Die frühen 2010er-Jahre waren eine wilde Zeit im Smartphone-Geschäft. Viele Hersteller versuchten, sich am boomenden Markt zu etablieren, der dank Apple und Google seit 2008 so richtig Fahrt aufgenommen hatte. So mancher Name, von dem man heute selten hört, konnte sich damals als neue Größe im Feld etablieren. Einer davon war HTC. Der taiwanische Konzern lieferte eine Fülle an Android-Handys, Reihen wie "Desire" und die "One"-Serie erfreuten sich einiger Beliebtheit. Zu den stärksten Zeiten im Jahr 2011 stammte mehr als jedes zehnte weltweit verkaufte Smartphone von HTC.

Der Glanz ist aber längst verblasst. Bei den Marktanteilen spielt man in der Kategorie "unter ferner liefen", selbst am Heimatmarkt Taiwan liegt er laut Analysten bei unter einem Prozent. Undurchdachte Designentscheidungen, Überhitzungsprobleme, überladene Software, langsamer Update-Support und schlicht auch fehlende Mittel, um mit dem Marketing von Samsung und Co mithalten zu können, leiteten einen turbulenten Abstieg ein. 2018 schluckte Google den Großteil von HTCs Smartphone-Abteilung für eine Milliarde Dollar, deren Know-how nun unter anderem der Pixel-Reihe zugutekommt.

Ganz aufgehört hat man mit Handys bei HTC aber nie. Über die Jahre veröffentlichte man immer wieder Handys in der unteren Mittelklasse und im Low-End-Segment. Viele davon landeten in unseren Breitengraden aber nie im Handel. Schließlich probierte man es auch wieder mit Flagships in der oberen Mittelklasse. Deren neuester Spross, das HTC U23 pro, wird auch in Zentraleuropa verkauft und kostet aktuell rund 500 Euro. DER STANDARD hat den Comeback-Versuch einem Kurztest unterzogen.

Gerätefoto HTC U23 Pro
DER STANDARD/Pichler

Basics

Das U23 pro präsentiert sich ein einem Gehäuse mit Abmessungen von 166,6 x 77,1 x 8,9 Millimetern. Das Gehäuse bietet eine mattierte Kunststoffrückseite und einen Rahmen aus Aluminium in guter Verarbeitung. Dazu ist das Gerät gemäß IP67-Zertifizierung staubdicht und kann bis zu 90 Minuten bei einer Wassertiefe von 1,5 Metern überstehen. Ästhetisch macht das Gerät einen eher generischen Eindruck.

Auf der Vorderseite findet sich ein OLED-Panel mit 6,7-Zoll-Diagonale und einer Auflösung von 2.400 x 1.080 Pixeln. Der Bildschirm unterstützt eine hohe Bildwiederholrate von 120 Hertz, HDR-Unterstützung gibt es allerdings nicht. Die Darstellungsqualität ist ordentlich, das Panel liefert kräftige Farben und Kontraste. Bei der maximalen Helligkeit bewegt man sich auf üblichem Niveau der Preisklasse. Eine offizielle Angabe liefert HTC nicht, Messungen von Notebookcheck ermittelten einen Maximalwert von 724 nits.

Gerätefoto HTC U23 Pro
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Der Ein/Aus-Knopf ist mit dem Daumen gut erreichbar. Er hat auch einen recht zuverlässigen und schnellen Fingerabdruckscanner integriert. Für die darüberliegende Lautstärkewippe benötigt es allerdings schon Fingerakrobatik, selbst wenn man größere Hände hat. Rückseitig findet sich das Kameramodul mit drei Fotosensoren sowie einem Tiefenerkennungsmodul. Die Frontkamera sitzt oben mittig in einem Ausschnitt des Bildschirms.

Unter der Haube soll ein Snapdragon 7 Gen 1 für ausreichend Leistung sorgen. Ihm stehen je nach Modell 8 oder 12 GB RAM zur Seite, wobei in unseren Breitengraden nur die "stärkere" Variante verkauft zu werden scheint. Der Onboard-Speicher ist mit 256 GB bemessen und lässt sich per microSD-Karte erweitern.

Die weitere Ausstattung liegt im Rahmen des Erwartbaren. Das Smartphone unterstützt 5G, LTE, Wifi 6 (802.11ax), NFC und Bluetooth 5.2. Es gibt zwei Slots für nanoSIM-Karten. Der USB-C-Anschluss bietet USB-3.0-Übertragungsraten. Und wer konventionelle Kopfhörer anstecken möchte, findet dafür eine 3,5-mm-Klinke vor.

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Performance, System, Updates

Die Performance im CPU-Benchmark mit Geekbench 6 liefert ein für den Chip typisches Ergebnis, das sich auf einer Höhe mit den ehemaligen Highend-Chips Snapdragon 888 und 865 bewegt. Im 3D-Benchmark mit 3DMark (Szenarien "Wild Life" und "Wild Life Extreme") fällt er allerdings um ein paar Generationen weiter zurück.

