DRR-Dramatiker Peter Hacks
Der bedeutende DDR-Dramatiker Peter Hacks hielt dem deutschen Arbeiter- und Bauernstaat noch dann die Treue, als die Welle posthumer "Ostalgie" abzuebben drohte.
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Der Gefahr, wörtlich anstatt beim Wort genommen zu werden, setzte sich Peter Hacks (1928–2003) mit großer Hingabe aus. Der neben Heiner Müller wichtigste Dramatiker der DDR hielt dem deutschen Arbeiter- und Bauernstaat noch dann die Treue, als die Welle posthumer "Ostalgie" schon wieder abzuebben drohte.

Von großen Theatern wurde Hacks nicht mehr gespielt. Der Untergang der DDR galt dem meisterhaften Stilisten nicht als Versehen, sondern als das Produkt geheimdienstlicher Verschwörung.

Über die Segnungen des Kapitalismus urteilte er wegwerfend: Als "der Erdenwunder schönstes" galt ihm ausgerechnet die Mauer. Im Stile eines Weimarer Klassikers besang er die Gitterstäbe jenes Käfigs, in dem zu hausen er sich bereits 1955 aus freien Stücken entschlossen hatte: "Mit ihren schmucken Türmen, festen Toren / Ich glaub, ich hab mein Herz an sie verloren."

Wortmächtiger Satiriker

Man geht bestimmt nicht fehl in der Annahme, Hacks hätte sich mit solchen Spottversen – sie wurden 1998 in der Zeitschrift Konkret abgedruckt – als Deutschlands wortmächtigster Satiriker zu erweisen versucht. Gezielt war seine Ironie nicht auf die Mauer. Eher schon erblickte er in der Leichtfertigkeit, mit der man gewisse Errungenschaften der DDR in Bausch und Bogen abtat, die Bigotterie – von Siegern, die hinter der Elbe keine "blühenden Landschaften" (Helmut Kohl) entstehen sehen wollten, sondern einen billigen Absatzmarkt.

Hacks’ unverbrüchlicher Glaube an die Überlegenheit des Kommunismus lässt sich kaum lösen von der Spezifik seiner Dichtung. Mit seiner Übersiedlung von München nach Ostberlin wähnte er sich im "richtigen" Teil Deutschlands angekommen. Mit Dramen wie Die Sorgen und die Macht (1960) beteiligte er sich wie viele andere Autoren neben ihm an der "Aufbauarbeit" des Sozialismus.

Er unterbreitete "Vorschläge", wie Bertolt Brecht die ungebetene Erteilung von Ratschlägen nannte. Gerichtet waren sie an die Adresse der Einheitspartei. Noch in den Jahren nach der Wende wurde Hacks nicht müde, seine kindliche Verehrung von Walter Ulbricht zu bekunden. Des Letzteren unsanfte Absetzung durch Erich Honecker 1971 galt ihm bereits als Anfang vom Ende des sozialistischen Experiments.

Meisterstreiche samt Toga

Die Faszination, die Hacks' Werk bis heute nicht nur auf unverbesserliche Stalinisten ausübt, zehrt von einer wahren Fülle an Widersprüchen. Hacks war der Auffassung, ein Dichter müsse bei der wahrhaft universellen Ausbreitung des Hegel'schen Weltgeistes behilflich sein. Dabei vertrat er die Meinung, dieser habe sich in der DDR bereits sehr gut verkörpert.

Irgendwann in den 1960ern schlüpfte Hacks in die Goethe-Rolle. Er trug die Toga eines Klassikers zu Lebzeiten, und siehe da: Das Gewand stand ihm prächtig. Die "hohe Form" aufs Gegenwärtige – der Deutschen Demokratischen Republik – zu beziehen war ein Meisterstreich, der dem Autor von Welterfolgen wie Ein Gespräch im Hause Stein über denabwesenden Herrn von Goethe (1976) spielend gelang.

Die literarische Kunst habe, so Hacks, ihren internen Maßgaben zu folgen. Die Schlote in der DDR stießen ungefiltert grauen Dampf aus, und Hacks schmirgelte und feilte derweil mit schöner Selbstverständlichkeit an vollendet ebenmäßigen Versen.

Strikt sozialistischer Dandy

Dergleichen nannte er einen Gipfelsturm: hinauf auf die höchsten Höhen eines "klassizistischen Realismus". Dieser konnte es sich, Hacks zufolge, leisten, von jeder politischen Polemik abzusehen. Die DDR war ihm genug Vorschein eines Paradieses auf Erden. Peter Hacks gab den Dandy: den jedoch in strikt sozialistischer Ausprägung. Der Künstler kann sich getrost mit der Macht zusammenschließen – manchmal findet der Weltgeist seine Unterkunft eben im Fürstenstaat, oder er bezieht im Politbüro der Ein-Parteien-Diktatur vorübergehend Wohnung. Für die Hässlichkeit ihrer Tapeten war der Schöngeist Hacks bemerkenswert blind.

Als die DDR ruhmlos verschwand, schien Hacks von den Westverhältnissen vornehmlich ästhetisch angeekelt. Seine vor Witz sprühenden, vor Hohn triefenden Schriften fanden jedoch nicht nur bei unverbesserlichen "Ostalgikern" reißenden Absatz. Die Jetztzeit-Gedichte im Konkret waren grimmige Erklärungen des Nichteinverständnisses. Oder, wie Peter Hacks im Zweizeiler Wahlsonntag lakonisch reimte: "Ich gebe heut mein Ja dem Kapital. / Wahlsonntag ist. Da bleibt mir keine Wahl."

Noch auf das Propagieren seiner grundlegenden Irrtümer verwendete Hacks mehr Sprachgewalt als die meisten, die meinen, sie hätten recht – und dürften allein deshalb schlechte Prosa schreiben. Die vielbändige Hacks-Werkausgabe im Eulenspiegel-Verlag gewährt jedem, der sie benützt, eine Unzahl sublimer Genüsse. (Ronald Pohl, 28.8.2023)