Forscherin im Labor
Das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung ist in Österreich hoch, das Desinteresse daran aber auch.
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Die Aufregung im Herbst 2021 war groß – zumindest unter Menschen, denen Wissenschaft und Forschung am Herzen liegen. Denn bei der damals publizierten Eurobarometer-Umfrage, bei der das Interesse, Vertrauen und die Relevanz von Wissenschaft in der Gesellschaft EU-weit abgefragt wurde, schnitt Österreich desaströs ab. In diversen Teilfragen, etwa, ob Wissenschaft im täglichen Leben eine Rolle spiele oder ob man sich für Wissenschaft und Technologie interessiere, landete das Land auf den hintersten drei Plätzen.

Video: Wissenschafts- und Demokratieskepsis: Weniger als vermutet, aber Datenlage komplex.
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Entsprechend negativ wurden auch die Fragen beantwortet, ob Forschende ehrlich seien und Wissenschaft für junge Menschen wichtig sei. Eine nationale Umfrage im Herbst des Vorjahres zeichnete zwar kein gar so düsteres Bild, laut diesen Ergebnissen ist das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung in Österreich aber nur bei 15 Prozent der Befragten "sehr groß". Weitere 32 Prozent haben zumindest "großes" Vertrauen.

Ursachenstudie präsentiert

Die wenig schmeichelhaften Erkenntnisse ließen unter anderem im Wissenschaftsministerium die Alarmglocken läuten, das daraufhin einen Zehn-Punkte-Plan zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie formulierte und beim Institut für Höhere Studien (IHS) eine umfangreiche Studie zur Ursachenfindung beauftragte. Die am Montag offiziell präsentierten Ergebnisse bieten einige Überraschungen. Denn laut diesen ist die Wissenschaftsfeindlichkeit in Österreich offenbar doch weniger schlimm, als es die Eurobarometer-Umfrage befürchten ließ.

"Es gibt in Österreich einen Kern von etwa zehn Prozent, die der Wissenschaft systemisch skeptisch gegenüberstehen", erklärt Studienautor Johannes Starkbaum vom IHS. "Diese kann man über einfache Maßnahmen, wie eine verbesserte Wissenskommunikation sicher nicht erreichen", sagte er bei der Präsentation der Ergebnisse. Abgefragt wurden dafür vier Themenbereiche, etwa ob der Klimawandel nicht menschengemacht ist und Viren absichtlich im Labor gezüchtet würden, um die Gesellschaft zu kontrollieren. Weiters wurde gefragt, ob man glaube, dass längst wirksame Krebsmittel künstlich zurückgehalten würden und die Evolution nicht bewiesen sei. Ein Prozent stimmte all diesen teils verschwörungserzählerischen Aussagen zu, immerhin noch neun Prozent drei dieser Aussagen.

Großes Desinteresse, wenig Skepsis

Ungeachtet dessen gebe es aber keine eindeutigen Hinweise, dass Österreich im EU-27-Vergleich unter den besonders wissenschaftsskeptischen Ländern sei. Auch hätte eine Sichtung der Eurobarometer-Rohdaten sowie vier anderer Umfragen, die für die Studie herangezogen wurden, keinen Beweis ergeben, dass die ablehnende Haltung gegenüber Wissenschaft in den vergangenen Jahren in Österreich stark zugenommen hätte. Keine Entwarnung gibt es hingegen, was das im Eurobarometer konstatierte große Desinteresse an Wissenschaft und Forschung betrifft, wenngleich auch dieses Thema differenziert zu betrachten sei.

Denn die Studie, die in Zusammenarbeit mit der Aarhus University erstellt wurde, kommt zum Schluss, dass Desinteresse nicht mit Wissenschaftsskepis oder Misstrauen in die Wissenschaft gleichzusetzen sei. "Viele Menschen, für die Wissenschaft im Alltag keine Rolle spielt oder die etwa den vielzitierten Hausverstand hochhalten, stehen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht per se negativ gegenüber", sagt Starkbaum auf STANDARD-Nachfrage. "Ohne die negativen Punkte in der Eurobarometer-Umfrage kleinreden zu wollen, ist das ein positives Zeichen. Sie kann man erreichen, wenn man in Dialog tritt, erklärt, wie Wissenschaft funktioniert und warum sie wichtig ist."

