Luis Rubiales
Luis Rubiales wird von der Fifa sanktioniert. Er selbst will sich gegen die erhobenen Vorwürfe verteidigen, "damit die Wahrheit siegt."
IMAGO/Jose Breton

Der umstrittene spanische Frauenfußball-Nationaltrainer Jorge Vilda hat sich von seinem Verbandschef Luis Rubiales distanziert. In einem Statement am Samstagabend verurteilte der Weltmeistercoach dessen Verhalten als inakzeptabel. "Ich bedauere zutiefst, dass der Erfolg des spanischen Frauenfußballs durch das unangemessene Verhalten unseres Präsidenten Luis Rubiales, das er selbst zugegeben hat, beeinträchtigt wurde", hieß es in Vildas Mitteilung, die in spanischen Medien veröffentlicht wurde.

Zuvor hatte der Großteil von Vildas Trainerstab seinen Rücktritt eingereicht. Auch Trainer und Trainerinnen von Jugendmannschaften hätten sich dem Schritt angeschlossen.

In einer Erklärung kritisierten sie das Verhalten von Rubiales und dessen Aussagen vom Vortag. Vor allem weibliche Funktionäre seien gezwungen worden, bei der außerordentlichen Sitzung der Generalversammlung des Verbandes in der ersten Reihe Platz zu nehmen, um so den Eindruck zu erwecken, sie stünden hinter Rubiales.

Rubiales suspendiert

Die Fifa hat Rubiales am Samstag suspendiert. Ein Disziplinarkomitee des Fußballweltverbandes sprach eine Sperre "für alle fußballbezogenen Aktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene" für die Dauer von 90 Tagen aus, heißt es in einer Mitteilung. Der Schritt erfolgt auf den Übergriff nach dem WM-Finale am vergangenen Sonntag, bei dem Rubiales der Weltmeisterin Hermoso einen Kuss auf den Mund aufgezwungen hat. Das Fifa-Gremium werde sein Disziplinarverfahren gegen Rubiales weiterführen und behält sich vor, die Sperre zu verlängern.

Die Fifa wies Rubiales zudem dazu an, auf jeglichen Kontakt zu Hermoso und ihrem näheren Umfeld zu verzichten. Diese Order gilt auch für sämtliche anderen Angestellten des spanischen Fußballverbands.

"Rechtliche Schritte" gegen Hermoso

Spaniens Verband RFEF hatte zuvor angekündigt, nach dem Eklat beim WM-Finale in Sydney mit Rubiales rechtliche Schritte gegen Hermoso einzuleiten. Der Verband hält eisern an seinem Spitzenfunktionär fest und wirft Hermoso vor, in einer Stellungnahme über Rubiales gelogen zu haben. Man werde "geeignete rechtliche Schritte einleiten, um die Ehre des Präsidenten zu verteidigen", hieß es.

Rubiales werde die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bekämpfen, heißt es in einer Erklärung des Verbandes. "Luis Rubiales hat erklärt, dass er sich vor den zuständigen Gremien rechtlich verteidigen wird. Er vertraut der Fifa voll und ganz und bekräftigt, dass ihm auf diese Weise die Möglichkeit gegeben wird, mit seiner Verteidigung zu beginnen, damit die Wahrheit siegt und seine völlige Unschuld bewiesen wird."

In einer Aussendung veröffentlichte der spanische Verband zudem Standbilder der TV-Übertragung der Siegerehrung nach dem WM-Finale mit einer ausführlichen Erklärung, Hermoso hätte Rubiales so stark umarmt, dass dieser fast das Gleichgewicht verloren hätte. Zudem hätte Hermoso den Kuss eingeleitet, nicht Rubiales. Dass es Rubiales war, der grob den Kopf Hermosos festhielt und ihr einen Kuss aufdrückte, kommt in der Erzählung des Verbands nicht vor.

"Machohafter Akt"

Eine Woche nach dem Finale bei der Weltmeisterschaft gab Hermoso am Freitag einen Einblick in ihr Seelenleben. Beim Kuss des Verbandspräsidenten auf ihren Mund habe sie sich "verletzlich und als Opfer eines Übergriffs gefühlt, eines impulsiven, machohaften Aktes, der unangebracht war und dem ich nicht zugestimmt habe", schrieb Hermoso bei Instagram: "Ich wurde einfach nicht respektiert."

Rubiales wurde in den Tagen nach dem Finale weltweit kritisiert, er weigerte sich aber am Freitag bei einer Dringlichkeitssitzung des RFEF, von seinem Amt zurückzutreten. Daraufhin erklärten alle 23 Weltmeisterinnen sowie 58 weitere Spielerinnen, unter der aktuellen Verbandsführung nicht mehr für das Nationalteam aufzulaufen. Der Verband drohte in der Folge gleich sämtlichen Spielerinnen, die sich dagegen wehren, für Spanien zu spielen, mit einer Klage. Das Spielen für die Nationalmannschaft stelle eine Verpflichtung dar, hieß es in einer Aussendung.

