Trauben Weinstock Sonne
Weinberge sind Wetter und Klimawandel besonders stark ausgesetzt. Moderne Technologie kann auch kleinere Winzerinnen und Winzer unterstützen.
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Der späte Frost ist der Feind des guten Weins. Der Klimawandel, der den Wein früher blühen lässt, könnte die Frostschäden im Frühjahr sogar noch vermehren, zeigen Untersuchungen. Im Weinbau hat man sich eine Vielzahl von Maßnahmen überlegt, um die Pflanzen bei einem Kälteeinbruch zu schützen. Es werden etwa Paraffinkerzen und Öfen eingesetzt, um die Luft um die Reben zu erwärmen. Mit Windmaschinen und sogar Hubschraubern werden Luftschichten verschiedener Höhenlagen vermischt, um bodennah eine Temperaturerhöhung herbeizuführen.

In welcher Situation und in welchen Landschaftsformen welche Erwärmungsmethode am besten funktioniert, beruht auf Erfahrungswerten und wurde bisher noch kaum systematisch erhoben und analysiert. Im Rahmen einer Forschungsinitiative an der FH St. Pölten könnte sich das allerdings bald ändern. Als Koordinatorin des Europäischen Hochschulverbunds EU3DRES2, der vom Erasmus+-Programm der Europäischen Kommission unterstützt wird, forscht die Fachhochschule gemeinsam mit Partnern in Ungarn, Portugal, Rumänien, Belgien und Lettland an einer Reihe von auf regionaler Ebene relevanten Themen. Darunter ist auch der Forschungsbereich Multisens²e, bei dem ein sensorgestütztes Monitoring in der Landwirtschaft im Vordergrund steht.

Sensor für die Rebe

Das Projekt, das auch beim diesjährigen Forschungsforum der österreichischen Fachhochschulen vorgestellt wurde, soll dazu beitragen, dass auch Smart-Farming-Technologien günstiger und damit in einer kleiner strukturierten Landwirtschaft einsetzbar werden. Als regionalen Partner konnten Torsten Priebe, Leiter der Forschungsgruppe Data Intelligence der FH St. Pölten, und sein Team die Höhere Bundeslehranstalt und das Bundesamt für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg gewinnen.

Dort konnte man im Rahmen eines Vorprojekts bereits eine umfassende Sammlung an kleinräumigen Wetterdaten, die mit geeigneter Sensorik in Weingärten aufgenommen wurden, anlegen. Diese bilden die Grundlage für eine entsprechende Analyse über die Erfordernisse und die Wirksamkeit von Frostschutzmaßnahmen. Ein weiterer Ansatz, der im Rahmen der Erasmus+-Anschubfinanzierung verfolgt wird, widmet sich einer automatischen und kontinuierlichen Erkennung von Pilzbefall und anderen Pflanzenerkrankungen.

Trauben Weißwein Rebe
Die Traubenernte steht bevor. Ob es ein gutes Weinjahr wird, ist von vielen Faktoren abhängig und lokal oft sehr unterschiedlich.
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"Dabei geht es etwa um den zielgerichteten Einsatz von Pestiziden. Es soll nur noch gesprüht werden, wenn es wirklich notwendig ist", erklärt Priebe. Die Basis für die Auswertungen gibt ein neuartiger Blattfeuchtesensor, der an den Reben angebracht wird. "Anhand der Daten sollen nun Vorhersagemodelle für die Pflanzengesundheit entwickelt werden", sagt der Experte. Eine Idee der Forschenden widmet sich der Jagd auf die Kirschessigfliege, die in den Weingärten besonders großen Schaden anrichten kann.

Automatisierte Auswertung

Die Insekten injizieren ihre Eier in die heranreifenden Früchte, wo sich die Larven dann vom Fruchtfleisch ernähren. Bestehende Forschung im Labor hat bereits gezeigt, dass die Schädlinge auch durch ihren Geruch erkennbar sind.

Ein Ziel ist nun, den Ansatz mittels entsprechender elektrochemischer "Geruchssensoren" auch in die Praxis zu überführen und eine sensorgestützte Steuerung der Schädlingsbekämpfung zu etablieren. Bisherige Hilfsmittel wie Pheromonfallen könnten in Kombination mit Bilderkennungssystemen zudem genutzt werden, um den Fang automatisiert auszuwerten und auch auf diese Art vor hohem Schädlingsbefall zu warnen.

Kostengünstige Technik

Bei allen Ansätzen soll, entsprechend dem Anwendungsgebiet in einer kleinstrukturierten Landwirtschaft, die Kosteneffizienz im Vordergrund stehen. "Kleinere Weinbauern können sich keine aufwendigen Technologien leisten. Für viele Auswertungen sind diese auch nicht notwendig", betont Priebe. Handelsübliche Wettersensoren können in Kombination mit Handy- und Drohnenaufnahmen sowie kostenlosen Satellitendaten schon die Grundlage für einen "digitalen Zwilling" eines Anbauareals geben. Gleichzeitig muss die richtige Repräsentationsform für die Daten gefunden werden. Einerseits ist es kaum nötig, hochdetaillierte 3D-Visualisierungen zu schaffen, andererseits spielt im Obst- und Weinbau – anders als bei Ackerkulturen – die Ebene der individuellen Pflanze durchaus eine Rolle und sollte auch abgebildet werden.

Wie die Schnittstelle eines Systems dieser Art aussehen könnte, zeigten bereits Forscherinnen und Forscher des Hochschulverbunds aus Portugal. Gemeinsam mit lokalen Weinbauern entstand eine App, die anhand von Kartenmaterial der Anbauflächen regelbasierte, lokale Warnungen ausgibt. Bereiche im Weingarten, die es aufgrund von abweichenden lokalen Klimabedingungen oder Schädlingsbefall zu überprüfen gilt, werden in der Übersicht angezeigt. Im EU3DRES2-Konsortium hofft man nun auf ein EU-Projekt, um die Forschungen im Bereich der smarten Landwirtschaft weiterverfolgen zu können. (Alois Pumhösel, 26.8.2023)