In der Wüste Gobi in der Provinz Xinjiang, 2.000 Kilometer von Peking entfernt, befinden sich auf einem Areal knapp so groß wie die Steiermark Chinas größte Kohlevorkommen. Am Rande dieses Energieschatzes, im weit entlegenen Nordwesten des Landes, hat die chinesische Regierung die Zhundong Economic and Technological Development Zone errichtet.

Die Herstellung von Teilen, die zur Gewinnung erneuerbarer Energie benötigt werden, gehört hier zum Kerngeschäft – die Teile werden in alle Welt exportiert. Ein besonders wichtiges Produkt ist Polysilizium, das für die Erzeugung von Solarpaneelen benötigt wird. Vor allem im Kampf gegen die Klimakrise steigt die Nachfrage danach seit Jahren.

Fast die Hälfte des wichtigen Rohstoffs weltweit kommt aus Xinjiang – und davon wiederum die Hälfte aus Zhundong. Auch die größten Hersteller von Solarpaneelen weltweit arbeiten in Xinjiang.

In vielen Provinzen im Nordwesten Chinas wird Solarenergie erzeugt, wie hier in Gansu. In Xinjiang werden vor allem Teile für den globalen Solarpaneelmarkt gefertigt.
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Xinjiang ist aber auch jene Region, aus der seit mehreren Jahren erschreckende Berichte über horrende Menschenrechtsverletzungen kommen. Die kommunistische Führung hat dort ein System an Lagern errichtet, in denen zeitweise bis zu einer Millionen Uiguren interniert sind. "Weiterbildung" nennt die Regierung das und weist die Vorwürfe zurück. Teil des Systems ist auch Zwangsarbeit, etwa in der bedeutsamen Textilindustrie – oder in der Herstellung von Solarpaneelen. Das geht von der Aufbereitung des Rohstoffs bis zur eigentlichen Fertigung der Paneele.

Vier der weltweit größten Firmen, die Solarpaneele herstellen, agieren von Xinjiang aus. Egal welcher Schritt in dem Prozess betroffen sei, es sei quasi unmöglich, bei Produkten aus China Zwangsarbeit auszuschließen: Zu diesem Schluss kam bereits 2021 eine Studie der Sheffield Hallam University.

Somit hat die weltweite Solarindustrie dunkle Schattenseiten, die für viele klimabewusste Energienutzer im Verborgenen bleiben. Der Erfolg der chinesischen Solarindustrie ist dabei ein junger – noch 2005 kontrollierten Firmen aus den USA, Japan und Deutschland den Markt. Heute hat China diesen quasi komplett übernommen. Riesenprojekte wie Zhundong haben sich bezahlt gemacht: Man ist hier nahe an den Rohstoffen, die Ansiedelung von Firmen wurde von Peking aus gefördert, und es gibt die extrem günstigen Arbeitskräfte – mit diesem Rezept konnten die chinesischen Hersteller globale Preise deutlich unterbieten. Zu einem gewissen Grad wurde Photovoltaik in unseren Breitengraden durch die billigen Kosten in China überhaupt erst wettbewerbsfähig.

Bitterer Beigeschmack

Gerade im Fall von Xinjiang geht das mit dem bitteren Beigeschmack einher, dass die Billigpreise auf massiven Menschenrechtsverletzungen beruhen. Da gibt es Werke, so der Bericht, die direkt neben Internierungslagern liegen. Arbeiter und Arbeiterinnen müssen laut dem Bericht etwa "zweifelsfrei zustimmen, dass Xinjiang immer ein unteilbarer Teil des Mutterlands war".

Unter diesem Eindruck machen nun immer mehr Länder Druck, dieses System nicht weiter zu fördern. Die USA haben etwa 2021 den Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) verabschiedet, der es unterbindet, Produkte aus Xinjiang in die USA einzuführen. Das wirkt sich auch konkret auf die eigentlich prestigeträchtigen Solarprojekte aus: Seit Inkrafttreten ist die Installation großer Paneelprojekte in den USA um 31 Prozent gesunken. Jüngst hätten sich die Zahlen aber wieder etwas erholt, heißt es vonseiten der US-Solarenergievertretung.

Die Kernfrage lautet: Zu welchem Preis darf die Wende in Richtung Solarenergie vollzogen werden? Beziehungsweise: Wie können Umweltschutz und Menschenrechte vereinbart werden? Die USA, die seit Jahren eine China-kritische Außenpolitik verfolgen, nehmen Rückschläge im Solarenergieausbau in Kauf. In Europa ist man im Vergleich in dieser Hinsicht deutlich zurückhaltender. Als Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock, die für ihren Peking-kritischen Kurs bekannt ist, 2022 ein Ende der Solarimporte aus China forderte, ortete Siemens-Chef Roland Busch darin das "Ende der Energiewende".

Doch auch in Europa kommt Bewegung in die Debatte. So hat das EU-Parlament Anfang Juni seine Position in Sachen Lieferkettengesetz festgelegt. Demnach sollen europäische Unternehmen künftig Produktionsbedingungen globaler Lieferketten ins Visier nehmen, um Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltstandards zu verhindern. Die Kommission hat wiederum bereits im Sommer 2021 eine Richtlinie veröffentlicht, die Unternehmen helfen soll, Zwangsarbeit aus den Produktionsbedingungen ihren Lieferketten zu verbannen.

Bedenkliche Paneele in Österreich

Dabei dürfte auch in Österreich eine große Zahl an bedenklichen Solarpaneelen verbaut sein. Auf den Homepages großer österreichischer Solarpaneelfirmen sind als Partner häufig die Unternehmen Jinko Solar, Trina Solar oder Longi genannt – ebenjene globalen Marktführer, die in Xinjiang tätig sind.

In Österreich haben sich in den vergangenen Jahren daher die drei Vereine Uigurische Gemeinde Österreich, Save Tibet und Stand with Hongkong Vienna zusammengeschlossen, um gemeinsam Druck in der Sache zu machen. Auf Anfrage bei Greenpeace kam zwar erst die Rückmeldung, dass "Menschenrechte keinesfalls verletzt werden dürfen". In einer zweiten Mail hieß es aber, dass Menschenrechte nicht "zu unserem Kernthema" zählen und man sich an Amnesty International wenden solle.

Die gleiche Initiative stellte diesbezüglich eine Anfrage an Umweltministerin Leonore Gewessler, zuletzt im Juni 2023 über das Portal "Frag den Staat". In der Antwort verwies das Ministerium auf die EU-Ebene: Es benötige eine "effektive Lösung auf europäischer Ebene", und zwar im Rahmen einer neue "Ökodesignverordnung", die aktuell in Planung sei. Wie diese in Bezug auf Zwangsarbeit aussieht, ist noch ungewiss, genauso wie die Frage, wann sie in Kraft tritt. In Zhundong wird einstweilen weitergearbeitet, vermutlich mithilfe etlicher uigurischer Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen. (Anna Sawerthal 7.9.2023)