Marathonläuferin Julia Mayer
Julia Mayer hätte mit ihren Tagen erst einige Tage später gerechnet. "Normal bin ich eher später dran. Dass ich eine Woche zu früh dran bin, ist zum ersten Mal seit zehn Jahren passiert."
APA/GEORG HOCHMUTH

An Tagen wie diesen wünscht man sich nur, dass die Ziellinie kommt. Dabei war Julia Mayer bei der Leichtathletik-WM in Budapest lange einen sehr engagierten Marathon gelaufen, nach drei Vierteln des Rennens befand sie sich noch in einer Gruppe mit etlichen europäischen Konkurrentinnen, die auf dem Papier über sie zu stellen waren. Sie hatte sich in der Hitze, die am Samstag herrschte, langsam, aber sicher nach vorn gearbeitet, lag um Rang vierzig, als die Krämpfe im Unterleib einsetzten. "Ab dem Zeitpunkt konnte ich gar nicht mehr pushen, ich musste dreimal stehen bleiben, hab wieder etliche Plätze eingebüßt." Es war erst ihr zweiter Marathon nach jenem in Wien, den sie im April in österreichischer Rekordzeit (2:30:42) beendet hatte. Und es spricht für Mayers Einstellung und Kampfgeist, dass sie auch in Budapest finishen konnte, in 2:41:54 Stunden und als 50. unter 78 Teilnehmerinnen.

Die in Wien lebende Niederösterreicherin will, wie sie auch auf der Plattform RunAustria.at erklärte, "die positiven Erfahrungen mitnehmen". Gleichzeitig ist ihr bewusst, dass sie "nicht zeigen konnte, was ich kann. Und das ist schon ein bissl bitter." Die 30-Jährige sagt, dass sie mit ihren Tagen erst eine Woche später und gewiss nicht zwei Tage vor dem WM-Marathon gerechnet hätte. "Dass ich eine Woche zu früh dran bin, ist zum ersten Mal seit zehn Jahren passiert", sagt Mayer dem STANDARD. "Normal bin ich eher später dran." Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die letzte Woche vor dem Marathon eine reine Regenerationswoche ist, Mayer entspannt war wie sonst fast nie. Die 30-Jährige ist als Mittelschullehrerin karenziert, seit drei Jahren läuft sie professionell. "In dieser Zeit ist schon einiges passiert", sagt sie und meint, dass sie in so gut wie allen Phasen ihres Zyklus schon Rennen bestritten hat.

Regel und Ausnahme

Wobei es in der Regel nicht so ist, dass sie zwingend aus der Bahn geworfen wird. Ihren Halbmarathonrekord (1:11:13) etwa lief sie am 24. April 2022 in Malaga, und sie lief ihn "zu einem eigentlich eher ungünstigen Zeitpunkt", nämlich am Zyklusende. "Und dennoch war es das beste Rennen meines Lebens." Was wäre ein günstiger Zeitpunkt? "Die Woche in der Mitte, rund um den Eisprung, ist perfekt. Da fühlt man sich unsterblich, da ist auch das Lactat am niedrigsten, da kann ich laufen ohne Ende." Von den Bauchkrämpfen im Finish des WM-Marathons war sie insofern nicht überrascht, als sie schon einmal während ihrer Menstruation zu einem Bewerb angetreten war. Dieser ging zwar nur über zehn Kilometer, doch auch da war es so, dass sie im Finish Krämpfe hatte. "Wahrscheinlich ist es egal, wie lange ein Rennen dauert. In der Phase, wo es richtig anstrengend wird, reagiert der Körper auf die Anspannung."

Julia Mayer im WM-Marathon in Budapest
Im Finish wurde der WM-Marathon für Julia Mayer zu einem einsamen, von Krämpfen begleiteten Rennen.
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In ihre Periode einzugreifen, sie quasi auf ein Großereignis hin zu timen, ist für Mayer kein Thema. "Die eine perfekte Woche von vier Wochen kann ich nur haben, wenn ich auch die drei weniger guten habe", sagt sie und vermutet: "Wenn ich Medikamente nehme, um die Periode rauszuzögern, werden die Symptome dennoch bis zu einem gewissen Grad auftreten." Sie zählt die Symptome auf: Wassereinlagerungen, Müdigkeit, Kopfweh, erhöhte Körpertemperatur, erhöhter Puls. Und sie wiegt ab: "Lieber lauf ich einen Wettkampf mit fünf Pulsschlägen mehr pro Minute als mit Bauchkrämpfen." Worüber sie künftig im Fall des Falles zumindest nachdenken will, ist die Einnahme einer krampflösenden Schmerztablette, prophylaktisch, also vor dem Start.

Shiffrin und Billie Jean King

In jüngerer Vergangenheit hatten immer mehr Spitzensportlerinnen kein Problem damit, das Thema anzuschneiden. Allen voran die US-Skirennläuferin Mikaela Shiffrin, die nach einem Riesentorlaufsieg am Kronplatz ihre Müdigkeit mit einer "ungünstigen Phase meines Monatszyklus" erklärte, das ORF-Interview ging auch aus Übersetzungsgründen viral. Shiffrins ehemalige alpine Sportkollegin Elisabeth Görgl hatte schon im Juli 2019 in einem Interview im Rahmen der Serie "STANDARD-Zyklus" erklärt: "Es ist nicht verwerflich, weder für eine Sportlerin noch für einen Sportler, nach einer enttäuschenden Leistung zu sagen, dass man sich einfach nicht gut gefühlt hat. Es wird nicht jeder Sportlerin liegen, so plakativ auf die genaue Ursache einzugehen. Das muss jede für sich selbst entscheiden. Aber wenn es ab und zu eine anspricht, ist das sicher kein Schaden."

Die US-Tennislegende Billie Jean King brachte im Vorjahr mit einer Initiative und dem mehrdeutigen Slogan "About Bloody Time" ("Es ist verdammt noch mal Zeit") den Dresscode beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon zu Fall. So ist es Spielerinnen seit heuer nicht mehr vorgeschrieben, dass sie, angefangen bei der Unterwäsche, völlig in Weiß gekleidet sein müssen. Marathonläuferin Mayer findet es "gut, wenn das Thema angesprochen wird". Schließlich habe jede Spitzensportlerin damit umzugehen und etwa auch folgende Frage zu beantworten: "Welches OB soll ich verwenden? Ein kleines, weil es am angenehmsten ist, oder doch lieber ein mittleres oder großes, damit ich auf der sicheren Seite bin?" Über allem, versichert Mayer, steht freilich folgende Feststellung: "Ich will sicher nicht auf der Mitleidsschiene fahren, nur weil ich meine Tage habe. Und in einem großen Feld bin ich damit ja auch sicher nicht die Einzige." (Fritz Neumann, 29.8.2023)