl, aber wer in einem McLaren unterwegs ist, ist wohl kein Verfechter des Understatements. Auffällig ist der McLaren Artura jedenfalls. Die Leute auf der Straße zeigen mit dem Finger und rempeln andere Menschen an, damit sie auch hinschauen.
Die Türen gehen nach oben hin auf, das macht Eindruck. Das ist echt ein Superheldenfahrzeug, und nicht nur Buben liegen vor Bewunderung flach. Wenn man auf der Straße elegant die Tür noch oben gleiten lässt, gibt es Aufläufe. Wenn ich mich dann mit größtmöglicher Grazie dem Fahrzeug entwinde, lachen die Leute. Versteh ich nicht. Immerhin kroch ich nicht auf allen vieren raus.

Spektakuläre Fahrleistungen
Spektakulär ist auch der Preis. Ab 230.000 Euro ist der Artura zu haben. Mit noch nichts. Mit einer guten Ausstattung steigt der Preis. Unser Testwagen hatte mit dem vollen Carbonpackage die absolute Topausstattung und kratzt schon an der 300.000er-Marke.
Spektakulär sind auch die Fahrleistungen und die Technik des Artura. Der McLaren ist nicht nur ein Supersportwagen mit wahnwitziger Leistung, sondern soll auch den Weg solcher Fahrzeuge in die Zukunft weisen. So gut das halt geht. Und solange es noch so geht. Der Name ist übrigens ein dezenter Hinweis: ein Mix aus Art und Futura.
Der Artura ist ein Plug-in-Hybrid, kombiniert also einen klassischen Verbrenner mit einem Elektromotor. Die Batterie ist zum Aufladen. Gesamtleistung des Systems: 680 PS. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 330 km/h angegeben, wir nehmen das einmal ungeprüft so hin, die Beschleunigung auf 100 km/h lässt sich mit einem kleinen Facelifting in drei Sekunden erledigen.

Blick in die Zukunft
Als erstes McLaren-Modell kommt im Artura statt des bekannten Vier-Liter-V8 ein V6-Ottomotor zum Einsatz. Der Dreilitermotor mit Biturbo ist eine komplette Neuentwicklung. Kombiniert wird er mit einem Elektromotor, der 95 PS leistet und den Wagen auch allein antreiben kann. Die elektrische Reichweite liegt bei etwa 30 Kilometern. Der Autoverkäufer würde an dieser Stelle darauf hinweisen, dass für den McLaren in Österreich keine NoVA anfällt, was einerseits absurd ist, andererseits bei einem Auto, für das man knapp 300.000 Euro hinblättert, auch nicht das entscheidende Kaufargument sein wird.
Komplett neu entwickelt ist auch das Kohlefaser-Monocoque namens MCLA (McLaren Carbon-Fibre Lightweight Architecture). Vorn und hinten sind Alu-Rahmenkonstruktionen mit dem Monocoque verschraubt und verklebt, an denen die Aufhängung sitzt.
Das Getriebe hat aus Gewichtsgründen keinen physischen Rückwärtsgang mehr, den Weg nach hinten erledigt ausschließlich der E-Motor. Dafür gibt es acht Vorwärtsgänge in einem Doppelkupplungsgetriebe. Der V6 an sich wiegt nur noch 160 Kilogramm, das Gesamtgewicht des Autos liegt trotz doppelter Motorisierung und Batterien bei knapp 1500 Kilogramm.
Lautloser Start
Tatsächlich kann man im Elektrobetrieb lautlos starten und so leise aus der Garage rollen, ohne die Nachbarn zu vergrämen. 30 Kilometer lang lassen sich die Wege in der Stadt lautlos erledigen. Das gibt ein komisches Gefühl, wenn man in einem Supersportwagen sitzt. Von diesem erwartet man sich, als Fahrer wie auch als Zuseher, eine dem Aussehen des Autos entsprechende Lärmkulisse, also doch ein bisschen Roar und Kreisch und Brüll – und nicht nur nichts.
An sich funktioniert der Elektroantrieb ja gut, aber er leistet bei weitem nicht den Schub, zu dem der Verbrenner in der Lage ist.
Das Plug-in-Hybrid-System ist sicher ein erster Schritt, aber wenn die Zukunft der automobilen Fortbewegung tatsächlich rein elektrisch ist, dann muss man auch solche Supersportwagen anders denken – und da braucht es noch viel Fantasie.
Denn der Reiz eines solchen Fahrzeugs ist eben die Motorisierung und die Leistung. Und auch, dass man das hören und fühlen kann. In diesem Fall ist es ein recht kerniger Sound, nicht übertrieben, aber doch gut vernehmbar.

Heikler Hinterradantrieb
Die Leistung, und die ist ja bei McLaren nicht knapp, kommt ausschließlich über die Hinterräder auf die Straße. Das ist auch irgendwie spektakulär, aber, um ehrlich zu sein, auch heikel. In unserem Testzeitraum hat es geregnet. Nicht ausschließlich, aber doch ausgiebig. Bei nasser Fahrbahn ist der Artura nicht ganz leicht zu fahren, die Straße kann die Leistung nicht umsetzen. Vielleicht liegt’s auch am Fahrer. Ich bin jedenfalls froh, dieses Wochenende unfallfrei überstanden zu haben. Tatsächlich bricht der McLaren leicht aus. Das Heck ist sehr beweglich, lässt sich zwar wieder einfangen, aber da gab es schon ein paar bange Momente. Und irgendwie hat man nicht nur die eigene Sicherheit im Kopf, sondern auch die 300.000 Euro, die man in den Graben führen könnte.
Was wirklich beeindruckend am McLaren ist, ist nicht nur die Leistung, sondern auch die Präzision, die dem ganzen Fahrzeug innewohnt. Da ist nichts schlampig verbaut oder angelegt, das ist eine unheimlich exakte Rennmaschine, an deren Potenzial man sich langsam herantasten kann, leichter geht es, wenn es trocken ist.
Dieses Auto ist ein großes, sehr aufregendes Abenteuer. (Michael Völker, 15.8.2023)