Touristen vor Hallstatts Szenerie
Das Bild des idyllischen Orts mit der jahrtausendelangen Geschichte hat eine enorme Zugkraft.
Florian Voggeneder

Friedrich Idam ist durchaus zufrieden. Denn seit Sonntag ist klar, dass der Asphalt auch abseits der Klimakleber ein guter Protestboden ist. Die Gemeinderatsfraktion Bürger für Hallstatt rief nämlich zum Sitzstreik auf, und so blockierten rund 100 Hallstätter für 15 Minuten die Zufahrtsstraße zu der kleinen Salzkammergut-Gemeinde. "Wenn mehr als zehn Prozent der Bevölkerung in so einem kleinen Ort ihren Unmut kundtun, dann ist das ein sehr deutliches Zeichen", bilanziert das Mitglied der Bürgerliste. Es sei genug geredet worden – "und nichts ist passiert". Idam: "Jetzt gilt es, einer breiten Öffentlichkeit deutlich zu machen, wie sehr die Bevölkerung leidet."

Wiederbelebung mit Folgen

2001 wurde medial noch über ein sterbendes Dorf spekuliert, heute hat sich das Problem längst ins Gegenteil verkehrt. Die kleine Marktgemeinde mit ihren rund 800 Einwohnern ist weit über die Grenzen Europas bekannt. Gar so berühmt, dass sie die Chinesen für eine Wohnsiedlung in Luoyangzhen kopiert haben. Was aber fast eine Million Touristen jährlich nicht davon abhält, diesen malerischen Ort direkt am See zu besuchen.

Der Tourismus, vorwiegend aus dem asiatischen Raum, sorgt mittlerweile seit Jahren für eine süßsaure Stimmung im Ort. Einerseits schwappt mit den Massen ordentlich Geld herein, andererseits bleibt kaum noch ein Fleckerl Privatsphäre. Längst sind die Rufe nach einer Obergrenze nicht mehr zu überhören. Für Busse wurde bereits ein Slotsystem eingeführt, ähnliche Überlegungen gibt es jetzt für Pkws.

Dazu steht seit Jahren die Einführung eines Ticketsystems in Diskussion. Touristen sollen demnach eine Tageskarte kaufen – und ist der Ort voll, gibt es auch keinen Eintritt. Doch was tun etwa mit Freunden und Bekannten, die etwa aus den Nachbarorten auf einen schnellen Kaffee vorbeikommen wollen?

Zuletzt machte sich auch Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP) für ein Ticketsystem stark. Nicht aber ohne den Hallstättern eine Breitseite zu verpassen, dass der Gamsbart wackelte. Konkret warf Kraus-Winkler Hallstatt vor, die Lenkung der Touristenmassen verschlafen zu haben. Jedes Thermenhotel und jedes Einkaufszentrum wisse mittlerweile, wie man das managt. Hallstatt dagegen habe seine Hausaufgaben nicht gemacht. Hallstatts Bürgermeister Alexander Scheutz (SPÖ) zeigt sich darüber "empört und verärgert". Der Disput ist ein weiteres Indiz dafür, wie verfahren die Situation ist.

Menschen fotografieren Halltatt
Die geschichtsträchtigen Gebäude sind ein beliebtes Fotomotiv.
Florian Voggeneder

Hallstatt-Wurzeln

Schon der Weg nach Hallstatt macht eines klar: Platz ist hier Mangelware. Die einzige Zufahrtsstraße führt entlang des Sees vorbei an mächtigen Felsen. Es ist ein eigenwilliges Leben hier im inneren Salzkammergut. An einem Ort, der einer ganzen geschichtlichen Epoche den Namen gegeben hat.

Es scheint, als hätte man jeden Zentimeter Wohnraum dem mächtigen Salzberg abringen müssen. Die Häuser schmiegen sich an den Felsen. Idyllische Holzbauten in Symbiose mit schroffem Gestein. Vielleicht ist es wirklich so, wie mancher Hallstätter sagt: Man muss hier geboren sein, um hier leben zu können.

Selfie in Souvenirshop
Touristenmassen spalten den Ort.
Florian Voggeneder

Entspannter Tag

Es ist an diesem Tag wohl dem Wetter geschuldet, dass sich der Ansturm auf den Weltkulturerbeort – an starken Tagen kommen bis zu 10.000 Gäste – noch in deutlichen Grenzen hält. Noch sind nicht alle Parkflächen voll, und entlang der Uferpromenade mit den unzähligen Souvenirläden mit Schnapsgläsern, original "Hallstatt Breeze" aus der Sprühdose, Salzkristallen, Schürzen, Vase und Sisi-Schneekugeln hält sich das Gästegewusel noch in angenehmen Grenzen.

