Im Gastblog weisen Peter Bußjäger und Julia Oberdanner auf eine Gesetzesänderung und deren fragwürdige Umsetzung hin.

Anfang dieses Jahres wurde ein neuer Anlauf gemacht, die Transparenz der Verwaltung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zu erhöhen: Art. 20 B-VG ist seit 1. Jänner durch einen neuen Absatz ergänzt. Gemäß dieser neuen Bestimmung haben alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe jene Studien, Gutachten und Umfragen, die sie in Auftrag gegeben haben, samt deren Kosten in einer für jedermann (und jederfrau) zugänglichen Art und Weise zu veröffentlichen, solange und soweit keine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit besteht.

Mit dieser Ergänzung der Bundesverfassung wollte der Bundesverfassungsgesetzgeber ein Zeichen setzen. Einerseits gegenüber Ländern und Gemeinden, die dem seit vielen Jahren angekündigten Informationsfreiheitsgesetz nach wie vor skeptisch gegenüberstehen. Ihnen sollte vermittelt werden: Seht her, der Bund ist mutig und setzt sich gegen euch durch. Andererseits sollte der Öffentlichkeit signalisiert werden: Seht her, es gibt sie doch – die Transparenz.

Österreich Fahne mit Straßenlaterne
Mehr Licht in die Aufträge von Bund, Land und Gemeinden zu bringen scheint bisher noch nicht geglückt zu sein–obwohl rechtliche Vorgaben vorhanden wären.
APA/HELMUT FOHRINGER

In beiden Fällen dürfte die Resonanz eine eher bescheidene gewesen sein. Länder und Gemeinden wagten zwar keinen offenen Protest. Im Hinblick auf das Projekt Informationsfreiheit dürfte ihre Konsensbereitschaft durch das eigenmächtige, unabgestimmte Vorgehen des Bundesverfassungsgesetzgebers allerdings nicht gerade gefördert worden sein. Und die Öffentlichkeit nahm von der Neuregelung kaum Notiz. Nicht zuletzt deshalb, weil sich die Bundesregierung hütete, die neue Verpflichtung zur Offenlegung, die insbesondere sie selbst betrifft, besonders zu bewerben.

Wo bleiben die Veröffentlichungen?

Grundsätzlich kann Art. 20 Abs. 5 B-VG zu mehr Transparenz staatlichen Handelns beitragen. Es ist nicht irrelevant, von wem die Verwaltung Expertise bezieht und vor allem, welchen Inhalt diese Expertise hat und wieviel sie kostet. Freilich sollte die Leistungsfähigkeit der Regelung nicht überschätzt werden. Durch das Anknüpfen an die Amtsverschwiegenheit (Art. 20 Abs. 3 B-VG) sind all jene Dokumente nicht zu publizieren, die etwa "der Vorbereitung einer Entscheidung" dienen oder "im überwiegenden schutzwürdigen Interesse der Parteien" liegen, von Gründen wie der "umfassenden Landesverteidigung" oder dem "wirtschaftlichen Interesse einer Gebietskörperschaft" ganz abgesehen. Diese Verschwiegenheitspflichten werden vom Bundeskanzleramt sehr weit ausgelegt. So kommen etwa Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, urheberrechtliche oder datenschutzrechtliche Interessen als "überwiegendes Interesse der Parteien", welche die Geheimhaltung eines Dokumentes im Einzelfall rechtfertigen können, in Betracht.

Dementsprechend bescheiden fällt auch die Bilanz aus, wenn man sich die Zahl der bislang auf den Webseiten von Bund, Ländern und Gemeinden publizierten Unterlagen ansieht: Zwar wurde auf den meisten (!) Homepages der Ministerien eine eigene Seite für die solcherart zu veröffentlichenden Informationen eingerichtet, allerdings hat das Bundeskanzleramt bislang erst vier Gutachten, Studien beziehungsweise Umfragen publiziert, das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport zwei Dokumente zur Causa Teichtmeister sowie eine Stellungnahme im Bereich Sport, das Finanzministerium eine Studie und das Klimaschutzministerium insgesamt drei Gutachten beziehungsweise Umfragen. Andere Ministerien wie das Bildungsministerium, das Ministerium für Arbeit und Wirtschaft, das Außenministerium oder das Innenministerium haben noch keine einzige Studie veröffentlicht. Ähnlich stellt sich die Situation auf den Homepages der Landesverwaltungen dar. Wirkliche Transparenz sieht wohl anders aus.

Dass die Publikationen zumindest für Fachleute von Interesse sein können, zeigt beispielsweise ein vom Klimaschutzministerium veröffentlichtes Gutachten zur Verfassungskonformität der nunmehr gesetzlich verankerten Beschlagnahmemöglichkeit von Kraftfahrzeugen von Autorasern. Es ist wichtig, dass öffentlich gemacht wird, zu welchen Themen die Verwaltung Expertise von außen bezieht.

Gemeinden und Universitäten gefragt

Noch durchwachsener ist die Situation bei den Gemeinden. Hier findet sich teilweise die Spielart, dass die von ihnen in Auftrag gegebenen Studien, Gutachten oder Umfragen nicht direkt auf der Homepage bereitgestellt werden, sondern vielmehr in der Gemeinde zur öffentlichen Einsicht aufliegen (so in der Stadtgemeinde Weiz oder der Gemeinde Trofaiach). Im weitesten Sinne kann man natürlich argumentieren, dass damit auch dem Verfassungsgebot der Zugänglichkeit "für jedermann" (und jederfrau) entsprochen ist, aber der Bundesverfassungsgesetzgeber ist nichtsdestotrotz eindeutig von einer digitalen Bereitstellung ausgegangen.

Und die Universitäten und Sozialversicherungsträger? Von den größeren Universitäten hat lediglich die Universität Linz auf ihrer Homepage eine eigene Seite für Veröffentlichungen nach Art. 20 Abs. 5 B-VG eingerichtet, auf der allerdings noch keine Veröffentlichungen zu finden sind. Die Homepages der Sozialversicherungsträger geben ebenfalls keine Auskunft darüber ob beziehungsweise in welcher Form der Veröffentlichungspflicht gemäß Art. 20 Abs. 5 B-VG entsprochen werden soll. In der Praxis wird vom Bundeskanzleramt die Meinung vertreten, dass die Universitäten und Sozialversicherungsträger von Art. 20 Abs. 5 B-VG nur dann erfasst seien, wenn sie Verwaltungsaufgaben für den Bund, die Länder oder Gemeinden erfüllen, nicht aber, wenn sie "ihre" Aufgaben wahrnehmen. Begründet wird dies damit, dass in Abs. 5 nur die Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden ausdrücklich angesprochen würden, während Art. 20 Abs. 3 und 4 B-VG in Zusammenhang mit der Amtsverschwiegenheit und der Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane neben diesen Organen auch die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts erwähnen würden. Der Wortlaut stützt diese Meinung, einleuchtend ist sie indessen nicht.

Es bleibt abzuwarten, wohin sich die Veröffentlichungspraxis des Bundes, der Länder und der Gemeinden in Zukunft entwickeln wird. Es besteht jedenfalls Verbesserungsbedarf. (Peter Bußjäger, Julia Oberdanner, 25.8.2023)