
Es ist eine Binsenweisheit: Begehrlichkeit geht übers Auge. Was einem gefällt, hat das Interesse schon geweckt. Das trifft besonders auch auf das Konsumgut Automobil zu, und die Hersteller sind intensiv bestrebt, den (Augen-)Nerv der ins Visier genommenen Klientel zu treffen.
Volvo gelingt das über die Jahre und Jahrzehnte mit reduzierter, klarer, sachlich-nüchterner Formensprache ganz vorzüglich, skandinavisches Design wird für diese sympathische Spielart des Bauhaus-Gedankens gerne bemüht.
Neue Ära
In der Ära nach dem Wechsel der schwedischen Marke von Ford zu Geely, der Dekade nach 2010 also, prägte der deutsche Designer Thomas Ingenlath – heute Polestar-Chef – der Marke seinen sauberen ästhetischen Stempel auf. Zuletzt saß Robin Page am Chefzeichentisch, seit Mai Jeremy Offer, womit die Hauptverantwortlichen für das Aussehen des EX30 und künftiger Volvos genannt sind. In den prominentesten Nebenrollen: Lisa Reeves (Interieur) und T. Jon Mayer (Exterieur).
Diese beiden nun erläuterten bei einer Designpräsentation in intimem Rahmen in Köln (bei der erstmals auch der EX90 zu sehen war) vor einem größeren Dutzend Journalisten die stilistische Strategie des jüngsten Neuzugangs, des mit 4,23 Metern Länge bisher kompaktesten aller Volvo-SUVs – "Das Beste von Volvo, in einem kleineren Paket", hatte Volvo-Boss Jim Rowan bei der Weltpremiere getönt.
Die auf- und gefällige Glätte im Exterieur (kein Kühlergrill) signalisiert nicht nur das nächste Kapitel im Volvo-Design, sondern verweist auch auf den Antriebsumstand, elektrisch nämlich. Markant die Leuchtengrafik vorne („Thors Hammer“); schleudert LED-Lichtblitze in die Finsternis und verleiht dem EX30 hohen Markenwiedererkennungswert. Die Leuchten-Haifischflosse hinten wurde ebenfalls modifiziert und in zwei Hälften geteilt.

Fesch und nachhaltig
Form trifft Funktion trifft Öko-Fairness: Ständiger Begleiter bei der Suche nach treffsicherem Erscheinungsbild, so Mayer und Reeves in ihrer 3/4-stündigen Doppelconférence, sei der Umweltaspekt gewesen, der Komplex Nachhaltigkeit.
Gute Aerodynamik, eigentlich eine Contradictio in adiecto bei einem SUV, soll maximale Energieverbrauchseffizienz und Reichweite bewirken, auch die Felgengestaltung sei in den Ansatz miteinbezogen gewesen, so Mayer.
Und: Es sollten möglichst viele rezyklierte oder erneuerbare Werkstoffe zum Einsatz kommen. Das treffe auf die Karosserie (Stahl, Alu) ebenso zu wie auf die Materialien im Innenraum (aus Abfällen alter Fensterrahmen und Rollläden rezyklierter Kunststoff, wiederverwertete Jeans-Baumwolle, Flachs, Wolle).

Stolzer Sound
Darüber hinaus, so Reeves, sei es um eine Reduktion der Komplexität, eine Verringerung von Komponenten und Gewicht gegangen. Ergebnis: Keine Hauptinstrumente mehr beim Lenkrad, alle dortigen Funktionen wandern in den großen zentralen Berührungsbildschirm.
Worauf sie besonders stolz ist: Soundbar. Das ist nicht etwa ein Lokal mit Musikuntermalung, wo man sich abends mit Freunden trifft, sondern: Die gesamte Frontbreite ist ein einziges Modul, das mehrere Lautsprecher integriert. Heißt auch: Keine Lautsprecher in den Türen, dort dafür besonders durchdachte Staufächer, und die Fensterheber sind in die Mitte gewandert.

Wie eine erste Sitzprobe ergab, sind die Platzverhältnisse vorne angesichts der Kompaktheit des Fahrzeugs recht großzügig, hinten aber stoßen Großgewachsene oben rasch an ihre Grenzen, wie im Smart #1.
Auf dem und derselben Geely-Plattform nämlich basiert der EX30. Und die Botschaft ist, wie auch die Technik, praktisch ident: Das Design dürfen die Deutschen (Smart ist seit 2019 ein 50:50-Joint-Venture von Daimler mit Geely) und Schweden liefern, alles andere kommt aus China. Das. Muss. Man. Mögen. (Andreas Stockinger, 19.8.2023)