Die Erwartungen an den ersten Klimagipfel Afrikas könnten kaum höher sein: Wenn sich am Montag dutzende Staatschefs, hunderte Regierungsmitglieder und tausende Vertreter der Zivilgesellschaft in Kenias Hauptstadt Nairobi treffen, geht es zunächst um den finanziellen Ausgleich, den der für die Klimaerwärmung verantwortliche Globale Norden dem Süden zu zahlen hat. Afrika trägt lediglich vier Prozent zum weltweiten Kohlendioxidausstoß bei, hat unter den Folgen der Klimakrise jedoch besonders zu leiden – durch Dürrekatastrophen, Unwetter und Überschwemmungen, die oft zu Hungersnöten führen.

Arbeiter legen auf der Bühne des Klimagipfels den roten Teppich aus
Letzte Vorbereitungen für den am Montag in Nairobi beginnenden Afrikanischen Klimagipfel.
AFP/LUIS TATO

Grundsätzlich erklärten sich die Industrienationen, die ihren Reichtum auch der Verfeuerung fossiler Brennstoffe verdanken, bereit, einen jährlichen Lastenausgleich von 100 Milliarden US-Dollar (rund 93 Milliarden Euro) zu leisten. Doch das schon während des Klimagipfels in Paris 2015 gegebene Versprechen wird noch immer nicht erfüllt. Stattdessen pumpen die Regierungen des Globalen Nordens Milliarden Dollar in die Subventionierung ausgerechnet jener Energieträger, die für die Klimakatastrophe verantwortlich sind. Eine der schwer erträglichen Heucheleien, für die der Norden im Süden der Erdkugel berüchtigt ist.

Doch Kenias Präsident William Ruto will es bei den Klagen nicht belassen. "Wir haben genug gejammert", sagt der Gastgeber des Gipfels, "und es hat uns nicht weitergebracht." Der unorthodoxe Staatschef will sich stattdessen auf die Chancen konzentrieren, die ausgerechnet die Klimakatastrophe dem Süden bietet. Afrika verfügt über 60 Prozent des Potenzials erneuerbarer Energien – rund 50-mal mehr als der gesamte weltweite Energiebedarf. Außerdem verfügt Afrika über Rohstoffe, die für die globale Energiewende dringend gebraucht werden, darunter Kobalt und Lithium für die Herstellung von Batterien.

Chance für Afrika?

Würden die Bodenschätze endlich in Afrika veredelt und verarbeitet, statt im Rohzustand exportiert zu werden, könnte damit die Industrialisierung des Kontinents gefördert werden – der Wirtschaftsbereich, der dem Süden nach Auffassung von Entwicklungsfachleuten am meisten fehlt. Afrika habe die einmalige Chance, sich aus seiner Rolle des ständigen Opfers zu befreien, sagt Ruto: "Der Kontinent kann sich in eine Führungsrolle der globalen Klimaaktivitäten katapultieren."

Klimaaktivistinnen und -aktivisten sind die Äußerungen des kenianischen Gastgebers allerdings suspekt. Sie sehen darin das Werk von Interessengruppen aus den Industrienationen, die den Fokus weg von dem für den Norden kostspieligen Finanzausgleich und hin zur Selbsthilfe des Südens leiten wollen. Argwöhnisch machten die NGOs unter den Partnern und Sponsoren des Gipfels eine große Zahl westlicher Lobbyisten aus – unter anderem soll die Beratungsfirma McKinsey bei der Vorbereitung der historischen Zusammenkunft entscheidend mitgemischt haben.

In einem von über 300 zivilgesellschaftlichen Gruppen unterzeichneten offenen Brief an Präsident Ruto fordern diese ein "dringendes Zurücksetzen" der Agenda des Gipfels – damit die Konzentration auf das "weltweite Ziel für Anpassung" nicht verloren gehe. Teil des nach seinem englischen Namen mit GGA (Global Goal on Adaptation) abgekürzten Ziels ist das Versprechen der Industrienationen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für Maßnahmen zur Minderung der von der Klimaerwärmung im Süden angerichteten Schäden zur Verfügung zu stellen.

"Ablasshandel"

Kritisiert wird – neben der Säumigkeit vieler Industrienationen – die unter westlichen Regierungen verbreitete Praxis, selbst bloße Kredite in vollem Umfang als Adaptionszahlungen anzurechnen. Umstritten ist auch das Augenmerk, das Kenias Regierung auf den Kohlenstoffmarkt als Finanzierungsquelle für die Anpassung richtet.

Auf dem Klimagipfel vergangenen Jahres in Ägypten wurde Afrikas Kohlenstoffmarkt-Initiative (ACMI, Africa Carbon Markets Initiative) gegründet, die das Volumen des "Ablasshandels" in Afrika von 16 Millionen Dollar im Jahr 2020 auf 1,5 Milliarden Mitte des Jahrhunderts steigern soll. Beim Emissionshandel zahlen Kohlenstoff ausstoßende Unternehmen an Firmen oder Projekte, die solche Emissionen absorbieren oder vermindern. Auf diese Weise finanziert die kenianische Firma Burn Manufacturing die Herstellung hocheffizienter Kocher: Mit den Einnahmen aus dem Emissionshandel werden die Kosten für die Kocher von 40 auf zwölf Dollar vermindert und damit für kenianische Kleinhaushalte erschwinglich gemacht. Die Firma soll bereits 3,6 Millionen der umweltfreundlicheren Kochstellen verkauft haben.

Kritiker und Kritikerinnen werfen Kenias Präsident Ruto "eine Obsession" mit dem Emissionshandel vor. Dessen Kehrseite ist offensichtlich, dass er vom Verbrennen fossiler Brennstoffe lebt, das nicht gefördert, sondern so schnell wie möglich beendet werden soll. Seit dem Pariser Klimagipfel vor sieben Jahren hätten Banken die Exploration fossiler Brennstoffe im Globalen Süden mit 3,2 Billionen US-Dollar finanziert, klagt die Hilfsorganisation Action Aid. Und Afrika ist ein Zentrum der unverminderten Tätigkeit der Mineralölkonzerne. (Johannes Dieterich, 4.9.2023)