Mädchen in gelbem Shirt stützt ihren Kopf auf die Hände und blickt genervt auf die Hausaufgaben vor ihr 
Junge Schülerinnen und Schüler haben besonders unter dem Homeschooling gelitten.
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Die Pandemie hat nicht nur die physische Gesundheit bedroht, sie hatte auch enorme Auswirkungen auf die mentale Gesundheit. Das haben die allermeisten sehr schnell nach Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 gespürt. Zur Angst vor Ansteckung kam die Angst um betagte oder vorerkrankte Angehörige, möglicherweise die Bewältigung eines Verlusts – und der Umgang mit unterschiedlichsten Maßnahmen. Das Schließen von Freizeiteinrichtungen, die Kontaktbeschränkungen, Homeoffice-Lösungen und der Schulunterricht, der sich nach Hause verlagerte, forderten noch einmal viel Energie.

Was davon wie gut wirkte, wusste man lange nicht so genau. "Genau dieses Unwissen wurde auch gerne als Argument von Politikerinnen und Politikern betont, um manche Maßnahmen umzusetzen", erinnert sich die Wirtschaftswissenschafterin Christina Felfe von der Universität Konstanz. Und eigentlich ist auch genau das der Grund, warum sie anfangs davor zurückgescheut ist, das Thema zu erforschen. Es schien unmöglich, auseinanderzuhalten, welche Maßnahme genau was bewirkt hat.

Aber ausgerechnet das, was immer wieder für Kritik gesorgt hat, erlaubt nun direkte Vergleiche: das föderale Konzept. "Wir haben ausgenutzt, dass jedes Bundesland in Deutschland eine andere Öffnungsstrategie verfolgt hat", erklärt Felfe. Es war nicht ein Bundesland strenger als andere, aber die verschiedenen Jahrgänge wurden unterschiedlich schnell wieder in die Klassenräume zurückgeholt. Was in allen Regionen Deutschlands gleich war: Nach dem ersten Lockdown wurden zuallererst die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen wieder an die Schulen geholt – also jene, die kurz vor der Matura bzw. dem Abitur standen. Aber danach wichen die Öffnungsstrategien stark voneinander ab: "Manche Bundesländer haben erst die ältesten Schülerinnen und Schüler zurückgeholt, andere haben die jüngeren schneller zurückgeholt. Keine andere Corona-Schutzmaßnahme hat derart nach dem Alter differenziert. Dadurch konnten wir die Auswirkungen direkt vergleichen."

Mehr depressive Symptome

Die Studie der Universität Konstanz in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wurde im Fachmagazin Science Advances publiziert und bestätigt mit ihren Ergebnissen die Sorgen der Wissenschafterin Felfe: Die Schulschließungen haben zu einer deutlichen Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen geführt. Jede zusätzliche Woche Homeschooling führte bei den jungen Menschen zu schlechteren Ergebnissen bei der abgefragten gesundheitsbedingten Lebensqualität, zu mehr psychosomatischen Symptomen, mehr emotionalen Gesundheitsproblemen und mehr depressiven Symptomen.

Untersucht wurde der Effekt der Schulschließungen auf die psychische Gesundheit von Elf- bis Siebzehnjährigen. Die Forschenden verwendeten Informationen und Daten von 907 Kindern und Jugendlichen, die während der ersten Phase der Copsy-Studie (kurz für Corona und Psyche) gesammelt wurden. Zusätzlich verglichen sie diese Daten mit den Resultaten einer anderen Erhebung, der sogenannten Bella-Studie, die bereits vor der Pandemie Gesundheit und Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen erhoben hatte. Außerdem analysierten sie zusätzlich Informationen von Eltern über die psychische Verfassung ihrer Kinder sowie die Nutzung der Hotline "Nummer gegen Kummer" für Kinder und Jugendliche.

Junge Schülerinnen und Schüler besonders betroffen

Am meisten unter den Schulschließungen gelitten haben laut Studienergebnis die jüngeren Schülerinnen und Schüler. "Vielleicht, weil bei ihnen die Entwicklung der Psyche noch nicht so vorangeschritten ist und ihre Sozialkontakte noch gefestigt werden müssen", sagt Felfe. Und auch Kindern aus Familien mit beengtem Wohnraum setzten die Schulschließungen besonders zu. Denn wie viel Platz zum Wohnen zur Verfügung steht, sei ein guter Parameter dafür, wie gut eine Familie eine solch schwierige Situation abfangen kann.

Die Verschlechterung der mentalen Gesundheit sei ohnehin – auch ohne Pandemie – ein Problem bei Jugendlichen. "Aber große Teile der Verschlechterung hätten vermieden werden können, wenn man den Jugendlichen die Routine in der Schule erhalten hätte", ist Felfe überzeugt.

Situation in Österreich ähnlich

Die Ergebnisse der deutschen Studie könne man nicht eins zu eins auf Österreich umlegen. Die Situation war zwar hierzulande ähnlich, was die Schulschließungen betrifft, aber die Stimmungslage der Jugendlichen könnte dennoch leicht abweichen, betont die Studienautorin, etwa durch andere Hilfsangebote oder je nachdem, wie Medien auf die Schulschließungen reagiert hätten.

Aber der Appell der Forschenden sollte jedenfalls auch in Österreich ankommen, findet Felfe – und der ist: "Nie wieder die Schulen schließen! Schülerinnen und Schüler waren die Ersten, die Opfer bringen mussten, und die Letzten, die wieder zu Normalität zurückfinden konnten. In Bayern saßen die Menschen schon in Biergärten, und die Kinder waren immer noch nicht wieder in Schulen", kritisiert sie. Der Grund für Schulschließungen sei immer gewesen, Leben zu schützen, "aber es geht ja auch um das Leben der nächsten Generation". (Magdalena Pötsch, 28.8.2023)