Überschwemmung einiger Häuser in Poppichl 
Überschwemmungen wie hier in der Ortschaft Poppichl werden häufiger. Schutzmaßnahmen für Menschen mit Behinderung lassen auf sich warten.
APA/WOLFGANG JANNACH

Der Marienhof hatte Glück. Er befindet sich etwa fünf Kilometer von der überschwemmten Ortschaft Poppichl im Bezirk Maria Saal in Kärnten entfernt. Der Marienhof ist ein Wohnhaus für Menschen mit Behinderung mit knapp 40 Bewohnern. Bis auf einen kurzen Stromausfall und etwas Wasser vor der Tür blieb er von den Unwettern verschont.

Im Krisenfall wäre man aber vorbereitet gewesen, erzählt Hausleiterin Barbara Wrumnig. Im Erdgeschoß gibt es keine Wohnräume für Menschen mit Behinderung. Und wenn der Lift ausfällt, könnten die nichtmobilen Bewohner mit sogenannten Tragetüchern über die Feuerschutzleiter in Sicherheit gebracht werden.

Die nächste Herausforderung: Viele Bewohner nehmen nur pürierte Kost zu sich, und ohne Strom funktioniert der Mixer nicht. Die Lösung: Es sei immer etwas Püriertes für den Notfall auf Lager. Auch eine Powerbank sei vorhanden, um einen Mixer kurzfristig betreiben zu können, sagt die Hausleiterin.

Österreich auf dem UN-Prüfstand

Doch nicht alle Menschen mit Behinderung wohnen in gut vorbereiteten Einrichtungen wie dem Marienhof. Und deren Sicherheit? "Nach wie vor werden die unterschiedlichen Bedarfe der Menschen mit Behinderung nicht ausreichend erkannt und in den Katastrophenschutzplänen mitbedacht", sagt Isabella Scheiflinger von der Anwaltschaft für Menschen mit Behinderung in Kärnten. Da Unwetterkatastrophen wie zuletzt in Kärnten und der Steiermark vermehrt auftreten, müsse sich das ändern. Denn die Zeit rennt davon.

Diese Woche am Dienstag und Mittwoch wird Österreich einer Staatenprüfung der Vereinten Nationen (UN) unterzogen. Bereits 2008 unterschrieb die Republik die UN-Richtlinien für flächendeckende Integration von Menschen mit Behinderung. Daraufhin wurden – bis dato – vom Sozialministerium zwei Nationale Aktionspläne (NAP) erstellt. Der zweite wurde erst im Juli 2022 veröffentlicht. Darin finden sich geplante Maßnahmen wie zum Beispiel ein barrierefreies Warnsystem.

Zur Überprüfung dieser Aktionspläne wurden in Österreich auf Bundes- und Landesebene unabhängige Monitoring-Ausschüsse gegründet. Mitglieder sind Personen aus Nichtregierungsorganisationen und Interessenverbänden. Der Bundes-Monitoring-Ausschuss rechnet damit, dass die UN im Bereich Katastrophenschutz für Menschen mit Behinderung einige Mängel beanstanden werden.

Und der Ausschuss übt auch selbst Kritik am Aktionsplan: Da Unwetterkatastrophen jetzt schon häufiger werden, haben die geplanten Maßnahmen und deren Umsetzung eine zu lange Laufzeit. "Es bräuchte sie jetzt und nicht erst 2030", so Tobias Buchner, Mitglied im Vorsitzteam des Monitoring-Ausschusses.

Wichtige Daten und Barrierefreiheit fehlen

Bei den Unwettern Anfang August kam es in Kärnten zu keinen Zwischenfällen mit Menschen mit Behinderung. Doch das war Glück. Denn es fehlt in Kärnten – so wie in ganz Österreich – noch einiges, bis der Schutz und die Sicherheit für Menschen mit Behinderung garantiert sind. Buchner sieht das südlichste Bundesland – im Ländervergleich – zumindest bei der Aufmerksamkeit für dieses Thema schon sehr weit. Auch Scheiflinger von der Anwaltschaft berichtet von mehr Austausch mit den Verantwortlichen des Landes.

Noch nicht vorhanden ist ein barrierefreies Warnsystem. Signaltöne wie Sirenen sind für gehörlose Person nutzlos. Kärnten plane laut Christian Gamsler, dem stellvertretenden Katastrophenschutzbeauftragten des Landes, nächstes Jahr eine nicht rein akustische Handyalarmierung für den Katastrophenfall vorstellen zu können.

Weiters fehlt es an offiziellen Daten dazu, wo Menschen mit Behinderung – außerhalb von betreuten Wohneinrichtungen – leben. Die wären wichtig, damit Einsatzorganisationen wissen, dass eine Evakuierung potenziell mehr Zeit und Aufwand benötigen wird.

Vorhanden ist lediglich eine gemeinnützige Datenbank. Im Oktober 2022 gründeten Personen aus dem Katastrophen- und Zivilschutz, der Feuerwehr, dem Rettungsdienst und Verwaltungsmitarbeitende aus Österreich und Deutschland ein Notfallregister für eben solche Wohndaten. Aus sieben österreichischen Bundesländern seien bereits Menschen eingetragen, heißt es auf dessen Website.

Warnendes Fazit trotz der richtigen Richtung

Oft nicht beachtet werden Menschen mit Behinderung in Katastrophenschutzplänen verschiedener öffentlicher Einrichtungen wie Schulen. "Evakuierungspläne sind auf Menschen, die sehen, hören und gehen können ausgerichtet", so Buchner.

Auch wenn Scheiflinger von der Anwaltschaft in Kärnten das Bemühen aller Beteiligten anerkenne, fällt ihr Fazit warnend aus. Die bereits gesetzten Schritte dürften "nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir trotzdem noch viel zu tun haben". (22.8.2023, Luca Arztmann)