Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni umringt von Journalistinnen und Journalisten vergangene Woche in Rom.
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni umringt von Journalistinnen und Journalisten vergangene Woche. Nun steht sie wegen eines Buches aus dem Jahr 2019 in der Kritik.
EPA/FABIO FRUSTACI

Das erste Buch, das in dem in den Sommerferien vor sich hindösenden Italien in diesen Tagen Schlagzeilen lieferte, stammt von einem bisher weitgehend unbekannten, aber hochdekorierten Armee-General namens Roberto Vannacci. In seinem vor knapp zwei Wochen veröffentlichten Pamphlet mit dem programmatischen Titel "Il mondo al contrario" rechnet der 55-jährige ehemalige Fallschirmjäger mit allen ab, die in seinen Augen für diese "verkehrte Welt" – so die Übersetzung des Buchtitels –verantwortlich sind: mit der "Schwulen-Lobby", den Feministinnen und natürlich mit den Migranten. Letztere würden, statt Italien dankbar zu sein für die ihnen entgegengebrachte Großherzigkeit, ihre Zeit damit verbringen, mit Drogen zu handeln und zu vergewaltigen. "Ich beanspruche für mich das Recht, meinen Hass und meine Geringschätzung öffentlich ausdrücken zu dürfen", schreibt der ultrarechte General und Putin-Fan in einer Schlüsselpassage seines Werks.

Vannaccis oberster Vorgesetzter, Verteidigungsminister Guido Crosetto, hat nicht lange gefackelt und den Inhalt des Buchs als "persönliche Wahnvorstellungen eines Generals" bezeichnet, die "das Heer, die Verteidigung und die Verfassung" in Misskredit bringen würden. Vannacci wurde in der Folge von der Militärführung von seinem Posten als Chef des Instituts für Militärkarten abgesetzt. Crosetto ist Mitbegründer der von Giorgia Meloni angeführten postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia und engster politischer Vertrauter der Regierungschefin. Mit seinem raschen und entschlossenen Handeln machte Crosetto klar, dass diskriminierende und rassistische Äußerungen keinen Platz haben in der Armee und in den staatlichen Institutionen – auch wenn viele Wählerinnen und Wähler der aktuellen Rechtsregierung wohl ähnlich denken wie der General.

Bizarre Erfindungen

Dank Crosettos Intervention schien die Sache eigentlich erledigt. Doch dann tauchte am Wochenende ein zweites Buch mit dem Titel "Mafia Nigeriana" auf. Es ist zwar schon etwas älter – es wurde 2019 veröffentlicht –, dafür aber stammt es aus einer sehr prominenten Feder: Giorgia Meloni firmiert als Co-Autorin zusammen mit dem Publizisten, Impfgegner und Psychiater Alessandro Meluzzi. Der Inhalt des Buchs: Krudeste rassistische Verschwörungsmythen, die die Tiraden des Generals als geradezu harmlos erscheinen lassen. Meloni/Meluzzi phantasieren darin von "90 bis 100 Kilo schweren, riesigen Nigerianern, die unsere Sicherheitskräfte angreifen". Sie seien alle "durchtrainiert und potentielle Mörder" und würden von italienischen Richtern nach ihrer Verhaftung immer gleich wieder auf freien Fuß gesetzt.

In den abstrusesten Passagen des Buches werfen Meloni und Meluzzi der "Nigeria-Mafia" auch Kannibalismus vor. Im Visier des Autoren-Duos ist insbesondere die Ethnie der Yoruba, auf deren Wochenmärkten Menschenfleisch verkauft werde, wobei die "Kadaver der Weißen" besonders nachgefragt würden. Und: Die nigerianische Mafia habe nicht nur den Drogenhandel Italiens unter Kontrolle, sondern auch den Handel mit Organen: Dieser erfolge entlang der Autostrada del Sole, die Nord- mit Süditalien verbindet. Und natürlich darf in dem Machwerk auch die Gefahr der "ethnischen Ersetzung" nicht fehlen, zumal die Nigerianerinnen, wie die Autoren betonen, im Lauf ihres Lebens durchschnittlich fünf Kinder zur Welt bringen und die Italienerinnen nur eines.

Entfernung aus dem Amt?

Die Turiner "La Stampa", die am Wochenende zusammen mit anderen italienischen Zeitungen aus dem in Vergessenheit geratenen Buch der Regierungschefin zitierten, fragte sich ironisch, ob Crosetto dessen Inhalt ebenfalls als "persönliche Wahnvorstellungen" der Autorin einstufen und ihre Entfernung aus dem Amt verlangen wird. Der Verteidigungsminister hat sich, wie auch Meloni selber, bisher nicht dazu geäußert. Fest steht, dass Meloni seit ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin vor knapp einem Jahr ihre frühere rassistische Rhetorik deutlich entschärft hat. Aber gelegentlich fragt man sich in Italien schon, welches nun die wahre, die authentische Giorgia Meloni sei: Jene, die "Mafia Nigeriana" mitverfasst hat, oder jene, die heute im Palazzo des italienischen Regierungschefs sitzt und jeden Tag hunderte von Bootsflüchtlingen durch die Küstenwache retten lässt. (Dominik Straub aus Rom, 20.8.2023)