"Manipulative Kultur"

"Die Worte von Luis Rubiales, mit denen er den unglücklichen Vorfall erklärt, sind kategorisch falsch und Teil der manipulativen Kultur, die er selbst geschaffen hat", schrieb Hermoso in ihrem langen Statement weiter: "Ich stelle klar, dass das von ihm erwähnte Gespräch zu keinem Zeitpunkt stattgefunden hat, und noch viel weniger war der Kuss einvernehmlich. Ich möchte wiederholen, wie ich es damals getan habe, dass dieser Akt nicht nach meinem Geschmack war."

Sie wolle klarstellen, dass niemand es verdiene, Opfer dieser Art von nicht einvernehmlichem Verhalten zu werden, für das sie "null Toleranz" habe: "Ich bin mir sicher, dass wir als Weltmeisterinnen eine Kultur, die so manipulativ, feindselig und kontrollierend ist, nicht verdient haben."

Fass lief über

Diese Art von Vorfall reihe sich in eine "lange Liste von Situationen ein, über die wir Spielerinnen in den letzten Jahren berichtet haben. Dies ist nur der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte, und die ganze Welt konnte es sehen. Einstellungen wie diese gehören seit Jahren zum Alltag in unserer Nationalmannschaft", erklärte Spaniens Rekordtorschützin weiter.

Im vergangenen Herbst streikten 15 spanische Nationalspielerinnen – Hermoso gehörte nicht zu ihnen – wegen Unstimmigkeiten mit dem RFEF und Trainer Jorge Vilda, dessen Führungsstil sie anprangerten. Der Verband und Präsident Rubiales stützten den Coach, drei der Rebellinnen gehörten beim WM-Triumph in Australien und Neuseeland wieder zum spanischen Team.

Auch die spanische Regierung stellte sich gegen den 46-jährigen Rubiales. Sie werde alles tun, was "in ihrer Macht steht", damit Rubiales sein Amt verliert, sagte Spaniens geschäftsführende Vize-Regierungschefin Teresa Ribera der Nachrichtenagentur Europa Press. Sportminister Miquel Iceta bekräftigte, dass sich die Regierung um eine rasche Entfernung von Rubiales aus dem Amt bemühe. "Soweit es von uns abhängt, sind es die letzten Stunden von Rubiales", sagte er der Zeitung "El País".

Die oberste spanische Sportbehörde CSD beantragte beim nationalen Sportgerichtshof Tad die Suspendierung von Rubiales. "Herr Rubiales hat in seiner Reaktion enttäuscht, er hat nicht getan, was er hätte tun sollen", sagte CSD-Chef Víctor Francos.

Von der UEFA gibt es in der Causa bisher keine offizielle Stellungnahme. Rubiales fungiert seit 2019 als einer der Vizepräsidenten der Dachorganisation der europäischen Verbände.

Verbandspräsident Rubiales überschritt bei der Zeremonie nach dem WM-Finale gleich mehrmals Grenzen.
REUTERS/HANNAH MCKAY

Protest weitet sich aus

Laut der spanischen Sportzeitung AS hat nun auch Luis de la Fuente, der Trainer der spanischen Herren-Nationalmannschaft, in einer Erklärung das "falsche und unangebrachte Verhalten des Präsidenten der RFEF" kritisiert. Am Freitag soll De la Fuente Rubiales‘ Erklärung vor dem spanischen Verband, sein Vorgehen verteidigen und nicht zurücktreten zu wollen, noch beklatscht haben. Nun befindet De la Fuente, dass Rubiales‘ Aktionen "nicht erbaulich oder angemessen für eine Person sind, die den gesamten spanischen Fußball vertritt". Er äußerte zudem seine "absolute Ablehnung jeglicher Handlung sexistischer Gewalt". In einer solchen Situation gebe es keinen Platz für laue Haltungen.“

Borja Iglesias, ein Stürmer mit bisher zwei Länderspieleinsätzen, verkündete, nicht mehr für das männliche Nationalteam zur Verfügung zu stehen, solange Rubiales das Amt des Präsidenten ausübt.

Österreichs Nationalspielerin und Bayern-Mittelfeldspielerin Sarah Zadrazil verurteilte das Vorgehen des spanischen Verbands in einem Posting in den Sozialen Netzwerken. "Dieses Verhalten und diese Handlungen können NICHT mehr akzeptiert werden!", schrieb Zadrazil. "Die spanischen Spielerinnen sollten feiern und stattdessen müssen sie sich nicht nur erklären, sondern sich auch verteidigen, anstatt den Schutz und die Gerechtigkeit zu bekommen, die sie verdienen … inakzeptabel! Ich bin bei dir @Jennihermoso."

Hermoso ist mit 51 Toren in 105 Länderspielen Rekordtorschützin ihres Nationalteams. (Lukas Zahrer, Thomas Hirner, sid, 26.8.2023)