Das dürfte aber an einem spezifischen Softwareproblem mit dem Benchmark liegen, denn die praktische Grafikleistung passt zur Hardware. "Diablo Immortal" etwa läuft in hohen Details und 30-Frames-pro-Sekunde-Voreinstellung meistens flüssig, in Situationen mit vielen Gegnern und Levelstrukturen geht das Handy aber in die Knie. Unter Last wird es auch spürbar warm, erreicht aber kein unangenehmes Temperaturniveau auf der Außenseite des Gehäuses.

Vorinstalliert ist Android 13, das abgesehen von minimalen grafischen Anpassungen und ein paar vorinstallierten HTC-Apps "naturbelassen" ist. Das System ist auch ordentlich optimiert, man navigiert stets flüssig durch die Menüs, und Apps starten flott. Negativ fällt nur die automatische Helligkeitsregelung auf, die immer wieder einmal die Bildschirmbeleuchtung viel zu aggressiv hinunterdreht.

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Die mitgelieferten Apps werfen Fragen auf. Während die "Vive"-App für Besitzer einer HTC-VR-Brille nützlich ist und Vive Wallet zumindest eine Option zur Verwaltung verschiedener Krypto-Assets darstellt, wird es bei "Viverse" dubios. Hier kann man primär NFTs kaufen, doch ob das eine gute Investition ist, darf in Anbetracht der bisherigen Entwicklung eher bezweifelt werden.

Auch der Besuch verschiedener Metaverse-Welten und Interaktion mit den Avataren ist möglich. Allerdings mehr in der Theorie denn in der Praxis, denn der kurze Ausflug in mehrere gefeaturte und als "beliebt" ausgeschriebene Umgebungen erwies sich als einsame und ruckelige Angelegenheit. Notwendig ist das U23 pro dafür auch nicht, denn die App gibt es auch für andere Geräte im Play Store.

Während das sonst sehr "saubere" System Puristen erfreuen dürfte, wird es das Update-Versprechen von HTC nicht tun. Denn es gibt keines. Das Smartphone soll zwei Jahre lang Sicherheitspatches bekommen, das ist aber ohnehin der von Google vorgeschriebene Mindestzeitraum. Upgrades auf neue Android-Versionen garantiert das Unternehmen gar nicht. Damit ist also nicht einmal klar, ob das im Mai veröffentlichte Handy zumindest auf Android 14 hochgezogen wird, das diesen Monat in finaler Version erscheinen dürfte. Dafür gibt es nur einen passenden Begriff: Enttäuschung.

Gerätefoto HTC U23 Pro
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Kamera

In der Kategorie "Unterdurchschnittlich" bewegt sich die Kamera. Hier kombiniert HTC einen Weitwinkelsensor mit 108 MP Auflösung und optischer Bildstabilisierung mit einem 8-MP-Weitwinkel sowie einem Chip für Makroaufnahmen mit 5 MP. Als Assistent wurde zudem ein Tiefensensor mit 2 MP verbaut.

Halbwegs "kompetent" ist davon nur der Weitwinkelchip, der qualitativ auch von Pixel-Binning profitiert. Die allerdings nur mäßig gute Lichtempfindlichkeit und damit einhergehend auch Detailerfassung wird zusätzlich von Postprocessing sabotiert, das stellenweise entweder bedenkliches Bildrauschen übrig lässt oder auch die allerletzten feinen Strukturen aus dem Bildhintergrund radiert. Nicht hilfreich ist, dass HDR standardmäßig ausgeschalten ist.

Aktiviert man es, merkt man aber auch, warum. Fotos mit starken Kontrasten – etwa heller Himmel über schattigen Gebäuden – sehen dann zwar besser aus, es kommt aber auch zu einer spürbaren Auslöseverzögerung. Ob dies einfach nur der Effekt einer langsam reagierenden Kamera-App ist oder das Handy tatsächlich nur mit leichter Verzögerung aufnimmt, ließ sich nicht zweifelsfrei feststellen. Auch wenn die Vermutung des Autors auf erstere Ursache fällt, sollte so etwas bei einem Smartphone der oberen Mittelklasse im Jahr 2023 nicht vorkommen.

Gerätefoto HTC U23 Pro
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Die Farbwiedergabe fällt zumeist etwas blass aus, und im Bildhintergrund finden sich immer wieder unerklärlich weichgezeichnete Stellen. An manchen Fotos sieht man aber, dass mit dem genutzten Sensor auch passable Aufnahmen möglich wären, wäre die Kamera-Software nicht so ein "Pfusch". Überraschenderweise zeigt sich das Setup aber ausgerechnet bei Fotos im Nachtmodus als verhältnismäßig kompetent.