"It's like heaven", ist ein junges Pärchen aus Taiwan fasziniert. Salzburg haben die beiden soeben hinter sich gelassen, nach dem Hallstatt-Besuch geht es weiter nach Graz. Nachsatz: "Wenn du wissen willst, wie Österreich ist, dann musst du nach Hallstatt kommen."

Boot mit Touristen
Vom Boot aus hat man einen besonderen Blick auf die Halltätter Silhouette.
Florian Voggeneder

Geschäftsinteressen

Doch nicht wenige im Ort sprechen sich mittlerweile für eine touristische Obergrenze aus. Die Wunschzahlen pendeln aktuell zwischen 2.000 und 5.000 Tagesgästen. Offen wird übrigens über das heikle Thema längst nicht mehr diskutiert. In dem Spannungsfeld zwischen Leben vom und Überleben mit dem Tourismus trifft man als Journalist bei den Hallstättern auffallend oft auf eine Mauer des Schweigens.

Ein Gewerbetreibender im Ort, der anonym bleiben möchte, untermauert hingegen im STANDARD-Gespräch, dass die Salzkammergut-Idylle längst zum traditionsreichen Geschäftsfeld geworden ist: "Ich verdiene hier mein Geld, wohnen tue ich in einem anderen Ort. Dort, wo es ruhig ist."

Jugendliche Touristen vor Haus
Etwa eine Million Touristen besuchen das 800-Einwohner-Dorf jährlich.
Florian Voggeneder

Kritik an Doppelmoral

Mit jenen Hallstättern, die eine Einschränkung der Touristenströme fordern, geht der Mann durchaus hart ins Gericht: "Wenn ich die Schnauze voll habe, kann ich ja mein Leben ändern. Viele haben hier Häuser geerbt, die dank Tourismus heute ein Vielfaches wert sind. Es steht jedem frei zu verkaufen."

Als "besonders schlimm" erachtet der Geschäftsmann es, wenn "Leute von der Bürgerinitiative sich aufregen, dass zu viele Touristen kommen, aber selber Zimmer vermieten". Und eine Tourismusobergrenze? "Mir ist es leid um jeden Euro, den ich nicht bekomme. Und die Touristen werden trotzdem kommen. Der Mensch tut, was er will. Und wenn er nach Hallstatt will, kommt er nach Hallstatt." Man dürfe nicht ständig auf die Minderheit hören, die dagegen ist: "Das sind die Salineros, die mit 50 in die Pension geschickt worden sind, 3.000 Euro netto monatlich haben. Da kann ich dann laut gegen Touristen schreien."

Gastronom Josef Peter Zauner
Gastronom Josef Peter Zauner sieht aber auch die positiven Seiten: "Wir haben dafür halt noch einen Bäcker, einen Doktor."
Florian Voggeneder

Infrastruktur im Ort

"Wir haben heute Ruhetag, deswegen habe ich die Lederhose nicht an." Josef Peter Zauner nimmt auf dem urigen Holzbalkon seines Traditionsbetriebs Seewirt Platz. In fünfter Generation betreibt der Hallstätter nun schon das Gasthaus mit angrenzendem Hotel. "Du wirst es nie schaffen, dass eine Dorfgemeinschaft aus 800 Menschen an einem Strang zieht. Aber man muss auch das Positive sehen. Durch den Tourismus haben wir im Ort noch einen Bäcker, einen Doktor, wir können uns einen Kindergarten und eine Volksschule leisten." Aber natürlich dürfe man die Probleme nicht ausblenden. "Hallstatt ist kein Museum, wir leben hier. Und es sind sicher zu viele Touristen."

Zauner glaubt auch nicht, dass Slotsysteme für Pkws funktionieren können. "Die Besucher kommen von Wien oder Prag mit dem Auto, da dreht doch dann keiner vor Hallstatt wieder um, weil er keinen Slot hat." Mit einer Obergrenze könnte der Gastronom aber leben: "Ob jetzt 10.000, 5000 oder 2.000 Gäste – wir sind voll." Aber die Frage sei, wie sich eine Obergrenze umsetzen lasse.

Josef Peter Zauner blickt nachdenklich über den Hallstätter See – und spricht aus, was viele hier denken: "Wir haben ein Problem, aber keine Lösung." (Markus Rohrhofer, 28.8.2023)