Quer durch die ganze Bevölkerung

Ebenfalls überraschend für die Studienverantwortlichen war der Umstand, dass Kritik an Wissenschaft und Demokratie, aber auch das Desinteresse nicht auf einzelne soziodemografische Gruppen beschränkt ist, sondern sich über die gesamte Bevölkerung verteilt – relativ unabhängig von politischer Einstellung, Bildungsgrad oder Einkommen. Tendenziell sind diese bei Personen jüngeren Alters, mit niedrigerem Bildungsniveau, politisch rechts Orientierten und generell mit ihrem eigenen Leben Unzufriedenen stärker ausgeprägt, die Unterschiede seien allerdings deutlich weniger stark als man vermuten könnte.

Starkbaum plädiert daher für möglichst breit angelegte Maßnahmen in der gesamten Bevölkerung, von Schulen bis hin zu anderen Institutionen und nicht zuletzt den Wissenschaftern und Wissenschafterinnen selbst, die Berührungsängste nehmen sollen. Dazu brauche es aber auch Anreize im Wissenschaftssystem, damit dieser Dialog von den Zeitressourcen her, aber auch den institutionellen Begebenheiten überhaupt möglich werde.

Politischer Handlungsbedarf

Wissenschafts- und Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) verwies diesbezüglich einmal mehr auf seinen bereits zuvor präsentierten Maßnahmenkatalog, der etwa die aktive Vermittlung an Schulen durch sogenannte "Wissenschaftsbotschafterinnen und -botschafter" vorsieht. Deren Besuche sollen Schülerinnen und Schüler für ihr Fach begeistern. Auch eigene Wissenschaftswochen, die in diesem Jahr erstmals auch an polytechnischen Schulen durchgeführt wurden, sollen Wissenschaft und Forschung für junge Menschen greifbarer machen und das Vertrauen der nächsten Generationen stärken.

Bildungsminister Martin Polaschek.
Minister Polaschek warnt vor dem Zusammenhang zwischen Wissenschafts- und Demokratiefeindlichkeit.
IMAGO/Martin Juen

Kritischen Fragen, inwiefern auch die Politik selbst mit etwaigen Aussagen zur Wissenschaftsskepsis beigetragen haben, wich Polaschek aus. Konkret auf Aussagen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) angesprochen, der in der Nachbetrachtung der Corona-Krise von "Expertenhörigkeit" und in der Klimadebatte von "Untergangsirrsinn" gesprochen hatte, was von vielen Forschenden als wissenschaftsfeindlich interpretiert wurde, wollte Polaschek derartige "punktuelle, einzelne Aussagen" nicht überbewerten. Diese seien definitiv nicht für eine bereits zuvor feststellbare Wissenschaftsskepsis im Land ausschlaggebend gewesen.

Historisch vorbelastet

Ein weiterer spannender Aspekt der fast 400 Seiten umfassenden Arbeit, an der unter anderem der STANDARD-Wissenschaftsjournalist Klaus Taschwer mitgearbeitet hat, ist eine historische Rückschau und ein Erklärungsversuch, warum es die Wissenschaft und Forschung in Österreich nicht immer leicht hatten. Gegenreformation, Restauration, gescheiterte Revolutionen, Absolutismus, Ständestaat, Nationalsozialismus und schließlich die Konsensdemokratie seien für die Wissenschaft nicht förderlich, zum Teil sogar zerstörend gewesen. Österreichs Geschichte habe zudem eine nationale Grundeinstellung geprägt, der Wissenschaft als Beitrag zur Selbstaufklärung und demokratischen Praxis erschwere.

Auf den aktuellen Zusammenhang von Wissenschafts- und Demokratiefeindlichkeit wies am Montag auch Minister Polaschek hin. Er wiederholte eine auch schon zu einem früheren Zeitraum getätigte Aussage: "Wer die Wissenschaft angreift, greift auch die Demokratie an". Tatsächlich gibt es diverse Überschneidungen zwischen Menschen, die der Wissenschaft misstrauen und gegenüber demokratischen Institutionen negativ eingestellt sind. Ohne Wissenschaft gäbe es keine Glühbirne, kein Smartphone, wären wir Krankheiten schutzlos ausgeliefert und könnten auch keine weiten Reisen tun. Wer die Wissenschaft anzweifle, gefährde den Wohlstand, die Gesundheit der Bevölkerung und die Weiterentwicklung der Gesellschaft, sagt Polaschek. (Martin Stepanek, 28.8.2023)