Ein Ziegel aus dem Palast des Königs Assur-nasirpal II. in Nimrud.
Arnold Mikkelsen og Jens Lauridsen

Es gibt kaum geschichtsträchtigere Gegenden auf der Welt: Die Städte der mesopotamischen Hochkulturen auf dem Gebiet des heutigen Irak sind nicht nur der Ort der Erfindung der Schrift und die Quelle des ältesten erhaltenen Epos, sondern nehmen auch im Alten Testament der Bibel prominente Plätze ein. Eine dieser Städte ist Kalchu, besser bekannt unter ihrem zeitgenössischen Namen Nimrud.

Quelle des Wissens über die Geschichte dieser Region sind, neben archäologischen Ausgrabungen, riesige Bibliotheken aus zigtausenden Tontafeln, auf denen in Keilschrift Geschichten, religiöse Texte und Alltagswissen festgehalten wurden. Ein solches mit Keilschrift versehenes Objekt aus Ton erzählt nun auf völlig neue Weise über die Zeit des antiken Mesopotamien. Diesmal ist es der Ton selbst, der die wertvollen Informationen birgt, beziehungsweise das, was darin über Jahrtausende eingeschlossen war.

Das konkrete Objekt ist ein Tonziegel aus Nimrud, der sich heute im dänischen Nationalmuseum befindet. Die Aufschrift erzählt, er sei "Eigentum des Palasts von Assur-nasirpal, König von Assyrien". Das macht eine Datierung auf den Zeitraum zwischen 879 und 869 vor Christus möglich. Bei einem Digitalisierungsprojekt im Museum im Jahr 2020 wurden winzige Proben aus dem Inneren des Ziegels entnommen, um sie analysieren zu können.

Biologische Zeitkapsel

Die Forschenden interessierten sich besonders für Materialien, die bei der Produktion von Ziegeln dem Lehm beigemischt wurden, bevor er in Form gebracht, mit der Keilschrift beschriftet und dann in der Sonne getrocknet wurde. Zum Einsatz kamen Spreu, Stroh oder Tierdung. Eine Eigenheit der mesopotamischen Bauweise war, dass auf das Brennen der Ziegel in der Regel verzichtet wurde.

Das erlaubte es, die DNA des Materials zu untersuchen. Die Ergebnisse wurden nun in einer Studie im Fachjournal "Scientific Reports" veröffentlicht. Reste von 34 Pflanzengruppen wurden dabei nachgewiesen. Besonders prominent vertreten waren Brassicaceae, konkret Kohl, und Ericaceae in Form von Heidekraut. Weitere gefundene Reste stammten von Birken, Lorbeer, Doldenblütlern und bestimmten Gräsern.

Eine Archäologin mit Sonnenhut mit Schutzhandschuhen vor einer Steinmauer
Ausgräberin Sopie Lund Rasmussen bei der Arbeit in den Ruinen des Palasts des Assyrer-Königs Assur-nasirpal II.
Sophie Lund Rasmussen

Vorbild für weitere Forschung

Studienautorin Sophie Lund Rasmussen von der Universität Oxford sagt: "Wir waren begeistert von der Entdeckung, dass antike DNA, die in einer Tonmasse wirksam vor Verunreinigungen geschützt ist, erfolgreich aus einem 2.900 Jahre alten Ziegelstein extrahiert werden kann. Dieses Forschungsprojekt ist ein perfektes Beispiel für die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit in der Wissenschaft, da die unterschiedlichen Fachkenntnisse, die an dieser Studie beteiligt waren, einen ganzheitlichen Ansatz für die Untersuchung dieses Materials und die daraus resultierenden Ergebnisse lieferten."

Lunds Kollege Troels Arbøll ergänzt: "Dank der Inschrift auf dem Ziegel können wir den Ton einem relativ bestimmten Zeitraum in einer bestimmten Region zuordnen, was bedeutet, dass der Ziegel als Zeitkapsel der biologischen Vielfalt Informationen über einen einzelnen Ort und seine Umgebung enthält. In diesem Fall verschafft er den Forschern einen einzigartigen Zugang zu den alten Assyrern."

Geht es nach den Forschenden, könnte das Beispiel Schule machen. In Mesopotamien gibt es unzählige Mauerreste aus ähnlichen Tonziegeln wie dem nun untersuchten. Womöglich werden wir also bald mehr über die Pflanzenwelt des antiken Zweistromlandes wissen, des Landes, das laut dem Alten Testament immerhin die Heimat des Garten Eden war. (Reinhard Kleindl, 24.8.2023)