Wald mit Nebelschwaden darüber
Der Amazonas-Regenwald in Brasilien wird von der Erwärmung besonders betroffen sein.
REUTERS/BRUNO KELLY

Photosynthese, die Produktion von Zucker und Sauerstoff unter Verwendung von Licht, Wasser und CO2, ist die Lebensgrundlage für die Biosphäre des Planeten Erde. Allerdings funktioniert der Prozess, der ein Charakteristikum der Pflanzenwelt darstellt, nur unter bestimmten Temperaturbedingungen. Bei einem ungebremsten Voranschreiten der Klimaerwärmung ist nicht mehr auszuschließen, dass die zulässige Höchsttemperatur in tropischen Wäldern zeitweise überschritten wird. Davon berichtet nun eine neue Studie im Fachjournal "Nature".

Das ist ein Problem, weil tropische Wälder riesige Kohlenstoffspeicher sind, die im Fall eines Absterbens einen großen Teil dieses Kohlenstoffs in Form von Treibhausgasen in die Atmosphäre entlassen würden. Ausgangspunkt für diese Studie waren Erdbeobachtungsdaten eines Instruments, das auf der internationalen Raumstation ISS installiert ist.

Feldversuche im Blätterdach

Die kritische Temperatur, bei der es zum Versagen von Photosynthese kommt, liegt bei etwa 46,7 Grad Celsius. Dabei handelt es sich um einen Mittelwert, nicht um eine scharf definierte Grenze. Doch bei einer Erderwärmung von 3,9 Grad könnten die Wälder kippen.

Zu diesem Ergebnis gelangte der Ökologe Christopher Doughty von der University of Northern Arizona gemeinsam mit einem Team von Forschenden mithilfe von Simulationen auf Basis von Satellitendaten und Feldversuchen. "Wissenschafter denken gern in Mittelwerten, wir interessierten uns aber für die Extreme", sagt Doughty. Begonnen habe man mit Satellitendaten des Ecostress-Programms der US-Weltraumagentur Nasa, die von einem Radiometer auf der ISS gesammelt wurden und Temperaturen von Pflanzen abbilden. In den Satellitendaten sei aufgefallen, dass Spitzenwerte auftreten können, die deutlich über dem Durchschnitt liegen. "Wir wollten sehen, ob sich diese Daten mit Bodenmessungen verifizieren lassen", erzählt Doughty.

Bei Tests in Brasilien, Puerto Rico und Australien wurden Blätter in Baumkronen Temperaturerhöhungen von zwei, drei und vier Grad Celsius ausgesetzt. Dabei hatte sich gezeigt, dass die auftretenden Spitzentemperaturen überraschend hoch sein konnten, weil der Zusammenhang zwischen Blatt- und Lufttemperatur komplexer ist als bislang angenommen. Einige Blätter nähern sich dabei der kritischen Temperatur, derzeit sind das in tropischen Wäldern schätzungsweise etwa 0,01 Prozent. Waren die Blätter den Extremtemperaturen länger als acht Minuten ausgesetzt, begannen sie abzusterben.

Ein von diesen Daten gestütztes Modell wurde dann dazu verwendet, verschiedene Szenarien zu betrachten. Bei der derzeit zu erwartenden Erderwärmung könnten 1,4 Prozent der Blätter zu heiß werden und absterben. Das würde die kühlende Wirkung des Blätterdachs herabsetzen und eine weitere Belastung für die Bäume darstellen. Besonders heiß werden die Blätter, wenn der Boden aufgrund einer Dürrezeit trocken ist.

Daten von der Raumstation

Joshua Fisher, der wissenschaftliche Leiter der Ecostress-Mission, erzählt, man habe das Messinstrument 2018 zur ISS geschickt, um die Oberflächentemperatur der Erde zu messen. "Es hat bereits zuvor Satelliten gegeben, die etwas Ähnliches machten, aber ihre zeitliche und räumliche Auflösung war geringer. Das schränkte ihre Fähigkeit ein, die erwähnten Extremwerte aufzuzeichnen", sagt Fisher. Die zusätzlichen Informationen von Bodenmessungen hätten damit erlaubt, genauere Angaben über tropische Wälder in aller Welt zu machen.

Eine entwaldete Fläche am Rand des BR-230-Highways in Manicoré in Brasilien. Das Forschungsteam fordert bessere Schutzmaßnahmen.
AFP/MICHAEL DANTAS

Für den größten tropischen Wald der Welt im Amazonasgebiet ist das eine weitere schlechte Nachricht. Klimamodelle sagen für diese Region stark veränderte Bedingungen voraus. Bereits in den 2040er-Jahren dürfte sich der jährliche Niederschlag um fast 100 Millimeter pro Jahr verringern. Der Wald könnte kippen und sich in eine Savanne verwandeln. Andere Berechnungen legen nahe, dass diese Gegend sogar weitgehend unbewohnbar werden könnte. Helfen würden laut dem Forschungsteam nur ambitionierter Klimaschutz und der Schutz der tropischen Wälder. (Reinhard Kleindl, 23.8.2023)