Den Mantel des Schweigens sollte man über die Ultraweitkamera legen. Hier findet man nämlich eine Kombination aus Detailarmut, heftiger chromatischer Abberation an Kanten und deutlich sichtbaren Unschärfen entlang breiter Teile des Bildrandes. Eine Farbabstimmung mit dem Weitwinkel wurde offenkundig auch nicht durchgeführt.

Leider gewinnt auch der Makrosensor keine Preise. Der fixe Fokus erschwert scharfe Aufnahmen, es fehlt an Details, und schon bei etwas Schatten schleicht sich ein ins Grünliche gehender Farbstich ein, der die Fotos verfälscht.

Gerätefoto HTC U23 Pro
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Die Frontkamera liefert 32 Megapixel, und hier ist in der Startkonfiguration bereits recht heftige Gesichtsglättung aktiviert. Wer auf Fotos nicht aussehen möchte wie eine Statue aus Madame Tussauds Kabinett, sollte diese Einstellung reduzieren oder abdrehen. Dann gelingen unter Tageslicht auch ganz passable Selfies mit ordentlichem Detailgrad. Im Porträtmodus ist die Kantenerkennung für künstliches Bokeh aber nur mäßig zuverlässig.

Bei schlechteren Lichtverhältnissen lassen Detailgrad, Schärfe und Farbtreue rapide nach. Schon ein helleres Licht im Hintergrund, etwa eine Verkehrsampel, kann dann dazu führen, dass das gesamte Foto "überstrahlt" wird.

Akustik und Akku

Wenig berauschend ist die Akustik der Stereolautsprecher des HTC U23 pro. Schon bei mittlerer Lautstärke scheppern Töne abseits mittlerer Frequenzen ganz ordentlich, was sich bei zunehmender Dezibelzahl weiter verschlimmert. Besser sieht es mit der Telefonie aus. Man selbst bekommt zwar einen "robotischen" Unterton, ist aber dennoch stets gut verständlich, da die Geräuschunterdrückung gute Arbeit leistet. Etwas besser funktioniert es sogar bei Telefonie im Lautsprechermodus. Das Gegenüber wiederum klingt etwas dumpf und verrauscht, bleibt aber ebenso verständlich.

Als Energiespeicher wurde bei diesem Handy ein 4.600-mAh-Akku verbaut. Gemessen an der Displaygröße ist das eher auf der sparsamen Seite, hinzu kommt, dass der Snapdragon 7 Gen 1 auch kein Effizienzkönig zu sein scheint. Wer das Telefon oft verwendet, muss es wohl am Abend wieder mit Strom versorgen, sparsamere Nutzer könnten anderthalb Tage schaffen. Lindern lässt sich das durch eine Minimierung der fixen Bildwiederholrate von 120 auf 90 oder 60 Hertz, freilich zu Lasten der Darstellung, die dann eben nicht mehr ganz so butterweich ist.

Immerhin: Mit 30-Watt-Quickcharging ist die Batterie recht flott wieder aufgeladen. Außerdem wird – was in dieser Preisklasse noch nicht Standard ist – Wireless Charging mit bis zu 15 Watt unterstützt. Andere Geräte lassen sich mit dem Handy außerdem drahtlos mit bis zu 5 Watt laden.

Gerätefoto HTC U23 Pro
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Fazit

Das HTC U23 pro lässt einen ratlos zurück. Auf dem Spezifikationszettel ist die Ausstattung für 500 Euro in Anbetracht aktueller Marktpreise ordentlich. Das weitgehend "naturbelassene" Android-System gefällt an sich auch, und die Performance passt. Bei den Basics macht der Hersteller zumindest auf den ersten Blick vieles richtig.

Dann allerdings läppern sich die Kritikpunkte, die stark an der Existenzberechtigung des Geräts zweifeln lassen. Die Kamera enttäuscht größtenteils, die Akkulaufzeit ist mau, echte Alleinstellungsmerkmale gibt es nicht. Das allein macht es dem Gerät schon schwer genug, in seinem Preissegment gegen die Konkurrenz zu bestehen. Das nicht vorhandene Supportversprechen – wenn man von den verpflichtenden zwei Jahren Security-Support absieht – ruiniert das HTC-Comeback allerdings endgültig. (Georg Pichler, 3.9.2023)

Testfotos

Testfoto, aufgenommen mit dem HTC U23 Pro
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Testfoto, aufgenommen mit dem HTC U23 Pro
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Gemischte Lichtsituation
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Ultraweitwinkel (0,6x)
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Weitwinkel (1x)
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2x-Zoom
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5x-Zoom (digital)
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Testfoto, aufgenommen mit dem HTC U23 Pro
Kunstlicht
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Testfoto, aufgenommen mit dem HTC U23 Pro
Selfie, Nachtmodus
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Testfoto, aufgenommen mit dem HTC U23 Pro
Nachtmodus
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