Iranische Flagge und Regenbogenflagge
Homosexualität ist im Iran tabuisiert, homosexuelle Handlungen werden schwer bestraft und teilweise mit der Todesstrafe geahndet.
IMAGO/Zoonar

Wien/Gänserndorf – Ein aus dem Iran stammender Arzt hat beim Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen eine Schadenersatzklage nach dem Amtshaftungsgesetz eingebracht. Streitwert: 275.000 Euro. Hintergrund des gegen die Republik geführten Rechtsstreits sei ein von der österreichischen Botschaft in Teheran zu verantwortendes Vorgehen, das den iranischen Behörden die Homosexualität des Arztes offengelegt habe, wie dessen Ehemann – ein IT-Unternehmer – am Freitag der APA schilderte.

"Wir weisen die Anschuldigungen entschieden zurück", reagierte das Außenministerium umgehend. In einer Freitagmittag der APA übermittelten Stellungnahme wurde betont: "Es wurden keine Unregelmäßigkeiten bzw. keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht seitens unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder des externen Dienstleisters festgestellt."

"Uns geht es insofern nicht ums Geld, als der Schaden, der dadurch angerichtet wurde, sich nicht mehr gutmachen lässt", hatte zuvor der 34-jährige Ehemann des Arztes festgestellt. Sein aus einer wohlhabenden Familie stammender Mann – das Paar lebt im Bezirk Gänserndorf in Niederösterreich – könne nie mehr in seine ursprüngliche Heimat reisen und dort auch sein Erbe nicht antreten, weil er im Iran seines Lebens nicht mehr sicher sei. Homosexualität ist im Iran tabuisiert, homosexuelle Handlungen werden schwer bestraft und teilweise mit der Todesstrafe geahndet. Seit der Islamischen Revolution wurden mehrere Tausend schwule Männer hingerichtet, der Menschenrechtsorganisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) zufolge zuletzt im Jänner 2022 zwei Männer nach insgesamt sechsjähriger Haft.

Finanzprokuratur bestreitet Klagebegehren

Der gebürtige Iraner hatte sich in den Österreicher verliebt, 2021 heirateten die beiden, im Jahr darauf sollte die Familie des Arztes zum Feiern aus dem Iran nach Wien kommen. Die Visa-Anträge der Angehörigen wurden allerdings nicht von der österreichischen Botschaft in Teheran bearbeitet, sondern an einen externen Dienstleister ausgelagert. Dessen Mitarbeiter hätten den Vater und die Schwester des Arztes im Mai 2022 regelrecht verhört und dazu gebracht zu bestätigen, dass der Mediziner mit einem Mann verheiratet ist.

"Wir haben uns deshalb zur Klage entschlossen, weil das Außenministerium auf keine einzige unserer Forderungen eingegangen ist. Man hat so getan, als wäre überhaupt nichts passiert. Es gab nicht einmal eine Entschuldigung", erläuterte der Ehemann des unmittelbar Betroffenen im Gespräch mit der APA. Die Finanzprokuratur bestreitet das Klagebegehren des Mediziners und beantragt daher die Abweisung der Klage. Schutzpflichten nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) träfen nur den nationalen Gesetzgeber und nicht die Verwaltung, Verpflichtungen nach der EMRK hätten damit keine unmittelbare Wirkung für das behördliche Handeln der österreichischen Vertretungsbehörden, argumentiert die Finanzprokuratur.

Amnesty International fordert Aufklärung

"Es ist unerlässlich, dass die österreichischen Behörden im Umgang mit dem Iran mit der gebotenen Verantwortung handeln und die Rechte und die Sicherheit von Einzelpersonen schützen", hält dem Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, entgegen. Die mögliche Offenlegung der sexuellen Orientierung gegenüber den iranischen Behörden durch Österreich stelle für die betroffene Person "eine äußerst problematische" Situation dar.

Dass das iranische Strafgesetzbuch gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Strafe stellt, sei "den offiziellen Stellen seit langem ausdrücklich bekannt", betonte Hashemi. "Die österreichischen Behörden müssen eine gründliche und transparente Untersuchung dieses Vorfalls durchführen. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass ähnliche Vorfälle in Zukunft verhindert werden", verlangte Hashemi. (APA, 25.8.2023)