Sportliche Großereignisse dienen seit jeher als Plattform des politischen Austauschs. Insbesondere Parias des diplomatischen Parketts setzen sich gern bei derlei Veranstaltungen in Szene – weshalb oft genug Staaten mit politischen Führern zweifelhafter Reputation sich um die Ausrichtung von Weltmeisterschaften und olympischen Spielen bewerben. So auch im Falle der Leichtathletik-WM in Budapest: Hier lässt sich Ungarns Regierungschef Viktor Orbán nun von diversen Amtsträgern die Hand schütteln.

Zu den wichtigsten Gästen Orbáns bei der Eröffnung des Events im neu gebauten Budapester Leichtathletikstadion, dem Nemzeti Atlétikai Központ, am vergangenen Wochenende zählte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, zu dem er ein besonderes Verhältnis pflegt, das international durchaus für Probleme sorgt. Auf der Gästeliste finden sich rund ein Dutzend weitere autokratische respektive despotische Staatschefs, von Serbiens Präsident Aleksandar Vučić, Aserbaidschans Präsident Ilhan Alijew, Usbekistans Präsident Schawkat Mirsijojew, Kirgisistans Präsident Sadyr Dschaparow bis hin zum katarischen Emir Tamim bin Hamad al Thani.

Viktor Orbán und Recep Tayyip Erdoğan
Ziemlich beste Freunde: Viktor Orbán und Recep Tayyip Erdoğan.
AP/Matthias Schrader

Türkisch-russische Gespräche

Ebenfalls anwesend in Budapest: der Präsident der russischen Teilrepublik Tatarstan, Rustam Minnichanow. Dieser ist stellvertretend für den russischen Präsidenten Wladimir Putin angereist, der ja wegen der Kriegsverbrechen in der Ukraine per internationalem Haftbefehl gesucht wird. Mit Minnichanow wollte Erdoğan über das Wiederaufleben des Getreideabkommens sprechen. Ein solches zwischen Moskau und Ankara geschmiedetes Abkommen würde die Ukraine zusätzlich unter Druck setzen, da sie Russlands gewaltsame Machtpolitik im Schwarzen Meer bis zu einem gewissen Grad legitimieren würde.

Großes Geschäft

Der ungarische Staatssekretär Zoltán Kovács schrieb am Montag auf X, vormals Twitter, im Karmeliterkloster – dem Amtssitz des ungarischen Regierungschefs in Budapest – gehe das diplomatische "große Geschäft" weiter. Und zwar ausgerechnet in Form des Besuchs des ehemaligen österreichischen Bundeskanzlers und im Zusammenhang mit mutmaßlicher Falschaussage frischgebackenen Angeklagten Sebastian Kurz. Im Mittelpunkt des Treffens hätten die ungarisch-österreichischen Beziehungen und die Möglichkeiten der Wege zu einem Frieden im "russisch-ukrainischen Krieg" gestanden. Auch über nationale und christliche Werte sei gesprochen worden, ebenso über die kommenden Europawahlen.

Sebastian Kurz besucht Viktor Orbáns Sportfestspiele.
Sebastian Kurz besucht Viktor Orbáns Sportfestspiele.
AFP/FERENC ISZA

Ungarischer Glamour

Bereits am Sonntag hatte der Ex-Kanzler an den Glamour-Events teilgenommen, zu denen Orbán ein knappes Dutzend osteuropäischer, zentralasiatischer und nahöstlicher Diktatoren und Autokraten eingeladen hatte. Auf der Terrasse von Orbáns Residenz mit exzellentem Donaublick weilte Kurz in dieser illustren Runde. Zusammen mit dem Hausherrn bewunderte die Gesellschaft am Sonntagabend das große Feuerwerk, das alljährlich zum 20. August, dem nationalen Feiertag zur Staatsgründung, entlang der Donau in den Himmel geschossen wird. Auch am Besuch der Leichtathletik-Weltmeisterschaft nahm Kurz gutgelaunt teil, wie ein vom Präsidenten der bosnischen Republika Srpska, Milorad Dodik, im Internet verbreitetes Video zeigt.

Sebastian Kurz
Gruppenbild im Budapester Leichtathletikstadion mit Sebastian Kurz (im Bild ganz links).
AFP/ATTILA KISBENEDEK

Wie DER STANDARD berichtete, war Kurz bereits vor drei Wochen bei einem Podiumsgespräch in Esztergom bei Budapest aufgetreten. Der Veranstalter, das Corvinus-Kollegium, gilt als Kaderschmiede des Orbán-Regimes. Es importiert vor allem neorechte und rechtsextreme Ideologien aus den USA. Die sich häufenden "Ausflüge" des Ex-Kanzlers ins Innerste des Systems Orbán werfen die Frage auf, welche politischen Ambitionen ihn letztlich umtreiben. (Michael Vosatka, Gregor Mayer aus Budapest, 21.8.2023)

Viktor Orbán mit Katars Emir Tamim bin Hamad al-Thani
Viktor Orbán mit Katars Emir Tamim bin Hamad al-Thani.
EPA/VIVIEN CHER BENKO/HUNGARIAN